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Röcke und mehr... => Rund um den Rock => Thema gestartet von: cephalus am 21.10.2022 15:39

Titel: Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: cephalus am 21.10.2022 15:39
Vorweg, ich schreibe von mir, dem was ich empfinde oder empfinden würde und nicht darüber, was die betreffenden Menschen oder Situationen betrifft, die mich zum Nachdenken gebracht haben.

So richtig in Bewegung gebracht hat mein Gedankenkarussell Hirti, mit seinem Abendkleid. Ich fand es unglaublich cool, so selbstbewusst in einen entsprechenden Laden zu gehen und mit Beratung ein Abendkleid zu erstehen.
Irgendwie würde ich das gerne auch machen, aber ich will genaugenommen kein weiteres Abendkleid, es füllt nur unnötig meinen Schrank, wird aber nie gebraucht. Ähnlich Gedanken hatte ich auch schon vorher mit einem Dirndl. Brauche ich auch nicht, würde ich auch nicht tragen, aber der Nervenkitzel reizt. Die Herausforderung etwas zu tun, was Mann einfach nicht macht, obwohl es ganz legal ist.

Abendkleid oder Dirndl oder überhaupt ein Kleid mit Beratung in einem Landen kaufen, wären derzeit sowas wie ein Bungeesprung – nicht realistisch denkbar für mich, zumindest derzeit.
Nicht realistisch denkbar war vor ein paar Monaten aber auch nicht, dass ich in einem Kleid zum Arzt gehe, das erste Mal dann, wäre mein Blutdruck sicher bedrohlich gewesen, hätte sie ihn gemessen. Vorletzte Woche stand ich einem anderen Arzt in Unterhose und Strumpfhose gegenüber, nachdem ich mein Kleid ausziehen musste, und es hat mich (und ihn) nicht wirklich interessiert.

Denke ich zurück, war schon immer der Wunsch bei mir vorhanden nicht nur immer Hosen immer grau/braun/schwarz/blau zu tragen und die Luftigkeit eines schwingenden Rocks zu spüren, aber dieser Wunsch erklärt nicht die Röcke und Kleider, alle in meinen Augen sehr schön, die ich in den vergangenen Jahren und Monaten angesammelt habe, und langsam, eins nach dem andern, immer wieder mit neuem Nervenkitzel zum Einsatz bringe, oder eben auch (noch) nicht trage, in Rücksicht auf mein Nervenkostüm.

Es gibt einige Röcke und Kleider in meinem Repertoire, die ich mittlerweile mit der gleichen Selbstverständlichkeit trage wie eine Jeans. Ich trage sie gerne, wenn sie in der Situation angebracht, bequem, angenehm oder zweckmäßig sind wie eine Jeans eben auch. Sie lösen in meiner Umgebung auch die gleichen Reaktionen aus wie eine Jeans: Zumindest gefühlt nimmt sie keiner wahr.
Ich denke, darauf könnte ich auch nicht mehr leicht verzichten.
Die „Nervenkitzelsachen“ sind aber irgendwie die Dinge, die mich innerlich antreiben oder beschäftigen. Geht dieses schöne Kleid, oder jener Rock in der Situation, das sind meine irrationalen Überlegungen – irrational, wenn ich mich mit der Meinung meiner Frau abgleiche:

„Ein Kleid ist ein Kleid und ein Mann im Kleid ist ein Mann im Kleid, egal wie der Schnitt oder das Muster aussehen.“

Mit jeder abgearbeiteten Situation schwindet der Nervenkitzel, und, bis jetzt, war das Ergebnis immer: “Es interessiert keinen, was du trägst.“
Wo geht die Reise also hin, wenn jedes Kleidungsstück und jede denkbare neue Situation erarbeitet wurden? Zum Standardjeansrock?

Ein, in meinen Augen auffälligeres Kleid, oder ein Rock in einen neuen Situation verursachen bei mir ein Kribbeln, eine leichte Nervosität und Unsicherheit und danach ein leichtes Hochgefühl, wie wenn man mit einem Gummiseil am Bein in die Tiefe springt.

Ein kleines Bisschen bleibt davon immer zurück, auch bei Gewöhnung, wenn es mehr sein soll, dann ist schon ein neues besondere Kleidungsstück, oder eine neue Situation erforderlich.
Im Abendkleid jedoch, das man sich lange, gut überlegt in einem Geschäft gekauft hat, dann in die Oper zu gehen wäre für mich wie ein Bad in Adrenalin.

