Meine erste Homepage, eine der kostenlosen, wie es damals üblich war, für Men in Skirts/Männer in Röcken, habe ich Ende 2000 erstellt. Sie ist längst von anderen ersetzt worden, aber ich habe sie noch in den Archiven. Sie beschrieb auch mein erstes Mal im Rock.
Ich hatte mir zwar schon einen Kilt gekauft, aber ihn getragen, außerhalb der eigenen vier Wände, hatte ich kaum, und wenn, dann fern, fern von zuhause.
Aber hier die lange Beschreibung meines Weges zum Rock:
Überlegungen
Anfang der achtziger Jahre habe ich auf der Straße einen Mann in einem schwarzen kurzen Rock gesehen. Der Rock war das Einzige, was unmittelbar an ihm merkwürdig, „unnormal“ oder „weiblich“ vorkommen könnte.
Einige Leute haben sich herumgedreht und ihm nachgestarrt. Einige hatten Kommentare zu seinem "Outfit". Die meisten aber bemerkten ihn kaum. Es war Sommer, heiß, und die, die nicht sehr aufmerksam waren, haben vermutlich seinen Rock mit Shorts verwechselt. Sonst hätten die sich zweifellos auch umgedreht und sich wundern lassen. Eine halbe Minute später war er im Gewühl verschwunden.
Ich wunderte mich auch. Ich war allein unterwegs, aber wenn zum Beispiel meine Frau da gewesen wäre, hätte ich ihr sicher gesagt: "Sehe doch den Mann da. Er hat einen Rock an!". Und meine Frau hätte sich ebenfalls gewundert, bin ich mir sicher.
Ich muss aber zugestehen: Ich war auf ihn um seinen Mut ein bisschen neidisch. Dieser Mann hatte etwas gewagt, das ich mir eigentlich "immer" selbst gewünscht hatte. „Nie“ hatte ich so richtig verstanden, warum sich nur Frauen so bequem und luftig kleiden konnten.
Für mich aber wäre ein Rock total unmöglich. So konnte man als Mann nicht herumlaufen. Damals nicht. Allerdings nicht öffentlich.
Wäre meine Frau mit dabei gewesen, damals, hätte ich gehofft, dass sie gesagt hätte: "Sieht aber recht gut aus. Du könntest doch auch so einen Rock tragen".
Ich weiß auch: Sie hätte das nicht gesagt. Denn das würde gegen alle Normen streiten.
In den letzten Jahren habe ich zwar nicht oft, aber trotzdem ab und zu Männer im Rock oder Kilt gesehen. Auch kommt es manchmal vor, dass Röcke mit Männer-Mode verbunden werden. Es gibt Foren, die sich intensiv mit Männern im Rock beschäftigen, und in Rock/Pop-Bands treten Männer im Rock oder Kilt auf.
Die Gesellschaft ist - trotz allem - toleranter geworden. So habe ich mir es jedenfalls vorgestellt.
Das hat mich auf den Gedanken gebracht, vielleicht würde auch ich mir einen Rock zulegen.
ICH
Zur Geschichte gehört, dass ich mich für einen ganz normalen MANN halte: 100% heterosexuell und seit Jahren mit einer wunderbaren Frau verheiratet. Gegen Hosen habe ich weder bei Frau noch bei Mann viel einzuwenden, nur möchte ich nicht immer NUR Hosen tragen.
Der Tag
Eines Tages mitten im Sommerurlaub (August 2000) und unter südlicher Sonne habe ich mich endgültig entschlossen: "Wenn ich heute einen nicht (zu) femininen Rock in meiner Größe finde, kaufe ich ihn".
[Zu verdanken waren Mitglieder des Parsimony-Forums, wie Ferdi, Schorsch, Michael (MAS) und Wolfgang (Skirtedman), die mir als Vorbilder dienten.]
Eine Stunde später hielt ich vor einem Einkaufszentrum, wo es möglich sein sollte, einen Rock zu finden. Es gab dort ein H&M. Bei H&M gibt es den Vorteil, dass sie nicht nur Frauensachen verkaufen. Dann fühlt man sich als Mann nicht so fremd.
Ich habe bei Männerhosen, Shorts und Hemden angefangen zu suchen - während ich mir den Mut dazu sammelte, mich hinüber in den Damenbereich zu bewegen. Bei den Männern waren übrigens Frauen auf der Suche, und wer findet das irgendwie merkwürdig?
Als ich endlich so weit war, fand ich innerhalb von einer Viertelstunde drei kurze Röcke, die mir gefielen: Zwei waren Wickelröcke. Der eine war schwarz, der andere grau. Sonst sahen sie identisch aus und kamen mir nicht zu weiblich vor.
Der dritte war ein „normaler“ Rock in Jeanshosenstoff, olivgrün, mit vier großen Taschen, Reißverschluss vorne und mit Schlaufen für einen breiten Gürtel. Sah übrigens völlig aus wie die Shorts, die ich anhatte. Die Taschen und die Farbe waren genau gleich; war auch von ungefähr derselben Länge. – nur es war ein Rock.
Was nun? Erstens die richtige Größe feststellen. Laut Augenmaß sollte es wohl um 44 sein, aber vielleicht würde 42 auch noch gehen. Ich wollte nicht erst in der Ferienwohnung feststellen, ob die Röcke mir passten, obwohl das viel einfacher gewesen wäre. Den grauen Rock in Größe 42, den schwarzen und den Jeansrock beide in 44 unterm Arm ging ich - ein bisschen zögernd - zum Anprobieren - in den Männerbereich.
