Autor Thema: Essay zum Buch Angezogen  (Gelesen 2405 mal)

androgyn

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Essay zum Buch Angezogen
« am: 23.08.2014 16:48 »
Ich habe mir das Buch durchgelesen und schreibe kurz nieder, worum es in diesem geht.

Ihr Blick fällt von oben auf die Szene. „Manhattan im März. Ich sehe aus dem Fenster auf den Washington Square.“ Morgens um neun sieht die Beobachterin, Studenten auf dem Weg zur Uni, sieht die Doormen in ihren Arbeitsuniformen, die sich „um Straße und Vorgärten kümmern“. Ihr Blick streift Männer im vornehmlich schmal geschnittenem Anzug und entschuldigt zu dieser frühen Stunde das Fehlen der „Jungs im Gangster-Style“. Zu sehen gibt es für die Dame am Fenster, Wichtigeres, ja Sensationelles im Grunde. Eine neue Silhouette ist auszumachen.

Es sind die Beine. Endlos lange Beine. Beine „in Leggings oder engen Hosen“, „in blickdichten Strümpfen“, „in Shorts und sehr kurzen Röcken“. Frauen, das ist die These, tragen seit ungefähr zehn Jahren Beine wie nie zuvor in der Geschichte. Neue Beine. Beine, die weit ausschreiten. Beine mit Sex und Esprit, die eben gerade nicht einer Lolita gehören. Die Mode ist eine Verführerin, eine skandalöse Macht, vor allem aber eine Lust, wenn man sie, und das macht die Autorin, als ein Anderes der Moderne denkt.

Dazu wendet sich sich der französischen Kultur und Geschichte zurück zum „Großen Bruch“. Zur Französischen Revolution als dem Moment, in dem der Körper der Moderne unter heftigen Schmerzen geboren wird und sich die Inszenierung der Männer als der Bürger par excellence den Anzug zu ihrer staatstragenden Form erwählt, womit die bis dahin dem Verhüllen und ständischen Repräsentieren dienende Frauenmode nun zum Sinnbild der Mode wird.

Die Mode gilt mit dem Beginn der Moderne als weiblich, und zeigt in einem furiosen Kapitel, wie noch die Marie Antoinette des Ancien Régime ihr erstes Fashion Victim wurde.
Die Königin düpierte durch ihre Lust an der Mode zugleich den Hof und das Volk und bahnte „als Modekönigin“ auf diese Weise „der Königin Frankreichs den Weg zum Schafott“. „Erst nachdem es keine Königinnen mehr gab – und auch sonst alle Frauen aus Machtpositionen verdrängt waren, die die Männer jetzt republikanisch unter sich verteilten“, „konnte Marie Antoinette als Königin der Mode gefeiert werden.“

Der Machtverlust wäre demnach die Voraussetzung für die legitime Beschäftigung mit Mode. Die Macht hat Wichtigeres zu tun, als ihre Potenz an modische Launen zu verschwenden. Sie verschluckt den einzelnen Männerkörper und bindet ihn an einen bürgerlichen Dresscode. Die Laune, diese im Sinne der Macht überhaupt lächerliche Besorgtheit um Stoffe und Farben, um Faltenwurf und die Nacktheit unter der Seide überlässt die Macht den Frauen, den Dandys, den Schwulen. Kurz, den Unterlegenen und ihren sinnlichen, hinfälligen Körpern.

Knapp gefasst ist es der Kampf „Anzug gegen Kleid“: Vernunft und Nüchternheit gegen Verschwendung und Ostentation, englische Schneiderkunst gegen französische Haute Couture. Perfekter Schnitt gegen frivole Arabeske. Die Geschichte der modernen Mode, diejenige jedenfalls, die vom „kleinen Unterschied“ und nicht vom „feinen Unterschied“ erzählt, deutet die weibliche Mode als Feld, auf dem vor allem eines, nämlich Aufklärung nötig ist; Mantel, Hose und Pullover, sie alle schwören auf das männliche Vorbild, auf das funktionelle, die sportliche Bewegung und den straffen Körper der Tüchtigkeit.
Coco Chanel leistete in diesem Sinne Unschätzbares. Insbesondere schenkt sie der Frau ein Kleid, das die Welt „das kleine Schwarze“ nennt.

