Autor Thema: Gespräch mit einem Rockinteressierten  (Gelesen 1110 mal)

Akira

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Gespräch mit einem Rockinteressierten
« am: 10.10.2024 21:56 »
Vor kurzem hatte ich eine schöne Begegnung gemacht, als ich zu einem Treffen für Neumitglieder der Grünen gegangen bin. Diese Begegnung möchte ich euch nicht vorenthalten.

Disclaimer: Dieser Beitrag geht nicht auf politische Inhalte dieser Veranstaltung ein, sondern konzentriert sich auf ein Gespräch über Röcke. Ich bitte politische Debatten aus diesem Thread herauszuhalten und bei Bedarf einen eigenen Thread dafür zu eröffnen.

Das Treffen fand im Foyer eines Theaters statt und es gab schätzungsweise hundert anwesende Neumitglieder. Die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen war sehr heterogen. Ich trug einen schwarzen Minifaltenrock, blaue Sneakers und ein blaues Shirt mit einer niedlichen Katze in Regenbogenfarben. Das war der letzte warme Sommertag, an dem ich so luftig gekleidet vor die Tür gehen konnte.

Es wird nicht überraschen, dass ich weder schief angeguckt wurde noch irritierte Blicke zugeworfen bekam. Ich kam mit vielen Menschen ins Gespräch, unter anderem mit einem Mann, den ich auf Mitte Vierzig schätzen würde, und um den es hier gehen soll.

Bereits als ich ankam, entdeckte er mich, während ich mir ein Namensschild anfertigte. Er sagte zu dem anwesenden Landtagsabgeordneten, dass er schon immer mal einen Mann im Rock sehen wollte und er jetzt endlich einen sehen würde. Ich hörte das nur beiläufig, weil ich mich gerade nebenbei mit einer älteren Dame unterhielt.

Später begegnete ich diesem Mann wieder an der Theke, als ich mich an der Kaffeekanne bediente und mir eine Bretzel gönnte. Wir machten ein wenig Smalltalk und irgendwann startete er das Thema “Gender”. Dabei erzählte er mir stolz, dass er beim letzten Fasching von seiner Lebensgefährtin als “Frau” zurecht gemacht wurde. Als er das aussprach, stockte er ein wenig und meinte, dass man es eher als androgyn bezeichnen könnte, denn er wollte sich nicht als Frau verkleiden, sondern einfach nur “schön aussehen” und "mit den Geschlechtern spielen".

Seine Lebensgefährtin hätte sich als Gag ebenfalls androgyn gekleidet, indem sie einen Anzug mit Fliege trug. Er hingegen hätte einen Rock getragen, wäre von ihr geschminkt worden und sie hätte ihm die Fingernägel lackiert. Eine Perücke wollte er nicht anziehen, denn er wollte ja bewusst nicht als “Frau verkleidet” sein. Er habe es sehr genossen und viele Komplimente an dem Abend bekommen. So positiv wäre vorher noch nie ein Kostüm bei seinen Mitmenschen angekommen.

Allerdings sei das zwar für den Rahmen eines Faschingsballs gelungen gewesen, aber für den Alltag hielt er es für ungeeignet. Dafür hatte es dann doch zu sehr den Charakter einer Kostümierung gehabt. Unser Gespräch wurde aber just unterbrochen, als die Veranstaltung mit einer Powerpoint-Präsentation begann.

Wir trafen dann noch ein drittes Mal aufeinander, als wir beide am Tisch der Diskriminierungsbeauftragten saßen. Daraufhin fing er nochmal mit dem Thema an. Er sagte voller Begeisterung, dass er endlich mal jemand im Rock sähe, denn er wollte schon immer mal wissen, wie so was aussieht. Bei mir würde das richtig gut aussehen.

Im Laufe des Gespräches zückte er sein Handy und zeigte mir einen Chatverlauf mit einer KI, die er wenige Tage zuvor nach Röcken gefragt hatte. Durch Zufall fand er nämlich einen knielangen Rock auf der Internetpräsenz von C&A, den er gerne anziehen würde, aber nicht weiß, wie er ihn kombinieren könne, geschweige denn, ob er ihn überhaupt kaufen soll. An die Farbe kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war eine “klassische” Farbe, wie man sie häufig in der Herrenabteilung findet. Es könnte schwarz oder dunkelgrau gewesen sein. Jedenfalls war es ein Rock, der gerne als “Business-Rock” vermarktet wird und etwas eleganter wirkte.

Ich durfte mir den ganzen Verlauf ansehen, bei dem er zuerst die KI bat, dass sie diesen Rock an einem Mann zeigen solle. Auf dem generierten Bild war ein junger, muskulöser Mann zu sehen, der vom Typus her einem Model oder Fitnessinfluencer glich. Der Mann trug einen Blazer in der gleichen Farbe des Rockes, darunter ein dünnes hellfarbiges Sweatshirt und klassische Herrenschuhe dazu. Mein Parteikollege empfand diesen Look zwar ansehnlich, aber für seine etwas beleibtere Körperstatur schien es ihm zu “muskulös” und “sportlich” zu sein.