Und ja, ich verstehe, dass man es machen will und muss, wenn anderes nicht mehr reizt. Und trotzdem kann es sein, dass andere Rocker ganz andere Empfindungen haben und sie anderes antreibt?

Ich stelle mir die Frage, ist dieser Reiz, und natürlich auch die damit verbundene Unsicherheit irgendwann gänzlich vorbei und ich wähle Röcke und Kleider nur noch nach den gleichen Kriterien aus wie ich das bei Hosen und T-Shirts tue: Was gefällt mir gerade und was macht gerade Sinn.

Wie ist das für Euch? Habt ihr auch diesen Nervenkitzel? Belebt oder lähmt er Euch?

Viele Grüße, Cephalus


Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: Skirtedman am 21.10.2022 16:43
Puh, auf den ersten Blick ist das bei mir anders.

Ich habe im Laufe der Zeit mir nach und nach neue Elemente der Kleidung erarbeitet, wo ich geraume Zeit zuvor noch dachte, dass ich diese niemals tragen würde.

Ich könnte fast alles aufzählen, was bei mir irgendwann mal und wie zögerlich seinen Anfang nahm.

Ich könnte bestimmt vielfach hier im Forum von mir Kommentare ausgraben, wo ich diese Elemente als zu weiblich deklariert habe, sie aber mir inzwischen - für damals unvorstellbar - erobert habe. Blümchenmuster ist so ein griffiges Stichwort.

Meist aber habe ich mir diese Dinge nicht erarbeitet. Sondern sie haben sich sehr unterschwellig eingeschlichen.

Das Ausmaß der Stilelemente, das bestimmt zwischen "Das geht an mir" und "Das geht an mir gar nicht" hat sich also immer mehr erweitert. Aber eben schleichend. Meist hat mich ein Kleidungsstück so interessiert, dass ich kompromissmässig darüber hinweggesehen habe, dass es ein Gestaltungselement aufweist, das ich eigentlich kategorisch ablehnte.

Mit wohl dosiertem Einsatz dieser eigentlichen ungeliebten Begleit-Stilelemente hat sich dann aber über die Zeit hinweg meine anfängliche Ablehnung diesem gegenüber abgemildert wenn nicht nahezu aufgelöst.

Und so kam es, dass diese ehemals ungeliebten Ausgestaltungen allmählich in meinen allgemeinen Stil mit einfließen konnte. Mit einigen tu ich mich noch immer schwer, mit anderen ist das schon zur Selbstverständlichkeit übergegangen.

Ganz bezeichnend finde ich an dieser Stelle meine Wahrnehmung, wo ich noch vor wenigen Jahren an mir feststelle, dass mich Kleider in den Schaufenstern beim Vorübergehen nicht in ihren Bann zogen - obwohl ich damals auch schon verstärkt Kleider als Alltagskleidung trug. Inzwischen - seit ich verstärkt gemusterte Kleider an mir toll fand - muss ich sagen, dass es mir schwerfällt, auch nur ein einziges Kleid in meinem Augenwinkel, das in einem Schaufenster ausgestellt ist, nicht mit einem ausgedehnteren Blick zu würdigen. Ist gerade gestern mir wieder bewusst geworden, als ich widerstand. Da zog ich mit einem Kumpel in Eile an einer Boutique vorbei.

Mein Interesse daran überkam mich jedoch wie gesagt praktisch immer schleichend.

Aber so gezielt einen Bungeesprung habe ich noch nie vollzogen - genauer gesagt: kaum.

Manchmal - es kam phasenweise etwas häufiger vor - überkam es mich, wo ich mir sagte: Jetzt probierst / kaufst Du mal etwas ganz besonders weibliches. Etwas, worum ich früher automatisch einen weiten Bogen gemacht hätte. Längst nicht immer ging ich in diesen Fällen mit mehr aus dem Laden als ich zuvor hineingegangen bin. Manchmal schon. Das waren dann durchaus nicht so die schleichenden Grenzerweiterungen, sondern welche, die mit mehr Wumms! daherkamen. Dazu zähle ich noch nicht mal mein berühmtes goldenes Cocktailkleid. Dazu zähle ich aber rosa Sneakers, neonrote Schuhe, die ersten wirklich tragbaren Blumenmuster dürften dazuzählen, sehr viel mehr dann aber auch wiederum nicht. Naja, Lochstichmuster / Cut-Outs zählen noch dazu. Das war´s dann aber auch schon fast.