Eine Uniform im Grunde, und Alexander McQueen, dem die Autorin ebenso glanzvoll vorkommt wie die österreichische Königin Frankreichs, hasste es.  Er bestand darauf, dass die Geschichte und ihre (verwundeten) Körper in der Mode sichtbar würden.
Der Anzug als Fiasko. Gähnende Langeweile, tödliche Anpassung findet sie zusammen mit Hegel, in den Anzugfalten. Ein Fiasko ist der Autorin diese Passform der bürgerlichen Gesellschaft. Ein Körperkäfig, in dem die Männer  - nach einem Begriff des englischen Psychoanalytikers John Carl Flügel - den „großen Verzicht“ ihrer Sinnlichkeit erleiden. Die Fähigkeit zur Verwandlung, zur Körperlichkeit bleibt der weiblichen Mode. Nur sie allein ist fähig zur Subversion.

Das beste Beispiel sind die neuen Beine der Frau. Ein Clou. Denn sie kommen gerade nicht aus der Moderne, und sie stammen von den Männern ab, aus der Zeit vor dem „Großen Verzicht“. Aus der Zeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert, als „die Männer das schöne Geschlecht waren“.
Die Ironie ist schlagend: Indem Frauen die Beine der Männer zitieren, indem sie sich die Strumpfhosen-Beine der Renaissance-Gemälde in einer „Übersetzungsleistung“ in ihre eigene Mode herüberholen, greifen sie nicht nur nach Schönheit, sondern auch nach Macht. Es sind die Beine einer Siegerin. Einer Herrscherin.

Ist die Mode doch „ein eigenartiger, manchmal als bedrohlich empfundener, manchmal heiß geliebter, meistens belächelter Fremdkörper im Herzen der Moderne“. So machen es auch die Frauen heute. Kein modisches Wesen, wolle im Augenblick ohne boyfriend pants erwischt werden. „Kleiderraub“, für die „Kleiderlust“. Wie immer dient der Kleiderraub der Männerkleidung der erotischen Reizerhöhung von Weiblichkeit.

Am Schluss trifft sie die Königin Omphale und ihren Liebessklaven Herakles beim erotischen Kleidertausch. Der Halbgott, genießt den Luxus weiblicher Mode. Omphale, mit Keule und im Löwenfell - in dem sie gut zurecht zukommen scheint - des Helden, genießt die Macht. Damit hat man gleichzeitig den Beweis einer Domestizierung des männlichen Geschlechts erbracht.
"Sie trägt die Hosen, die sie ihm entwendet hat. Während sie so auf die Straße gehen kann, ist er jetzt der hosenlose zum Hüten des Hauses in den eigentlich ihr zugewiesenen privaten Raum verbannt. Nackt kann er schlecht aus dem Haus gehen. Für ihre Kleider ist er wie Herakles zu gut ausgestattet." (Quelle: Angezogen, Barbara Vinken, Verlag: Klett-Cotta)

Offline M.L.

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Re: Essay zum Buch Angezogen
« Antwort #1 am: 30.08.2014 23:09 »
Ist ja nett gemeint
Aber muss Ich das lesen ???
Ich glaube nicht .?!!!!
Gruß M.L.

Offline Dr.Heizer

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Re: Essay zum Buch Angezogen
« Antwort #2 am: 30.08.2014 23:19 »
Ich lach mich kaputt, "...die Götter beim erotischen Kleidertausch..." Und "..er ist zu gut ausgestattet, um in ihre Kleider zu passen..." Hahahha. Das ist doch mal ein Wort zum Sonntag: "Schatz, ich bin zu gut ausgestattet, um in Deine Kleider zu passen, ich kauf mir Montag eigene!"

Ein schönes Wochenende allen Lesern!
Viele Grüße aus dem Vogtland, Dr.Heizer


 

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