Autor Thema: Japan Rock  (Gelesen 9148 mal)

Rockio

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Japan Rock
« am: 14.11.2009 12:00 »
Hallo,
hier ein interesanter, wenn auch kurzer Bericht aus Japan.
In der dortigen Popkultur geht man ja bekanntlich viel freier mit den Gendernormen um (Visual kei, J-Rock). In Deutschland ist das ja auch durch "Tokyo Hotel" bekannt. Nun ist mir diese ganze Musikkultur ganz fremd (bei mir ist's klassisch), aber alles was dem (Kleidungsstück) Rock ein positives Image gibt, kann uns RockliebhaberInnen ja nur Recht sein.
   

Skirt Boys – Lifting Up in Numbers
http://bionicbong.com/japan/only-in-japan/skirt-boys-lifting-up-in-numbers/

Rockio

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Re: Japan Rock
« Antwort #1 am: 14.11.2009 12:15 »
Mehr über die "skirt tribes"
(das originale Link vom 9. Nov. 09 scheint schon jetzt nicht mehr zu funktionieren)
http://74.125.77.132/search?oe=UTF-8&hl=de&q=cache%3AvdQdjaF7dv4J%3Amdn.mainichi.jp%2Fmdnnews%2Fnational%2Fnews%2F20091024p2a00m0na019000c.html

Offline franco

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Re: Japan Rock
« Antwort #2 am: 14.11.2009 14:17 »
Zitat aus dem Artikel:
Zitat
When asked how wearing skirt is different than cross-dressing, Shana says, "Cross-dressers are people who want to be girls. I'm not wearing this because it's what girls wear, but because I like the line and the texture of the material."

Das deckt sich zu 100% mit meiner Philosophie! :)

Interessant sind auch die Aussagen zur Vermarktungsfähigkeit des Rocks. Der Herausgeber des Herrenmode-Magazins (gibt es sowas bei uns überhaupt?) ist sich sicher, dass wenn hier eine Nachfrage besteht, diese auch von der Modeindustrie befriedigt wird - und grenzt durch eine geschickte Formulierung den Trend wieder ganz klar vom Crossdressing ab.

Ich habe vor ein Paar Tagen hier im Forum - im Spaß - gesagt, die arabischen Träger der Dishdasha sind fortschrittlich (leider wurde der Spaß nicht von Jedem verstanden).

Die Japaner sind jedenfalls fortschrittlich.

Leider kommen von Japan aus nur noch wenige Trends zu uns durch, vor 15 Jahren war das noch anders (erinnert ihr Euch noch an den Tamagotschi?).

Aber die Einstellung dieser Jungs gefällt mir!

Bravo, Japan!
"Ja, ich kann! - sogar im Rock!"

Mr. White

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Re: Japan Rock
« Antwort #3 am: 14.11.2009 14:26 »
Leider kommen von Japan aus nur noch wenige Trends zu uns durch, vor 15 Jahren war das noch anders (erinnert ihr Euch noch an den Tamagotschi?).

Das kann ich so nicht unterschreiben. J-Rock und Visual Kei wurde ja bereits angesprochen (und bringt mir keinen Visual in Verbindung mit Tokio Hotel... die Visus mögen das gar nicht), ich hatte vor ein paar Wochen mal eine Cosplayerin getroffen, die meinte, daß diese Szene erstarkt in Deutschland.
Und auch innerhalb der schwarzen Szene sehe ich zunehmen Einflüße aus der japanischen Jugendkultur seit Jahren wachsen.

Noch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, nicht die Hoffnung darauf, daß sich der Rock am Mann auch hier durchsetzt, vielmehr die Hoffnung darauf, daß die Bevölkerung anfängt Toleranz nicht nur zu heucheln.

White


Rockio

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Re: Japan Rock
« Antwort #4 am: 14.11.2009 15:55 »
Zitat aus dem Artikel:
Zitat
When asked how wearing skirt is different than cross-dressing, Shana says, "Cross-dressers are people who want to be girls. I'm not wearing this because it's what girls wear, but because I like the line and the texture of the material."