Aber ja, manchmal kommt es sogar ganz ohne Vorsatz dazu, dass ich mir sage: "Das will ich mir jetzt mal ansehen, wie ich darin aussehe" und dann probiere ich es an. Meistens verwerfe ich das aber auch schnell wieder. Ein Dirndl zählt zu dieser Kategorie.
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: Timper am 21.10.2022 17:09
Bei meinen Kaufentscheidungen fließt oft mit ein wie sehr es feminin aussieht. Also solche Sachen wie Rüschen oder Blumen aber auch sehr knallige Farben gehen irgendwie nicht. Sie üben keinen Reiz und keinen Nervenkitzel aus. Andere schlichtere Dinge dagegen deutlich eher.Deswegen habe ich auch nur Lederröcke.  Es widerspricht sich zwar denn eine Bluse bleibt eine Bluse aber wenn sie schlicht ist sagt der Kopf das wäre fast Unisex. Hängt das Teil dann im Schrank, wird aus Freude Gewohnheit.
Also irgendwie drückt sich beim Kauf das maskuline immer wieder durch. Ein Abendkleid wäre also fast undenkbar. Es sei es gäbe eine einen ganz besonderen Anlass wie zb. den Tuntenball wo das 100% angemessen wäre und man nicht alleine im Rampenlicht steht. 
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: Skirtedman am 21.10.2022 17:29
Also irgendwie drückt sich beim Kauf das maskuline immer wieder durch.

Das war am Anfang bei mir auch so. Meinen ersten selbstgekauften Rock habe ich mir wohl 84 zugelegt.

Also die ersten paar Röcke waren noch eher so ein bisschen Wildwuchs, bis ich dann meinen Stil beim eher 'Maskulinen' gefunden hatte. Also schmale Röcke, überwiegend Jeansröcke. Das hielt dann auch so 2 Jahrzehnte an, von ganz wenigen - für mich damals eher - untragbaren Ausnahmen abgesehen.
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: Rockie am 21.10.2022 19:55
Cephalus ich denke in etwa so wie du. Nur bin ich in meiner Entwicklung schon weiter. Und ich achte auch nicht mehr wie Timper darauf das es möglichst wenig feminin wirkt, sondern es muss etwas sein, das noch nicht in meinem Schrank ist und das zu mir passt. Dirndl schliesse ich kategorisch aus, weil dies nicht zu mir passt. Blümchenkleider aber nicht mehr. Und bei den Farben gibt es auch keine Grenzen.

Für mich ist gerade der Reiz auch das feminine Kleidungsstück tragen zu können ohne das es lächerlich ausschaut. Und bei meiner Figur (ja jetzt sind es 5 Kilo mehr aber die sind nur vorübergehend wegen meiner Operation angewachsen) kann ich auch vieles das tailliert ist tragen. Alles was Brustabnäher hat meide ich weil es nicht gut ausschauen kann.

Adrenalinschübe oder Nervenflattern habe ich leider so gut wie nicht mehr und wenn ich vor hätte in die Oper zu gehen würde ich mir auch wegen einem Abendkleid beraten lassen. Aber ich brauche (derzeit) kein Abendkleid.
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: MAS am 21.10.2022 22:54
Mir geht es nicht um den Nervenkitzel. Der ist von ganz alleine da, ohne dass ich ihn will. Gebe ich ihm nach, bin ich froh wenn er vorbei ist und ich das zuvor begehrte, nun zufrieden geliebte Kleidunsstück ganz entspannt tragen kann und wenn ich damit eher nicht auffalle, vor allem nicht negativ. Natürlich liebe ich Komplimente, wenn sie der Kleidung gelten, die ich aus meinem eigenen Geschmack gewählt habe, auch wenn sie den männlichen Konventionen widersprechen. Aber ich bin auch zufrieden, wenn niemand etwas dazu sagt. Wenn ich will, dass andere es merken und gutheißen, dann, weil ich will, dass sie es als normal akzeptieren, das ein Mann sowas auch tragen kann.

LG, Micha
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: hirti am 21.10.2022 23:24
Nachdem ich ja dein Gedankenkarussell in Schwung gebracht habe, kann ich gar nicht umhin, auch zu antworten.

Mich hast du jedenfalls recht exakt mit deinen Überlegungen abgebildet.
Das Abendkleid war ganz bestimmt der Bungeesprung vom ganz hohen Turm.