Eine Verkäuferin stand vor dem Eingang, hat aber (natürlich) keine Fragen gestellt. Eigentlich wäre es ja auch egal, habe ich mich überzeugt. Wenn ich einen Rock anprobieren will, wer oder was soll mich dann davon abhalten können?
Der schwarze war – wie der graue – ziemlich kurz, sah aber im Spiegel ganz gut aus. Ein bisschen mehr als Fingerspitzenlänge. Er passte auch besser als der graue in Größe 42. Der Jeansrock war einige Zentimeter länger als die beiden anderen.
Ich wollte alle drei haben und auf dem Weg zur Kasse fand ich auch den grauen in Größe 44.
Nichts verheimlichen
An der Kasse war eine ziemlich lange Schlange.
Ich sagte mir, es wäre falsch, meine ersten drei Röcke irgendwie verstecken zu wollen. Wagte ich nicht mit Röcken in der Hand zu stehen, wie würde ich es dann je schaffen, in der Öffentlichkeit Röcke tragen? Wenn so, könnte ich es ebenso gut gleich vergessen. Also, nicht die Röcke viermal zusammenlegen, damit es den anderen Kunden nicht zu sehen wäre, was ich in der Hand hatte.
Sollten einige vor mir, neben mir oder hinter mir sich darüber Gedanken machen, wozu ich, ein Mann, Röcke kaufte, dann war es ihre Sache. Die Röcke gefielen mir. Das alles habe ich mir mehrmals gesagt, als es an jenem Samstagvormittag langsam vorwärts ging.
Und dann, als nur noch zwei Kunden vor mir waren, kam mir die Idee: "Du verlässt diesen Laden nur im Rock."
Als ich bezahlt hatte, und es nur noch dem Mädchen an der Kasse fehlte, meine Röcke in eine Tüte zu legen, habe ich sie endlich gebeten, alle Preismarken vom Jeansrock zu entfernen. Meinen Wunsch erfüllt, die beiden anderen Röcke schon in der Tüte und den olivgrünen Rock noch in der Hand, blickte sie mich für eine Sekunde an und reichte mir ihn dann mit einem verständnisvollen Lächeln.
Endlich eine Realität
Mit der weißen H&M Tüte in der linken Hand und dem Jeansrock in der rechten ging es wieder in die Anprobe.
Warten, bis eine Kabine frei wurde. Gürtel, Geld und Autoschlüssel auf den Hocker, Shorts ab und in die Tüte. Den olivgrünen Rock an, den Gürtel in die Schlaufen, Geld und Schlüssel in die vorderen Taschen.
Mich selbst im Spiegel betrachtet. Dann wieder Zweifel. Noch konnte ich es ja bereuen. Sollte ich nicht einfach meine Shorts wieder anziehen und das Rocktragen in eine undefinierte Zukunft verschieben?
Nach zwei oder drei Minuten mit Für und Wider, meistens Wider, stellte ich fest, dass ich die Zeit wohl verpasst hatte. Draußen im kleinen Flur warteten viele, die auch was anprobieren wollten. Ich musste jetzt einem anderen die Kabine überlassen.
Ich wusste, dass in dem Augenblick wo ich die Tür zum Flur mit den wartenden Kunden aufschob, würde es definitiv Point-of-no-Return sein. Mein Auto schien mir plötzlich weit, weit entfernt zu sein. Dann tiefe Einatmung.
Eins... zwei... drei. Tür auf und hinaus - im olivgrünen MINIROCK!
Das erste Mal draußen
Durch H&M und in das Einkaufszentrum hinaus. Merkwürdiges Gefühl einer totalen Freiheit, gemischt mit der Angst, ausgelacht und verpönt zu werden.
Und die Reaktionen? Es waren keine. Hier ging ich, ein Mann, zum ersten Mal im Minirock, und niemand schien es zu bemerken. Ich verbrachte noch eine halbe Stunde im Einkaufszentrum, kaufte mir einige CDs, einen Film und ein Autozeitschrift im Kiosk.
Soviel ich feststellen konnte - und man ist am Anfang sehr empfindlich und aufmerksam - haben sich keine Frau wie auch kein Mann - jung oder alt - umgedreht oder über mich geredet, geschweige von gelacht.
Mit dem Auto in die Innenstadt. Auf einem Parkplatz mit viel Kommen und Gehen bin ich ausgestiegen. Warten vor dem Parkscheinautomaten. Im kleinen Rock. Zurück zum Auto mit dem Parkschein. Nichts Böses passiert. In den Straßen sehr viele Fußgänger. Mehrere Personen haben mich im Rock mit Sicherheit bemerkt, aber es war nicht zu sehen, ob mein „Outfit“ ihnen positiv, negativ oder einfach gleichgültig vorkäme.
Auf dem Rückweg zur Ferienwohnung war ich in einem Supermarkt etwas Einkaufen, und die ganze Zeit beschäftigte ich mich im Hinterkopf damit, wie meine Frau, die den Vormittag in der Sonne und beim Pool verbracht hatte, wohl reagieren würde.
Sollte ich mich umziehen oder den Rock anbehalten?
Am Abend zuvor hatte ich sie indirekt ein bisschen vorbereitet, indem wir über Unterschiede zwischen den Geschlechtern gesprochen hatten, und ich gesagt hatte, dass es doch eigentlich ungerecht war, dass es für Männer so wenig zu kaufen war.
Den Rock behielt ich an.
Beim Eintreten bemerkte sie nicht, dass ich im Rock war. Erst nachdem wir nach dem Mittagsessen aufräumten, entdeckte sie plötzlich, dass ich einen Rock anhatte. Sie glaubte, ich hatte meine Shorts angehabt.
So weit meine Erfahrungen im Jahr 2000, vor 23 Jahren.
Gruß
Gregor