Autor Thema: Verschobene Realität  (Gelesen 15774 mal)

Offline cephalus

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Verschobene Realität
« am: 17.12.2016 15:53 »
Hi,
ich habe, als ich gerade Hajos Tagesoutfit angesehen habe, einen Moment gedacht:
"Uhr, Kette und Nagellack machen das Ganze ziemlich feminin"

Uhps...

Vermutlich würde der Durchschnittsbürger das mit feminin genauso betrachten, aber es zu aller erst an Rock, Strumpfhose und dann an den Schuhen festmachen.

Ein Rock an einem Mann ist für mich schon so normal, dass ich ihn ohne darüber explizit nachzudenken nicht mehr als ungewöhnlich wahrnehme.

Irgendwie birgt diese Sicht in meinen Augen immer etwas die Gefahr, dass man den Bezug zur Realität, zu der Sichtweise, der meisten anderen Menschen verliert und man für viele seltsamer gehalten wird, wie man sich selbst einschätzt.
Und auch, wenn ich nicht gerade Rock oder Kleid trage, und mich mit der Masse der Männer die ich sehe, vergleiche, stelle ich fest, dass für mich viele Dinge völlig normal sind, die "Mann" nie täte oder in Erwägung ziehen würde.
Und trotz alle dem interessiert es offensichtlich niemanden...

Wie ist das bei Euch so?

Cephalus
 

Bruno

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #1 am: 17.12.2016 16:59 »
Hm...
in der Tat... mir gehts ähnlich. Hier im Forum ist alles ganz selbstverständlich, was einem im Alltag so nicht begegnet.  Ehrlich gesagt habe ich bis auf die üblichen Anlässe (z.B. Fastnacht/Karneval), erst ein einziges Mal im Alltag einen Mann im Rock gesehen. Witzigerweise, war das im Sommer 2015 in Heidelberg  ;) und das war auch nicht ich  ;)
Und ich denke, das diese Diskrepanz, macht uns immer wieder zu schaffen/beschäftigt uns... wir sind halt doch ne kleine Minderheit, aber wir arbeiten dran  8)
Herzliche Grüße
Bruno

Offline GregorM

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #2 am: 17.12.2016 17:12 »
Hier im Forum ist alles ganz selbstverständlich, was einem im Alltag so nicht begegnet. 

Genau. Deshalb riskieren wir auch "blind" zu werden. Zur Zeiten Ferdis waren die Beiträgen in den Foren "männlicher" als heute. Wir haben uns geändert, wir sind mutiger als damals. Aber was mit der Gesellschaft?

Gruß
Gregor



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Offline high4all

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #3 am: 17.12.2016 17:27 »
Wir haben uns geändert, wir sind mutiger als damals. Aber was mit der Gesellschaft?

Gruß
Gregor

Sind die Mitglieder des Forums insgesamt (im Durchschnitt) mutiger als vor einigen Jahren oder sind es einzelne Mitglieder, die im Laufe der Jahre mutiger geworden sind?

Die Verschiebung der Sichtweise ist ganz normal. Das passiert im Laufe eines Lebens immer wieder. Nicht nur im Bezug auf Kleidung, wie hier im Speziellen. Manchmal geht es schnell und abrupt, manchmal langsam und allmählich.

In der Gesellschaft dauert es sehr viel länger. Unser Einfluss ist gering, da wir nur ein sehr kleiner Teil der Gesellschaft sind. Aber er ist vorhanden. Die Frage ist nur, wie viel Gewicht er hat. In einer Zeit, in der Individualität einen geringen Stellenwert hat, werden wir wenig erreichen können.

Trotzdem ist das kein Grund aufzugeben.

LG
Hajo
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Offline GregorM

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #4 am: 17.12.2016 18:13 »

Sind die Mitglieder des Forums insgesamt (im Durchschnitt) mutiger als vor einigen Jahren oder sind es einzelne Mitglieder, die im Laufe der Jahre mutiger geworden sind?


Beides, denke ich.

Aber wenn die Männer im Rock sich schneller bewegen als die Gesellschaft, könnte das ja bedeuten, dass wir in einer sonst liberaler gewordenen Gesellschaft doch weniger Akzept finden. Und dass das ein Grund sein könnte, warum der Männerrock sich noch nicht durchschlägt hat.

Gruß
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Offline Mann im Rock

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #5 am: 17.12.2016 18:42 »
Irgendwie birgt diese Sicht in meinen Augen immer etwas die Gefahr, dass man den Bezug zur Realität, zu der Sichtweise, der meisten anderen Menschen verliert und man für viele seltsamer gehalten wird, wie man sich selbst einschätzt.