Daraufhin bat er die KI um ein weiteres Bild und diese spuckte nochmal ein sehr ähnliches Bild heraus. Deswegen präzisierte er seine Eingabe und wies explizit hin: “Zeig mir bitte ein Outfit mit einem Mann, der nicht so muskulös und sportlich ist.” Die KI verweigerte allerdings ein weiteres Bild. Als Begründung gab sie an, dass es gegen die Richtlinien verstoßen würde und sie weder Informationen noch Bilder zu "sexuellen Inhalten" erstellen darf. Das entlockte mir ein herzhaftes Lachen. Ihn hingegen habe diese “Überforderung” der KI ziemlich frustriert. Im Anschluss gab ich ihm noch paar Tipps, welche Röcke und Kombis sich für Einsteiger gut eignen. Wer weiß, vielleicht läuft bald der nächste Rockträger durch Frankfurt.

Nach dem Gong trennten sich unsere Wege und ich besuchte noch die anderen Tische, bei denen verschiedene Anlaufstellen der Partei Informationen kundtaten. Ich konnte mich noch mit vielen der Teilnehmenden angeregt über Politik austauschen. Mein Rock kam dabei nicht mehr zur Sprache.

Liebe Grüße
Akira

Offline JoHa

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #1 am: 10.10.2024 22:41 »
Furchteinflößend, wie KI Stereotypen übernimmt und tradiert, als seien Männer und Frauen primär durch ihre Kleidung zu unterscheiden.
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Offline MAS

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #2 am: 10.10.2024 23:42 »
Abgesehen von der Programmierung der KI finde ich die Geschichte schön! Es zeigt einen Schritt vom Rock als Verkleidung zum Rock als Alltsagskleidung, zumindest potentiell.

LG, Micha
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Offline Skirtedman

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #3 am: 11.10.2024 00:57 »
Ja, sich rein auf die KI zu verlassen, kann schon bedenklich werden. Letztlich sind KIs ja nur die Verschärfung von Algorithmen, die zuvor ja auch schon allgegenwärtig manchmal einschneidende Entscheidungen getroffen haben. Und jetzt befähigt man die von Algorithmen kontrollierten Algorithmen, bzw. die sich selbst erschaffenden Algorithmen, sogar Dialogtexte und visuelle Ausgaben (Bilder, Filme) zu erzeugen. Ich glaube, man weiss inzwischen mehr, was in einem Menschenhirn vorgeht als in einem Maschinenhirn.

Und damit das nicht ausufert, sitzen echte Menschen dran und definieren irgendwelche "sittlichen" Grenzen. Da haben die dann vielleicht die Grenzen noch zu unscharf oder zu restriktiv gesetzt. Vielleicht müssen die grenzensetzenden Menschen noch hinzulernen, was geht und was nicht geht. Vielleicht kontrolliert sogar eine nur zur Kontrolle geschaffene unabhängige zweite KI, was geht und was nicht geht. Also, dass man sich mit der eigentlichen Intelligenz-KI unterhält, aber ehe die was ausspuckt, die sich noch mit einer tumben Wächter-KI unterhält.

Witzigerweise hat gerade vorhin ein anderer User woanders ebenso KI-Bilder von Männern in Rock- oder Kleidoutfits gepostet bzgl. eines speziellen Projekts. Das scheint recht gut funktioniert zu haben, aber vielleicht stand da eine Männergestalt mit weniger stereotyper Figur nicht zur Debatte.

Jedenfalls würde ich dem Herrn von Akiras Begegnung empfehlen, am besten sich dem Thema Rock in natura am eigenen Leib zu stellen. Vermutlich hat das Akira ja wohl auch getan.

Jedenfalls sagt sich das so leicht. Wenn ich dran denke - eigentlich will ich Akiras Story nicht mit meinem Gesülze fluten, dennoch möchte ich das aber hierzu noch anbringen -, wie ich damals meinen ersten Rock gekauft habe. Das war in einem großen Modekaufhaus. Genau 40 Jahre muss das her sein, August 1984. Ich habe schnell an drei Ständern gewühlt - hoffentlich beobachtet mich keiner! - einen Rock (zitronengelb, gröbere Baumwolle, wadenlang, weit) vom Ständer gezogen, in flüchtigen zwei Sekunden kurz vor mich hingehalten und an mir runtergeguckt (noch nicht mal in einen Spiegel), herzklopfend eine Kasse gesucht und bezahlt. Bei der Scheinübergabe habe ich gezittert wie Espenlaub. Und ich habe wahrscheinlich höchst unverständlich versucht zur Kassiererin noch beschwichtigend zu sagen: "Hoffentlich passt der ihr!"