 .... Der Herausgeber des Herrenmode-Magazins ...  grenzt durch eine geschickte Formulierung den Trend wieder ganz klar vom Crossdressing ab.
[/quote]

Das ist genau der Teil des Artikels den ich überflüssig finde - und falsch formuliert obendrein: Der Artikel vermischt Crossdressing und Transsexualität. 
Crossdresser ist nur der Oberbegriff für diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer Kleidung tragen, die gemeinhin dem andern Geschlecht zugeordnet wird, auch Teil-Crossdressing fällt darunter. Das (und darunter gerade das letztere) gilt offenbar als Oberbegriff auch für eine ganze Reihe von Männern hier im Forum.
Ich bin auch Crossdresser in dem Sinn, dass ich meine weibliche Seite gerne mit schönen Sachen von der anderen Seite erfreue, aber ich eben auch Mann. Ich trage, was beidem gerecht wird und worin ich mich wohlfühle.

Die dusselige Abgrenzerei gegenüber vermeintlichen Crossdressern geht einem auf die Nerven.

Offline MasinAD

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Re: Japan Rock
« Antwort #5 am: 14.11.2009 16:30 »

Crossdresser ist nur der Oberbegriff für diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer Kleidung tragen, die gemeinhin dem andern Geschlecht zugeordnet wird, auch Teil-Crossdressing fällt darunter. Das (und darunter gerade das letztere) gilt offenbar als Oberbegriff auch für eine ganze Reihe von Männern hier im Forum.
[...]
Die dusselige Abgrenzerei gegenüber vermeintlichen Crossdressern geht einem auf die Nerven.

Angenommen, Du liegst richtig --wovon ich ausgehe--, dann ist allein die Existenz des Begriffes Crossdressing schon eine Beleidigung für Männer, zielt er doch darauf ab, etwas Geschlechtsuntypisches als Abnormität zu etikettieren, dessen ein eigener Begriff notwendig ist. Verallgemeinert: Macht eine Frau, was typischerweise Männer machen, so ist das fortschrittlich und erstrebenswert, macht ein Mann, was typischerweise Frauen machen, so ist das bedenklich und muss unter Umständen therapeutisch begleitet werden. Das ist gut daran erkennbar, dass der Begriff des Crossdressings nach meiner Erfahrung ausschließlich auf Männer angewandt wird und wurde -- als Frauen sich der Männermode bedienten, gab es keinen Bedarf für einen entsprechenden Begriff. Ich sehe in dem Begriff des Crossdressings all das Misstrauen gegenüber den Absichten von Männern, nichts ohne geschlechtlichen Hintergrund machen zu können, wenn es nicht traditionell oder funktional ist -- sowie auch all die Ängste und Unsicherheiten derjenigen, die sich seiner (und 'Artverwandter' wie TS, TV usw.) bedienen, sich etwas zu erklären, wobei sie das für sich nähstliegende Erklärungsmodell heranziehen.

Und auch dies ist hier im Forum durchaus verbreitet.

LG
Masin

Offline franco

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Re: Japan Rock
« Antwort #6 am: 14.11.2009 17:37 »
Hallo Rockio,

Was ist ein "Teil-Crossdresser"?

Zitat
Crossdresser ist nur der Oberbegriff für diejenigen, die  aus welchen Gründen auch immer Kleidung tragen, die gemeinhin dem andern Geschlecht zugeordnet wird, auch Teil-Crossdressing fällt darunter. Das (und darunter gerade das letztere) gilt offenbar als Oberbegriff auch für eine ganze Reihe von Männern hier im Forum.

Wenn Du diese Aussage wirklich ernst meinst, heißt das, dass alle männlichen Rockträger "Crossdresser"  sind.

Das kann ich nicht akzeptieren. Ich trage gerne Röcke, ohne als "Crossdresser" verstanden zu werden.

Es ist Ziel dieses Forum, Männer darüber zu informieren, dass sie ein Recht haben, Röcke zu tragen, ohne CD, TV, TS oder sonst was sein zu müssen, sondern einfach nur weil sie es wollen und Spass daran haben! Die weitaus meisten Männer der sog. westlichen Welt wissen das nämlich schlichtweg nicht.

Unser Problem ist es doch, dass die Gesellschaft eine ziemlich feingegliederte Definition für all diese Begriffe bietet (CD, MzF-TS, usw., vgl. z.B. Wikipedia) sodass Menschen die Möglichkeit haben, diese Leute - respektvoll oder despektierlich - "einsortieren" können.