Sollte man nicht hier mal in einen philosophischen Dialog einsteigen, was denn überhaupt Realität bedeutet? Ich ziehe da Nietzsche vor, der von einem Perspektivismus sprach, wenn die Wirklichkeit wahrgenommen wird. Diese müsse dann interpretiert werden, aber eine Sache kann sich auf vielfältigste Weise interpretieren lassen. Insofern empfinde ich meine Sichtweise nicht als verschoben, sondern einfach und wertneutral als anders. Es gibt eben diejenigen, die Werte annehmen und sich ein bequemes Leben innerhalb der Normen einrichten. Und es gibt die, die Werte setzen und damit Einfluss nehmen auf die "objektive Realität".

Die Welt, die Menschen sind seltsam. Und ich bin nur ein seltsamer Bestandteil davon. Wie kommt es denn dazu, dass der Rock in der Geschichte jeweils eine ganz andere Rolle spielte, dass er lange Zeit über ganz normales Kleidungsstück für den Mann gewesen ist, und heute nicht mehr. Wer nicht die geistige Flexibilität hat, auch heute Dinge zuzulassen, die lange normal waren, wer gegen irgendwas allein mit moralischen Gründen argumentiert - so jemand ist seltsam. So sagte schon Erich Fromm: die Normalen sind die Kranken.

Ich finde in diesen Zusammenhängen bedeutsam, wie tief die Gräben, wie hoch die Mauern, wie breit die Barrieren sein müssen, um mal einen Schritt über die Grenzen des "Normalen" überhaupt zu wagen. Die Gesellschaft hat ihre Schäfchen halt im Griff. Und das trotz Demokratie, Freiheit, Pluralismus.

LG Matthias

Wenn es uns gelingt, uns aus unseren eingebildeten Beschränkungen zu befreien und unser inneres Feuer anzuzapfen, dann sind die Möglichkeiten unbegrenzt. (Dean Karnazes)

Offline GregorM

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #6 am: 17.12.2016 18:54 »
Wie kommt es denn dazu, dass der Rock in der Geschichte jeweils eine ganz andere Rolle spielte, dass er lange Zeit über ganz normales Kleidungsstück für den Mann gewesen ist, und heute nicht mehr.

Wobei zu bedenken ist, dass der Rock, die Männer trugen, nie der war, der gleichzeitig von Frauen getragen wurde.

Von Crossdressing war deshalb niemals die Rede.

Gruß
Gregor
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Gregor

Offline Peter

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #7 am: 17.12.2016 20:03 »
Sollte man nicht hier mal in einen philosophischen Dialog einsteigen, was denn überhaupt Realität bedeutet?

Nein. Bitte nicht.
Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zuruecksehnen werden.

Offline DesigualHarry

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #8 am: 17.12.2016 20:17 »
Hallo!

Ich denke, jeder der sich intensiver einem Hobby widmet erlangt eine "verschobene Realität"....So denke ich mir z.b. auch oft wie seltsam doch hier die Leute werden sobald die Wintersaison im Kommen ist.... Da scheint dann Geld wohl keine Rolle mehr zu spielen...Da  kommen Argumente die für mich wohl genauso "verrückt" sind, wie umgekehrt wenn ich sage ich mag gerne Röcke... ;D

androgyn

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #9 am: 17.12.2016 21:52 »
Ein Rock an einem Mann ist für mich schon so normal, dass ich ihn ohne darüber explizit nachzudenken nicht mehr als ungewöhnlich wahrnehme.
Das geht mir genauso und sogar schon so weit, dass ich Männer in den üblichen Jeanshosen und Anzügen seltsam oder nicht schön anzuschauen finde. Anzüge vergleiche ich mehr mit der Kleider-Alternative, wie der Mann wohl in einem Kleid aussehen würde und habe erstaunlicherweise ein respektlableres Bild vor mir als die Hascherl in ihren zu weiten Sakkos.

Irgendwie birgt diese Sicht in meinen Augen immer etwas die Gefahr, dass man den Bezug zur Realität, zu der Sichtweise, der meisten anderen Menschen verliert und man für viele seltsamer gehalten wird, wie man sich selbst einschätzt.
das meinte ich damit, dass wir unsere Welt selber zusammenbasteln und dann davon ausgehen, dass jeder Mann etwas in der Damenabteilungg findet und es es gut aussehen würde, weil man selber das Glück hat dort etwas passendes zu finden. Da muss man gewaltig aufpassen.