Und davor waren ganz viele andere Bungeesprünge - einer nach dem anderen in meinem Leben mit Frauenkleidern.
Mich Freunden im Rock zu zeigen war sicher auch ein ganz großer Bungeesprung. Die haben das Thema übrigens auch schon angesprochen. Einer meinte mal "das Outfit ist ja fast bieder im Vergleich zum letzten Mal!"

Ich wünschte ich könnte sagen "nee, ich muss mich doch nicht immer steigern", aber ich bin mir da nicht so sicher. Nachdem ich erst in der finstern Nacht => in der fernen Stadt => in der eigenen Stadt => beim Arzt => bei alten Kameraden => bei Freunden => bei meiner Familie => ... Frauensachen mit steigender Exzentrik getragen habe, reizt mich gerade das Thema Arbeit.

Wohin das führt?
Ich weiß es nicht, aber wenn ich ehrlich bin, macht mir dieses Bungeejumping schon verdammt viel Spaß. Vor allem weil ich mittlerweile die Angst abgelegt habe, keine Freude mehr an Frauen zu haben oder mich selber ins Frau-sein-wollen zu verlieren.

Dieser Spaß daran, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen wie ich es in besonderen Outfits erlebe, begleitet mich übrigens auch in anderen Lebensbereichen:
Letzte Woche hatten wir eine große Kundenveranstaltung.
Gebannt habe ich die Anmeldungen zu meinem Vortrag verfolgt und mich mit Schmetterlingen im Bauch gefreut, vor 60, nein, vor 70, nein, am Ende vor 85 Zuschauern sprechen zu dürfen. Das Gefühl da vorn zu stehen und in 85 interessierte Gesichter zu blicken ist dem Abendkleid in der Oper für mich erstaunlich ähnlich.

Bungeeeeee!!!!!
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: MAS am 21.10.2022 23:34
Ich spreche auch gerne vor 80 Leuten. Aber es gibt Redner, die sprechen vor 8000 Leuten.
Und ich spreche auch gerne vor 3 Leuten. Das Gespräch wird dann sicher intensiver.
Aber eigentlich sind mit 30-40 am liebsten. Man schaut nicht immer dieselben 3 an und kann sich doch eher Einzelnen zuwenden als bei 8000.

LG, Micha
Titel: Antw:Bungeejumping im Kleid
Beitrag von: Lars am 22.10.2022 12:58
Ich hab mit beidem große Erfahrung, sowohl mit Bungee (über 100 Sprünge, und auch mal bei enem Veranstalter gearbeitet), als auch mit Kleidern/Röcken (wie bereits bekannt ;-)). Eine tatsächliche Kombination - Bungeesprung im Kleid, um den Titel dieses Themas mal ganz wörtlich zu nehmen - würde ich allerdings niemals machen. Es wäre nicht nur höchst unpraktisch, sondern es passt auch so überhaupt nicht zusammen  ;D
Ausnahme: die berühmte Bungee-Hochzeit. Trauung in 50 Metern Höhe und dann der gemeinsame Sprung ins Glück .... quasi.
Dafür wird das Brautkleid, je nach dessen Volumen, mehr oder weniger mit Tape zusammengerafft und halbwegs in Form gehalten, damit es sich nirgendwo verheddern kann. Ist ein ziemlicher Aufwand. Wobei bei allen mir bekannten Bungee-Hochzeiten jeweils die Frau das Kleid anhatte  ;D
 
Ansonsten ist die "Aufregung" beim Bungee eine andere als bei einem öffentlichen Auftritt im Kleid bzw. Rock.
Vergleichbar ist die steigende Selbstsicherheit mit jeder Wiederholung. Und auch die Tatsache, daß es selbst mit großer Erfahrung noch aufregende Ereignisse geben kann. In Form eines neuen, noch schickeren und in dieser Art noch nie getragegen Kleides oder eben eines Bungeesprungs, den man so noch nie gemacht hat und der dann schon Stunt-ähnliche Ausmaße hat. Auch das habe ich beides schon mehrfach erlebt.
 
Vor vielen Menschen zu reden, kann auch sehr aufregend sein. Hatte ich mal zu meiner Schulzeit: zwei Klassen einer Klassenstufe plus Eltern und Geschwister, etwa 150 Leute. Und ich hatte weder etwas schriftliches, von dem ich ablesen konnte, noch sonst irgendeine Vorbereitung. Das war spannend, so völlig frei zu reden und zu merken, daß sich ein richtiger Dialog mit dem Publikum aufbaut.
 
Viele Grüße,
Lars