Da wir Männerrockträger von der Gesellschaft mangels Masse kaum wahrgenommen werden, kann sie uns auch nicht "einsortieren". Was macht die Gesellschaft nun: Sie sortiert uns falsch ein. Wie hätte ansonsten einer von uns im Sommer gefragt werden können, wann denn nun die Geschlechtsumwandlung anstehe.

Zitat Mr. White:
Zitat
Zitat von: franco am Heute um 14:17
Leider kommen von Japan aus nur noch wenige Trends zu uns durch, vor 15 Jahren war das noch anders (erinnert ihr Euch noch an den Tamagotschi?).

Das kann ich so nicht unterschreiben. J-Rock und Visual Kei wurde ja bereits angesprochen (und bringt mir keinen Visual in Verbindung mit Tokio Hotel... die Visus mögen das gar nicht), ich hatte vor ein paar Wochen mal eine Cosplayerin getroffen, die meinte, daß diese Szene erstarkt in Deutschland.
Und auch innerhalb der schwarzen Szene sehe ich zunehmen Einflüße aus der japanischen Jugendkultur seit Jahren wachsen.

Ist mir nicht entgangen!

Der Unterschied ist: Tamagotschi war ein Hype, der wirklich durch die komplette Gesellschaft ging!

Das was Du ansprichst sind klassische Jugendkulturen, die nur Randgruppen erfassen. Außerhalb von denen wird das kaum wahrgenommen. Und wie du richtig vermerkst, ist Tokio Hotel einfach nur eine Teenieband - die Elemente dieser Kultur zwar aufnimmt, aber ansonsten ihre Fans wirklich über alle Gesellschaftsschichten dieser Altersklasse in den Bann gezogen hat (mit Schwerpunkt beim weiblichen Teil, versteht sich).

MasinAD: Deinen Ansatz finde ich Klasse.

Danke an alle für die nette Diskussion bis hierhin.
"Ja, ich kann! - sogar im Rock!"

Mr. White

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Re: Japan Rock
« Antwort #7 am: 14.11.2009 18:48 »
"Jugend"kultur stimmt so auch nicht mehr, wenn ich an den Altersschnitt und die vielen Kinderwagen denke des letzten Festivals das ich besucht hatte... (Übrigens ist man als Mann im Rock dort nicht aufgefallen, denn die Rocker haben gefühlt die Hosenträger zahlenmäßig überwogen)

Was mich an MasinADs Ansatz etwas, hm, nicht unbedingt stört, aber nachdenken läßt ist, daß Abnormität damit automatisch negativ behaftet wird.

Zitat von: MasinAD
Angenommen, Du liegst richtig --wovon ich ausgehe--, dann ist allein die Existenz des Begriffes Crossdressing schon eine Beleidigung für Männer, zielt er doch darauf ab, etwas Geschlechtsuntypisches als Abnormität zu etikettieren, dessen ein eigener Begriff notwendig ist.


Offline MasinAD

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Re: Japan Rock
« Antwort #8 am: 14.11.2009 22:05 »
Was mich an MasinADs Ansatz etwas, hm, nicht unbedingt stört, aber nachdenken läßt ist, daß Abnormität damit automatisch negativ behaftet wird.

Abweichung von der Norm, also Abnormales, wird doch gerne negativ betrachtet. Weniger scharf kann man es auch als 'unnormal' bezeichnen. 'Normal' in diesem Kontext wäre, sähe man gar keine Notwendigkeit diese Abweichung irgendwie zu bezeichnen, wie es auch bei Frauen nicht üblich war und ist, deren Tragen von Hosen irgendwie mit einem Etikett zu versehen. Vielleicht liegt da auch das spezielle Problem der Rockträger, dass sie sich explizit als Rockträger auffassen, statt einfach zu machen (huhu, Chrisko!). Aber damit wird das Tragen eines Rocks zu einer Besonderheit, was dem Wunsch nach Normalität konträr entgegensteht. Analog auf alle anderen Kleidungsstücke anzuwenden.