Mit Sicherheit hat die Kassiererin geahnt, dass was anderes "im Busch" war, dass der wohl für mich selbst gedacht war. An vorher Anprobieren war da gar nicht zu denken bei diesem meinem ersten Rockkauf ever. Das flüchtige Anhalten hatte ich wohl noch übers zitternde Herz gekriegt, weil ich mit 7 beim Familieneinkauf mal sowas erlebt hatte. Da fragten - wohl - Großeltern, ob meine Schwester, die dabei war, 7 sei. Nein, älter. Sie wollten nämlich ein Kleid kaufen für ein 7-jähriges Mädchen, das aber nicht dabei war. Meine Mutter sagte, ich sei 7. Dann nahmen jene Großeltern das Kleid am Bügel und hielten mir es an, um die ungefähre Größe zu überprüfen. Ich wusste erst nicht so recht, wie mir geschah. Aber irgendwie fand ich das faszinierend, wie ich selbst so an mir runterguckte damals.

Dieses Erlebnis im Hintersinn - nach all den Jahren! - ermöglichte es mir bei meinem ersten Rockkauf, in ähnlicher Weise die Größe meines ersten Rocks grob zu überprüfen. (Er passte dann hinterher auch tatsächlich.) Ohne diesen kurzen Moment in der Kindheit hätte ich das vermutlich bei den ersten Anläufen auch noch nicht mal geschafft. Wäre vielleicht noch nicht mal auf diese Idee gekommen.

Aber mit sovielen Gewissensbissen, Hemmnissen oder was auch immer, wie ich sie erlebt habe, ist es eigentlich von mir vermessen, dem Mann von Akiras Begegnung zu empfehlen, am besten selbst in einem Geschäft mal zu probieren. Es sagt sich halt so leicht, weil ich es seitdem unendliche Male viele, viele Jahre trainiert habe. Vielleicht hat er ja deutlich mehr Schneid als ich damals!




Ich finde es aber schön, Akira, dass man an Deiner Begegnung sieht, wie man mit seiner eigenen Präsenz bei anderen vielleicht tief schlummernde Ideen aktivieren und triggern kann. In diesem Fall hast Du auf jeden Fall mit Deiner Präsenz als Vorbild fungiert.

Wenn man als Mensch mit sichtbar männlicher Biologie ein gewisses Interesse hat, dass man nicht auf Dauer der einzige Männerkörper bleibt, der mit Rock oder Kleid rumläuft,
dann ist das beste Mittel, zunächst mal alleine so draussen rumzulaufen,
aber nicht nur rumlaufen, sondern auch zu ganz normalen Situationen und bei Begegnungen mit Menschen, um zu zeigen, dass das eben unter Menschen einfach möglich ist.

Auch wenn es ein wenig pathetisch klingt, aber bei Deiner Veranstaltung warst Du "in dieser Sache" sowas wie ein modischer, kultureller Botschafter. Und das ist prima!

Danke, Akira, dass Du uns diese Geschichte mitgeteilt hast. Gerne mehr davon (auch wenn ich vielleicht nicht jedes Mal so lang oder vielleicht auch gar nicht drauf antworten werde),

willkommen bei uns!!!
Wolfgang


Offline JJSW

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #4 am: 11.10.2024 02:53 »
Hallo Akira

Gefällt mir gut, Dein Erfahrungsbericht. Ich selber stehe der Verwendung der KI auch eher etwas skeptisch gegenüber.
Aber ich habe neulich bei C&A einen knielangen Rock anprobiert, auf den die Beschreibung passte. Der war mir aber etwas zu eng in Gr.44 und in 46 gab es den nicht.

Grüßle
Jürgen
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und genießt das Röcketragen

Offline Albis

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #5 am: 11.10.2024 21:48 »
Hallo Yoshi / Akira,

danke für Deinen interessanten Bericht. Wenn Du den Parteikollegen mal wieder sehen solltest, könntest Du ihm ja empfehlen, einfach mal ein paar verschiedene Röcke auszuprobieren. Davon hätte er doch viel mehr als von einer KI. Außerdem gibts hier im Forum ja viele Bilder von unterschiedlichsten Männern in unterschiedlichsten Röcken.

Was mich jedoch irritiert, ist, dass Du schon wieder aus dem Forum abgemeldet bist. Mit diesem "Rinn in de Kartoffeln, raus aus de Kartoffeln" komme ich nicht klar. Man kann hier auch angemeldet bleiben, wenn man wochen- oder monatelang nicht schreiben will, z.B. wenn irgendwelche Diskussionen zu doof sind. Wie geschrieben, würde ich mich freuen, wenn Du uns im Forum dauerhaft erhalten bliebest.

LG, Albis

Offline JoHa

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Antw:Gespräch mit einem Rockinteressierten
« Antwort #6 am: 12.10.2024 00:10 »
Albis, das sehe ich, Akira und wen sonst auch immer betreffend, genau so.
Welche Kämpfe mögen sich in seiner Psyche abspielen?
Nicht Johannes. Joachim!


 

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