Und auch, wenn ich nicht gerade Rock oder Kleid trage, und mich mit der Masse der Männer die ich sehe, vergleiche, stelle ich fest, dass für mich viele Dinge völlig normal sind, die "Mann" nie täte oder in Erwägung ziehen würde.
Und trotz alle dem interessiert es offensichtlich niemanden...
Den Satz verstehe ich nicht. Ich verstehe nur den Teil, dass du Hosen an Männern völlig normal findest, obwohl für dich auch Männer in Röcken völlig normal sind.

androgyn

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #10 am: 17.12.2016 21:56 »
Wir haben uns geändert, wir sind mutiger als damals. Aber was mit der Gesellschaft?
Die ist auch toleranter als viele vermuten.
https://www.youtube.com/watch?v=bHfj26CXQ7U&index=6&list=PLtRN1Ah9k0pr7G2kS0ia1FHmCfk_9iTit

androgyn

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #11 am: 17.12.2016 22:05 »
Wer nicht die geistige Flexibilität hat, auch heute Dinge zuzulassen, die lange normal waren, wer gegen irgendwas allein mit moralischen Gründen argumentiert - so jemand ist seltsam. So sagte schon Erich Fromm: die Normalen sind die Kranken.
Was ist mit der Knabenliebe? Die war früher auch normal und heute gerechtfertigterweise nicht mehr.

Die Gesellschaft hat ihre Schäfchen halt im Griff. Und das trotz Demokratie, Freiheit, Pluralismus.
Demokratie ist eine Mehrheitsgesellschaft, also eine Gesellschaft, die von der Mehrheit geformt wird. Was hat das explizit mit Freiheit und Pluralismus zu tun?

Offline high4all

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #12 am: 17.12.2016 22:07 »
Das geht mir genauso und sogar schon so weit, dass ich Männer in den üblichen Jeanshosen und Anzügen seltsam oder nicht schön anzuschauen finde. Anzüge vergleiche ich mehr mit der Kleider-Alternative, wie der Mann wohl in einem Kleid aussehen würde und habe erstaunlicherweise ein respektlableres Bild vor mir als die Hascherl in ihren zu weiten Sakkos.
Geht mir auch so. Männer in Anzügen sehen für mich auf den ersten Blick wie Fremdkörper aus.
Herr, ich danke Dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139,14)

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Offline Holger Haehle

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #13 am: 18.12.2016 04:47 »
Ja, unsere Sichtweisen haben sich verschoben. Unsere Rockerfahrungen produzieren Sichtweisen und Überzeugungen, die sich zunehmend unterscheiden vom Bevölkerungsdurchschnitt. Vielleicht sind wir dem Zeitgeist voraus, aber grundsätzlich gilt, dass auch wir, ganz neutral betrachtet, mit unseren Ansichten voreingenommen sind. Auch unsere Ansichten bauen auf selektive Wahrnehmungen. Auch wir sehen nur einen Ausschnitt unserer Gesellschaft, aber eben einen anderen.
Das ist ja der Grund, warum etwas mehr Weitsicht und Reflektion auch uns gut täte. Deswegen empfehle ich so sehr den Erfahrungsaustausch mit unserem sozialen Umfeld. Deswegen mache ich Studien. So kann ich meinen voreingenommenen Glauben in vielen Fragen auf den Prüfstand stellen.   

Offline JJSW

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Re: Verschobene Realität
« Antwort #14 am: 18.12.2016 08:25 »
Guten Morgen
Ohne eine etwas verschobene Realität und geändert Sichtweise würde ich wohl heute noch keine Röcke tragen.
Man sollte sich bewusst sein, das das persönliche Umfeld nicht Hurra schreit, wenn man plötzlich im Rock daherkommt.
Dennoch ist es möglich, mit einer eher behutsamen Vorgehensweise.
So hab ich keine Probleme mit Partnerin, Bekannten, Nachbarn und Kollegen im Rock und diese wohl auch nicht mit mir.
Hab jedenfalls noch keine Freundschaften eingebüßt.
Natürlich geht es nicht ohne Kompromisse, je nach Anlaß mal Hose, mal dezenter Rock mit Hemd und manchmal darf auch bunter und gewagter sein.
Gruß
Jürgen
Laßt Euch nicht von Zweifeln plagen
und genießt das Röcketragen


 

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