LG
Masin

Offline cephalus

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Re: Japan Rock
« Antwort #9 am: 14.11.2009 23:23 »
Je länger ich die Themen hier und in andern ähnlich aufgehängten Foren in In- und Ausland verfolge, desto mehr komme ich zu der Überzeugung, dass dem Rockträger an sich nicht zu helfen ist:

Wir tun Dinge, oder würden sie gerne tun, die derzeit schlich nicht üblich sind in der Gesellschaft in der wir uns bewegen, unabhängig davon, ob es einen für uns oder auch irgendjemand plausiblen Grund gibt, dass das so ist.

Ein Teil der Rocker will schlicht die Faktenlage nicht akzeptieren, ein anderer Teil redet sie sich schön, und der Rest versucht sie zu ändern, was aber bedeuten würde die Gesellschaft zu verändern. Das wird auch passieren, aber durch keinen von uns und auch nicht durch uns gemeinsam – sie wird sich ändern, weil sie permanenter Wandlung ausgesetzt ist, in welche Richtung und in welchem Zeitrahmen, das steht auf einem anderen Blatt.
Falls sie sich jemals in eine entsprechende Richtung ändern sollte, denke ich nicht, dass es für irgendjemand von uns noch Relevanz hat.
Akzeptieren müssten auch die meisten hier, dass sie außerhalb der Masse stehen und das primär nicht im Bezug auf die Kleidung.
Immer wieder driften Themen in Richtung Rollenverhalten und andere gesellschaftliche Bereiche ab, was meiner Ansicht nach sehr interessant ist, zumal die Diskussionen auf sehr hohen Niveau geführt werden, aber für mich auch ein klares Zeichen setzen:
Viele tragen, vielleicht auch un- oder unterbewusst gerne einen Rock, weil es ein Protest oder auch Identifikationsmangel, mit der derzeitigen Situation ist. Nein, kaum einer hadert mit seiner gesellschaftlichen Rolle, weil er gerne einen Rock tragen würde, sondern viele kommen auf die Idee einen Rock zu tragen, weil ihnen anderes nicht passt – und seien es nur die „genormten Erwartungen“ an die Herrengarderobe.

Und genau in diesem Kontext entsteht auch wieder das Problem der Ablehnung, der Skepsis und des Verdachts einer irgendwie gearteten sexuellen Motivation: Es steckt meist mehr dahinter als eine reine modische Spielerei – und das transportieren auch die meisten, unbewusst und subtil. Seinen Empfänger erreicht so eine Botschaft aber und die sorgt eben schnell für Besorgnis, Ablehnung oder Skepsis.

Wenn man dann jammert, dass Frauen alles tragen können, ohne sich erklären zu müssen, ist das auf den Punkt gebracht: Eine Frau macht ein modischen Spiel oder Experiment – der Mann beschwert sich nicht gleich behandelt zu werden, vergleicht seine Situation und Rolle, nach innen und nach außen und schon sind wir wieder weg vom rein modischen Aspekt.

Die (wenigen) Männer, die es verstehen wirklich nur mit Mode zu spielen, haben meist auch keinerlei Probleme mit ihrer Umgebung.

Der Rest muss wohl einfach akzeptieren, dass er ein Leben außerhalb der „normalen „ Gesellschaft führt, oder er muss sich anpassen.

Cephalus

Offline Jürgen64

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Re: Japan Rock
« Antwort #10 am: 17.11.2009 09:59 »
Hallo Rockio,

Was ist ein "Teil-Crossdresser"?

Zitat
Crossdresser ist nur der Oberbegriff für diejenigen, die  aus welchen Gründen auch immer Kleidung tragen, die gemeinhin dem andern Geschlecht zugeordnet wird, auch Teil-Crossdressing fällt darunter. Das (und darunter gerade das letztere) gilt offenbar als Oberbegriff auch für eine ganze Reihe von Männern hier im Forum.

Wenn Du diese Aussage wirklich ernst meinst, heißt das, dass alle männlichen Rockträger "Crossdresser"  sind.

Wieso nur alle männlichen Rockträger? Nenne mir bitte ein einziges Kleidungsstück, dass nicht zwischenzeitlich in der Damenmode etabliert ist? Mir fällt keines ein, sogar der Slip mit Eingriff hat den Weg dorthin gefunden. Ergo sind alle Männer Crossdresser ... und wenn überhaupt, dann Rockträger am wenigsten, denn die meisten Frauen tragen schließlich Hose.

