Und doch kann ein Kilt gefährlich sein.
Mittwoch letzter Woche, also vor genau sieben Tagen ging ich in einer fast 60.000 Einwohnerstadt herum – was bei uns groß heißt. Das Wetter war schön und um 12 Grad warm, was normalerweise nicht so ganz normal ist. Ich war in unterschiedlichen Geschäften gewesen, hatte im Stadtkern einige Fotos gemacht und wurde nun zurück zum Auto gehen, um erstmals in ein EKZ außerhalb der Stadt zu besuchen, ehe ich meine Frau abholen würde, die beruflich an einer Besprechung teilnahm.
An hatte ich meinen guten grün/blaukarierten Kilt aus Schnurwolle in 16 Oz. BlackWatch Tartan, dunkelblaue Kiltstrümpfe und meine geliebte, ebenfalls dunkelblaue Ralph Lauren Windjacke. Dann merkte ich plötzlich, dass mein linker Fuß an etwas hängen blieb, und bevor ich mich wehren konnte, lag ich mit dem Gesicht auf dem Bürgersteig.
In den nächsten Minuten lernte ich von totaler Gleichgültigkeit meiner Mitmenschen, wie aber auch von einer unglaublichen Hilfsbereitschaft einer wenigen.
Das Blut strömte von meiner Nase, und als ich es mit der Hand abzuwischen versuchte, wurde sie sofort rot vom Blut. Noch dort liegend sah ich mehrere Personen an mir vorbeigehen, auch das sie mich anblickten, um dann sofort zu agieren, als hätten sie mich nicht bemerkt.
Dann kam ich endlich auf die Beine, aber noch strömte das Blut, und auf dem Bürgersteig zeigten sich immer mehr rote Flecken. Nach einigen Minuten, die ich an einer Hausmauer lehnend und vorgebeugt verbracht hatte, um möglicherweise den Kilt zu retten, und wo noch kein einziger Mensch mir irgendwie geholfen hatte, versuchte ich weiterzugehen, damit ich zum Auto kommen könnte. Meine Brille war kaputt, und auch mein rechtes Knie hatte eine tiefe Wunde.
Dann fünfzig Meter davon, an einen kleinen Platz gelangt, kam eine Frau mit einem Fahrrad auf mich zu. Sie fand eine Serviette und fing an, mir das Blut vom Kopf abzuwischen. Als sie nicht länger reichte, eilte sie in ein Restaurant, und bald kamen sie und eine junge Frau, die im Restaurant arbeitete, mit vielen Servietten zurück und eine Flasche Mineralwasser, und beide halfen dazu mir das Blut abzuwischen. Auch ein Mann kam dazu, er hätte ganz in der Nähe sein Büro, sagte er, und ich könnte mitkommen und dort mein Gesicht, meine Hände und meine Knie abwaschen. Als die Frauen meinten, ich müsse lieber ins Krankenhaus, schlug er vor, er könne sein Auto holen und mich dort hinfahren. Diesen drei Personen bin ich so dankbar.
Im selben Augenblick kam dann ein Rettungswagen. Irgendeiner muss ihn hergerufen haben, und ich wurde in die Unfallstation des Krankenhauses gefahren.
Von den Krankenschwestern und der Ärztin wurde nicht nur professionell, sondern auch sehr freundlich behandelt. Die Kommentar der Ärztin: „Also genau in diesem Fall ist ein Kilt vielleicht nicht die beste Bekleidung – aber das wäre ja Shorts auch nicht“.
Ich wurde zusammengeklebt, sah einfach schrecklich aus. Der Kilt hatte nur eine Blutflecke bekommen, und sie ließ sich entfernen, in der Windjacke gab es ein Lock, mein blaues Hemd war überall mit roten Flecken übersät, und eine Ersatzbrille hatte ich zum Glück im Auto.
Der freundliche Taxifahrer, der mich zum Parkplatz fuhr, und der aus dem Mittleren Osten stammte, fragte zum Kilt und zum „Unglück“.
Mit meiner Frau wiedervereint gingen wir gemeinsam zur Stelle, wo ich gefallen war. Ein Schachtdeckel im Bürgersteig lag 3-4 cm höher als die Fliesen, zeigte es sich.
Meine Frau und ich hatten ein Hotelzimmer für zwei Nächte in Hamburg reserviert – und zweieinhalb Stunden später hielten wir vor dem Hotel, ich noch im Kilt und mit fast unerkennbarem Gesicht. Aus dem Auto zu steigen zeigte sich schmerzerfüllt, aber wir waren da. Ein Sehr freundlicher Empfang, doch keine Fragen zum Aussehen und ein sehr schönes Hotelzimmer.
Die Tage in Hamburg verbrachte ich in Hosen; zum Kilttragen sah ich einfach zu schlecht aus.
Die Krankenschwester, die mich behandelte, hat mir versprochen, ich werde so gut wie neu, und ich glaube ihr. Am Gesicht ist fast nichts mehr zu sehen, obwohl eine kleine Narbe an der Nase verbleibend sein könne. Das Knie tut noch weh, wird aber mit jedem Tag besser.
Und der gefährliche Kilt, ja vielleicht nicht IMMER die beste Bekleidung, aber in Relation zur Umwelt wäre doch keine Hose besser gewesen, bin ich überzeugt. Es gibt halt eine Mehrheit, die nie auf die Idee kommen würde, anderen zu helfen, und dann eine ganz kleine Gruppe, die es umso mehr gerne tut. Darunter einem Mann im Kilt.
Gruß
Gregor