Ich habe gestern meine alte Kita noch einmal besucht. Mit einigen Kolleg*innen habe ich noch sporadischen Kontakt und war zugegebenermaßen etwas neugierig, wie sich das nach mir entwickelt hat. Zurzeit habe ich noch frei, weil ich erst am ersten März in meiner neuen Einrichtung anfangen werde. Es hat in der Einrichtung geklappt, von der ich vor wenigen Wochen berichtet habe und ich bin mega happy über die Zusage. Die zwei Sabbatmonate taten zudem wirklich gut, um Gedanken sowie Gefühle neu zu ordnen und Zukunftspläne zu schmieden.
Zu meinem Outfit: Ich hatte Lust meine graue Slacks mit dezentem Muster anzuziehen, dazu einen schwarzen Pullover mit surrealistischen Print und Stiefeletten mit 7,5 Zentimeter Blockabsatz. Alles aus der Damenabteilung, aber was man nicht unbedingt optisch erkennt. Meine Fingernägel waren auch nicht lackiert, weil ich aktuell die freie Zeit Zuhause für einen Frühjahrsputz nutze und der Nagellack sowieso absplittern würde.
Ich komme in der Einrichtung an, die Kinder stürmen auf mich los, umarmen mich und sind überglücklich. Es kommen Fragen, warum ich in einem anderen Kindergarten bin, ob ich jetzt "für immer" wieder komme und sie sagten, wie sehr sie mich vermissen. Ein Mädchen sagte zu mir: "Yoshi, du bist so schön." Dann kamen Beschwerden, warum die Nägel nicht lackiert sind und ich keinen Rock trage, aber dafür wurden meine Stiefeletten bewundert. Ich bekam Tipps für meine Nägel und die Kinder wollten, dass ich wieder Regenbogennägel mache. Irgendwie mögen es alle Kinder, wenn man jeden Finger in einer anderen Farbe lackiert. Die Mädels schickten mir Luftküsse, die sie mir mit Unterstützung der Hand zupusteten, ein Mädchen küsste mir die Hand und eines sagte mir, dass sie in mich verliebt ist. Ich erklärte den Kindern, dass ich woanders arbeite, weil ich dort gebraucht werde. Mehrere Kinder äußerten, dass sie den Kindergarten wechseln möchten und lieber in meinem Kindergarten wären. Ein Mädchen sagte: "Ich verspreche dir, dass ich auch immer mache, was du mir sagst." Irgendwie schon sehr niedlich, aber auch traurig für die Kinder, wenn man bedenkt, dass ich nur wegen einigen Eltern nicht mehr dort bin. Ich war natürlich schon etwas gerührt, aber emotional habe ich da eine gute Distanz und war keineswegs sentimental. Einige Eltern haben übrigens im Nachhinein beim Team ihr Bedauern ausgedrückt über meine Kündigung, äußerten ihre Wut und erzählten von den weinenden Kindern Zuhause.
Die Erzieherinnen sagten mir, dass die Kinder sehr häufig von mir erzählen und ich nach wie vor Thema bin. Seitdem ich nicht mehr da bin, ist die Gruppe sehr durcheinander. Mein Kollege hatte nun bereits Gespräche mit der Leitung, weil er kurz vorm Kündigen steht, weil er als nächster Mann im Visier der Eltern steht, nachdem man mich mit Erfolg weggeekelt hat. Diese Vermutung hatte ich schon damals bei ihm geäußert, dass er die nächste Sau ist, die durchs Dorf gejagt wird. Sie sehen in ihm natürlich auch einen potentiellen pädophilen Sexualstraftäter. Ein weiterer Kollege steht in Kontakt mit der Vermittlerin seiner Zeitarbeitsfirma und leitet nun einen Einrichtungswechsel ein, weil er aufgrund meiner Geschichte Angst hat und seine Arbeitgeberin ihm absolut zustimmen musste. Dann wären alle männlichen Fachkräfte weg. Ich habe gesehen wie gestresst das gesamte Team ist und es gibt viele Gespräche, weil einige nun kündigen möchten und vereinzelte sogar schon haben. Eine Kollegin ist aufgrund psychischer Erkrankung seit Wochen sogar krank geschrieben, weil sie verbal attackiert wird von den Eltern und meine Geschichte ihr einen nachhaltigen Schock versetzt hat.