Gruß
Jürgen
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Offline franco

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Re: Japan Rock
« Antwort #11 am: 17.11.2009 11:13 »
Cephalus:

Deinen Beitrag finde ich wirklich ausgezeichnet!

Einzig dieser Satz bedarf für mich einer Nachfrage:

Zitat
Wenn man dann jammert, dass Frauen alles tragen können, ohne sich erklären zu müssen, ist das auf den Punkt gebracht: Eine Frau macht ein modischen Spiel oder Experiment – der Mann beschwert sich nicht gleich behandelt zu werden, vergleicht seine Situation und Rolle, nach innen und nach außen und schon sind wir wieder weg vom rein modischen Aspekt.

Die (wenigen) Männer, die es verstehen wirklich nur mit Mode zu spielen, haben meist auch keinerlei Probleme mit ihrer Umgebung.
Der Rest muss wohl einfach akzeptieren, dass er ein Leben außerhalb der „normalen „ Gesellschaft führt, oder er muss sich anpassen.

Dazu habe ich folgende Frage: Wie weit "darf" der Mann denn "spielen", ohne "Probleme" zu bekommen? Darf er wirklich einen Rock tragen? Oder darf er bloß zu einer Krawatte greifen, die nach dem Edikt der Herrenmodeindustrie vor 20 Jahren hipp war?

Jürgen64:
Zitat
Ergo sind alle Männer Crossdresser ... und wenn überhaupt, dann Rockträger am wenigsten, denn die meisten Frauen tragen schließlich Hose.

Das ist eine ziemlich innovative Definition des Begriffes Crossdresser.

Wenn Du damit in einer Diskussion um den Rock am Mann bestehst, finde ich sie ziemlich cool.

Allerdings frage ich mich, ob und das bei unserem gemeinsamem Ziel weiter bringt: Der Akzeptanz des Rockes beim Mann.

Mein Eindruck bei dieser ganzen Diskussion ist, dass es zwei Lager zu geben scheint:

Die "Aggressiven" und die "Defensiven".

Du gehörst wahrscheinlich zu den "Aggressiven", denn Du bist bereit, Dir jedes nach herrschender gesellschaftlicher Meinung dem weiblichen Geschlecht vorbehaltene Detail des Outfits auch für Dich zu reklamieren. Damit bist Du hier nicht alleine. Dir ist es auch egal, als was Du verstanden wirst.

Neben Deiner Gruppe haben wir hier noch die "Defensiven", zu denen gehöre ich ohne Frage. Das sind alle die, die einfach einen Rock anziehen und vielleicht noch eine Strumpfhose aber ansonsten Wert auf ein nach herrschender gesellschaftlicher Meinung eher "männliches" Outfit legen. Kern dieser Taktik ist es, weiterhin als Mann verstanden zu werden. Zu dieser Gruppe gehören mindestens indirekt auch die Kilt-Träger, wenngleich ihre Motivation zum "Einröhrig"-Tragen (vielleicht) eine gänzlich andere ist.

Ich bin kein Soziologe oder Psychologe, aber das ist so mein Eindruck.
"Ja, ich kann! - sogar im Rock!"

Sweety

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Re: Japan Rock
« Antwort #12 am: 17.11.2009 13:24 »
Hi Jürgen64,
es gibt ein Kleidungsstück ;D
 ;D Das Suspensorium! ;D
Das wäre an einer Frau so sinnvoll, wie ein BH an einem "Normal"gebauten Mann!
(Ausser, dieses Wahnwitzige Beispiel aus Japan!!!!!!)

Und so nebenbei, ich bin natürlich Crossdresser! Ich trage auch Jeans aus der Damenwelt, weil die besser sitzen, als die aus dem Herrendorf.
Gruß
Jürgen

Offline MasinAD

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Re: Japan Rock
« Antwort #13 am: 17.11.2009 13:40 »
Hallo Cephalus!

Schöner Beitrag.

Ein Teil der Rocker will schlicht die Faktenlage nicht akzeptieren, ein anderer Teil redet sie sich schön, und der Rest versucht sie zu ändern, was aber bedeuten würde die Gesellschaft zu verändern. Das wird auch passieren, aber durch keinen von uns und auch nicht durch uns gemeinsam – sie wird sich ändern, weil sie permanenter Wandlung ausgesetzt ist, in welche Richtung und in welchem Zeitrahmen, das steht auf einem anderen Blatt.

Ich erachte es für wichtig auszuleben, dass heute Unkonventionelles als nichts Ehernes verstanden wird. Es gibt Moden, aber eben nichts, was in Stein gemeißelt ist, wie gerade die Modegeschichte eigentlich deutlich macht. Deswegen kann der Hinweis auf die Möglichkeit der Gesellschaft zur Änderung nicht oft genug kommen. Es ist wohl nur größtenteils sicher, dass es anders kommen wird als wir uns vorstellen.

Gerade Frauen konnten ja im vergangenen halben Jahrhundert große modische Freiheit erlangen, dass sie die Beschränkung auf Rock und Kleid als Einschränkung ihrer Freiheit symbolisieren konnten. Wie Männern die gleiche Leistung gelingen kann -- nun, diese Frage harrt noch einer Antwort.

Immer wieder driften Themen in Richtung Rollenverhalten und andere gesellschaftliche Bereiche ab, was meiner Ansicht nach sehr interessant ist, zumal die Diskussionen auf sehr hohen Niveau geführt werden, aber für mich auch ein klares Zeichen setzen:
Viele tragen, vielleicht auch un- oder unterbewusst gerne einen Rock, weil es ein Protest oder auch Identifikationsmangel, mit der derzeitigen Situation ist. Nein, kaum einer hadert mit seiner gesellschaftlichen Rolle, weil er gerne einen Rock tragen würde, sondern viele kommen auf die Idee einen Rock zu tragen, weil ihnen anderes nicht passt – und seien es nur die „genormten Erwartungen“ an die Herrengarderobe.

Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass Kleidung eine Form der Sprache darstellt, mit der sich Aussagen über den Träger und dessen Einstellung zu sich selbst und zum Leben treffen lassen. Man kann keine Kleidung tragen, ohne eine wie auch immer geartete Aussage zu treffen. Wenn Männer also in der Damengarderobe wildern wollen, müssen sie auch die damit einhergehenden Aussagen und Selbst- und Lebenseinstellungen für sich akzeptieren lernen, wie sie auch entsprechendes bei anderen Männern akzeptieren lernen müssen. In der Hinsicht ist es wichtig, 'Weibliches' nicht als an das weibliche Geschlecht gebunden aufzufassen und für sich selbst zuzulassen. Im Umkehrschluss ist heute konventionell 'Männliches' auch nicht per se als etwas rein an das männliche Geschlecht Gebundenes. Kurz: Ich fordere individuelle Selbstakzeptanz und Akzeptanz anderer Individuen, sowie Abstandnahme von irgendwelchen irrationalen Erwartungen.

Möglicherweise ließe sich das Kleidungsstück Rock sogar in die Herrengarderobe integrieren, ohne weitergehende Übernahme von Aussagen wie "gib mir Aufmerksamkeit", "ich empfinde mich als reizvoll" und ähnliches. Ich sehe darin dann nur keine wirkliche Freiheit in der Herrengarderobe, da man dann nur die üblichen Aussagen unter erschwerten Bedingungen treffen will.

Und genau in diesem Kontext entsteht auch wieder das Problem der Ablehnung, der Skepsis und des Verdachts einer irgendwie gearteten sexuellen Motivation: Es steckt meist mehr dahinter als eine reine modische Spielerei – und das transportieren auch die meisten, unbewusst und subtil. Seinen Empfänger erreicht so eine Botschaft aber und die sorgt eben schnell für Besorgnis, Ablehnung oder Skepsis.