Leitung und Fachberatung sagten bei meinem Abschied, dass sie Notizen gemacht haben und das Thema noch aufarbeiten wollen. Ich sagte damals, dass das für mich zu spät ist und meine Entscheidung irreversibel ist. Man versicherte mir, dass es trotzdem einen Aufarbeitungsprozess geben soll, was ich aber stark bezweifelte. Das Thema wurde laut Kollegen tatsächlich nicht mehr aufgegriffen und es wurde nicht mehr bei den Eltern thematisiert. Es gab eine Teamsitzung, bei der sogar Personen vom Träger anwesend waren, weil es eine große Gesamtunzufriedenheit im Team gibt. Meine Kollegin hat dann von sich aus meine Situation angesprochen und ihre Wut über die fehlende Unterstützung der Leitung und des Trägers geäußert. Sie bezeichnete meinen Fortgang als "unnötig" und "vermeidbar", wenn man sich schützend vor mich gestellt hätte und die betroffenen Eltern ins Büro gerufen hätte, anstatt mich damit alleine zu lassen. Einige Kolleg*innen äußerten harsche Kritik an dem Prozess und es ein Skandal sei, dass ein Mann heutzutage wegen einem Rock und lackierten Fingernägel gezwungen ist aus Selbstschutz zu kündigen. Die Leitung hat sich zu den Vorwürfen gar nicht geäußert, der Träger auch nicht, die Beschwerden wurden einfach im Raum stehen gelassen.
Es gab einen weiteren Shitstorm. Ein Kind meinte, dass ihre Eltern sagten, dass zwei Männer nicht miteinander heiraten dürfen. Die Erzieherin äußerte, dass das in Deutschland erlaubt ist und es wurde von den neuen Büchern vorgelesen, die zum Thema "Diversität" als Weihnachtsgeschenke gekauft wurden. Eine Mutter, die auch mit mir ein Problem hatte, kam wütend in die Kita und hat die FSJlerin zusammengeschrien, dass die Kita Lügen verbreitet und sie nicht erzählen sollen, dass Homosexualität erlaubt wäre. Es ist offensichtlich, dass die Anfeindungen gegen mich Sexismus und Queerfeindlichkeit waren. Die beiden Leitungen haben den lautstarken Ausraster mitbekommen, aber sind natürlich nicht eingeschritten, um eine 20-jährige FSJlerin zu schützen, die mit Kraftausdrücken beschimpft wurde. Sie drücken sich vor der Verantwortung und sind maßlos überfordert. Ich kann mich noch erinnern, wie eine Mutter beispielsweise über die Leitung im Beisein ihrer Kinder sagte: "Die Frau ist psychisch krank. Die braucht mal einen Schwanz, der sie ordentlich durchfickt."
Ich bin natürlich zu einer Uhrzeit in den Kindergarten gegangen als die Bringzeit schon vorüber war und bin vor der Abholzeit gegangen, weil ich manchen Eltern nicht über den Weg laufen wollte. Eine Mutter habe ich dann aber doch gesehen und es war natürlich eine von den Stimmungsmachern. Ich war gerade mit einer Ex-Kollegin beim Verlassen der Einrichtung in Richtung Heimweg, als die besagte Mutter im Flur stand, mich von Weitem sah, so tat, als sähe sie mich nicht und schnell mit ihrer Tochter im Gruppenraum verschwand, in dem sie sonst nie rein ging, als ich noch dort gearbeitet hatte. Na ja, ich wollte eh nicht mit ihr reden und wäre sowieso einfach vorbei gegangen. Ein "Hallo!" hätte ich aus Höflichkeit gesagt, aber kein Gespräch begonnen.
Wie man sieht, werden solche Themen leider unter den Teppich gekehrt und es ist ein heuchlerischer Träger, der auf der Startseite seiner Webpräsenz mit großen Buchstaben "Diversität" bewirbt. Ich bin den Kindern zuliebe nochmal hingegangen und zugegebenermaßen auch aus Neugierde, ob die Versprechungen wirklich nur leere Phrasen waren, wie ich es mir schon gedacht habe. In Zukunft werde ich da aber kein Fuß mehr reinsetzen, das war eine einmalige Sache. Mit vereinzelten Kolleg*innen bleibe ich noch weiterhin im Kontakt und habe bei den Kündigungswilligen Werbung für meine neue Einrichtung gemacht, weil das tolle Fachkräfte sind, die ich jeder Kita weiterempfehlen würde. Ich musste mehrmals während meines Besuches denken und vor dem Team auch laut aussprechen:
"Ich bin froh, dass ich hier weg bin!"