Ich sehe Wirkung und Ursache andersrum: Männer leiden heutzutage unter dem Generalverdacht, immer nur aus sexueller Motivation heraus zu handeln. Gerade Männer, die das immer tun, sind diejenigen, die als erstes den Vorwurf erheben, ein Rockträger oder auch Crossdresser wolle sich die weibliche Geschlechtlichkeit zueigen machen. Und eben weil wir Träger unkonventioneller Mode das wissen --wir sind ja Männer und kennen unsere Geschlechtsgenossen--, entsteht daraus die Unsicherheit, diesem Vorwurf ausgesetzt zu werden. Deswegen propagiere ich gerne, dass Männer auch aus anderen Gründen, nämlich denselben Gründen wie auch Frauen, zu Kleidung aus der Damengarderobe greifen können. Das muss nur mal in die Köpfe unserer Umfelder. Insofern bin ich tatsächlich ein Missionar und stehe dazu. Es geht mir darum, einen ungewohnten Gedankengang gewohnt zu machen.

Wenn man dann jammert, dass Frauen alles tragen können, ohne sich erklären zu müssen, ist das auf den Punkt gebracht: Eine Frau macht ein modischen Spiel oder Experiment – der Mann beschwert sich nicht gleich behandelt zu werden, vergleicht seine Situation und Rolle, nach innen und nach außen und schon sind wir wieder weg vom rein modischen Aspekt.

Die (wenigen) Männer, die es verstehen wirklich nur mit Mode zu spielen, haben meist auch keinerlei Probleme mit ihrer Umgebung.

Man kann mit Mode spielen, ja, aber das machen zumeist erst die, die ein wenig Ahnung von Mode haben und deren Möglichkeiten erahnen können. Für alle anderen ist Mode Pflichterfüllung oder Pflichtverweigerung (wahlweise). Ich habe mich schon an anderer Stelle hier im Rockmode-Forum damit unbeliebt gemacht, dass ich den Mangel an Ästhetik bei so manchem Mitglied angeführt habe. Es sieht für mich so aus, als würden Modelaien anfangen, das Modespiel zu spielen. Mit teilweise katastrophalen Ergebnissen. Man kann sicher einwenden, dass man das Spiel nicht lernt, wenn man es nicht spielt, ich würde dennoch gerne bei mehr Männern eine modische Grundbildung sehen, bevor sie anfangen, mit Mode zu spielen -- dadurch würden viele Anfängerfehler vermieden werden.

Um den Vergleich mit den Frauen mal anzusprechen: Männer sollten da mal lernen, Kritik zu üben und deren Spiel oder Experiment nicht immer vom sexuellen Standpunkt zu sehen. Enge Hose und tiefer Ausschnitt ergibt nicht gleich ein schönes Bild. Vielleicht ein reizvolles, aber nicht unbedingt ein schönes Bild. Solch Kritik muss dann angemessen artikuliert werden. Auch muss man den Kontext des Outfits berücksichtigen lernen. Alles in allem ist das aber noch leichter als ohne Erfahrung eigene Experimente zu wagen. Männers! Lernt Ästhetik und Kritk! Und Kritik nicht nur zu äußern sondern auch zu akzeptieren. Vieles aus der Damengarderobe dient der Betonung der eigenen körperlichen Ästhetik. Nutzt man als Mann diese Elemente, stechen die Makel umso deutlicher hervor (z.B. schlecht gepflegter Bart, schlampige Frisur, raue und grobe Haut an den Händen sowie ungepflegte Fingernägel).

Ich sehe hier jede Menge Männer, die wohl erst relativ spät in ihrer Lebensgeschichte mit Kleidung zu experimentieren anfingen. Denkt daran, dass Frauen schon als Mädels oftmals ihre Modelektionen machen mussten! Als Mama darauf geachtet hat, dass das Kleid zu den Strümpfen und die zu den Schuhen passten, während Sohnemann in Turnschuh und Sporthose auf dem Fußballplatz rumbolzte. Und vielen Männern geht es heutzutage ähnlich. Einziger Ausgleich (halbwegs) dürfte sein, dass den jungen Mädels von heute in ihren reizvollen Geschmacklosigkeiten keine Grenzen mehr gesetzt werden, wodurch auch deren Sinn für Ästhetik verkümmert. Den Frauen, zu denen diese Mädels werden und wurden, wird seitens der Männer und auch eines großen Teils ihrer Geschlechstgenossinnen eigentlich nur modische Gleichgültigkeit entgegenbracht, oder es wird Meinungsinzucht betrieben.

LG
Masin


 

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