Verehrtes Volk, nun wieder etwas mehr zum Thema 'Wirksamkeit in der Öffentlichkeit':
Ich glaube mittlerweile, wir leben hier auf Erden, um gemeinsam Freude am Leben zu haben. Betonung liegt auf 'gemeinsam'!
Gemeinsamkeit schließt aber Individualität nicht aus. Und es heißt auch nicht, daß alle die gleiche Meinung haben müssen.
(Naja, der Satz mit der 'Meinung' müsste eigentlich jeder schon längst begriffen haben, der sich ein 'mündiger Bürger' nennt.)
Ja, Zareen, Du sagst es:
'
Gemeinsamkeit schließt aber Individualität nicht aus.'
Allzuoft betonen wir (wir Menschen in unserer Gesellschaft), dass Individualitäten abgrenzen, anstelle verbindende Gemeinsamkeiten zu finden. Allzuoft werten wir Individualitäten ab, um sie als Hemmnisse für die Gemeinsamkeit zu definieren.
In Wirklichkeit sind noch so trennende Gründe doch wieder zumindest in einem fundamentalen Punkte allen gemein, dass es letztlich um die identischen zentralen Bedürfnisse eines jeden geht.
Sind meine Bedürfnisse wertvoller als die anderen? Sind die Bedürfnisse anderer wertloser als die meinigen?
Die Formulierungen 'möchte nicht mit denen in einen Topf geworfen werden' oder 'möchte nicht auf derselben Party sein' sind sicher nicht so ausgedrückt, dass sie allen Bedürfnissen gerecht werden. Ein gewisses Mass an Nettigkeitsfaktor könnten diese Formulierungen bestimmt noch gut vertragen, um nicht auf den Bedürfnissen anderer herumzutreten.
Dennoch drücken auch sie - neben dem schon hier von Euch gesagten - auch das Bedürfnis aus, sich mitzuteilen, wie man eingeschätzt werden möchte, wie man wirken möchte.
Der Versuch zu hinterfragen, warum es so jemandem so wichtig ist, nicht falsch zu wirken oder eingeschätzt zu werden, führte noch nicht zu größeren Erhellungen (sprich konkreten Antworten), wobei man natürlich unterstellen kann, dass da eine Abwertung von Andersartigkeit mit zugrundeliegen könnte.
Ich fühle mich da ein wenig ertappt, nicht zuletzt, weil es mir auch immer mal wieder wichtig ist, mich von möglichen Interpretationen meines Seins abzugrenzen. Zum Glück ist es mir längst nicht immer wichtig, mich abzugrenzen, so dass ich am besten mit einem Schild auf der Stirn rumlaufen sollte: 'hetero, voll männlich'. Wobei auch diese einfache Formulierung abwertend interpretiert werden könnte.
Zum Glück ist es mir auch sehr oft schlicht egal, was genau die Leute nun wirklich von mir denken, für was sie mich halten. Es ist sogar so, dass auch in meinem Freundeskreis liebgewonnene, liebe Menschen gibt, die zu den hier im Thread vorgenannten Gruppen zuzurechnen sind. An Wertschätzung mangelt es mir möglicherweise nicht. Es gibt ja so viele schöne Gemeinsamkeiten, die man trotz existenzieller Individualitäten, gemeinsam entdecken, leben und lieben kann.
Trotzdem fühle ich mich irgendwie ertappt, bei der Frage, warum es manchmal mir wichtig ist, mich
gegenüber in manchen Dingen abweichenden 'Gruppen' abzugrenzen. Abgrenzen nicht im Sinne von 'diejenigen ausgrenzen', sondern mich klar abweichend davon zu definieren.
Bei diesem Ertapptsein fällt mir eine ganz konkrete Situation ein, die ich auch nicht ohne ein paar einleitende Sätze hier darlegen möchte. (Trotzdem mit dem Versuch, mich möglichst kurz zu fassen)
2018 hatten wir zwei Rock-Treffen in Mainz. Hat sich so ergeben, waren nur eine Woche auseinander, sollte mal eines werden.
Vor allem die Eigendynamik im Forum der Men on High Heels (MoHH), wo es personelle Überschneidungen zu unserem Forum gibt, hatte eben zu diesen zwei unterschiedlichen Terminen geführt. So dass das erste Treffen mehr unter dem Zeichen MoHH stand, das zweite mehr unter 'Mann am Rock'.
Ich kann mit High Heels nun wirklich so gar nichts anfangen. Als einer der Haupt-Aktivisten zu diesen beiden Treffen, war es klar, dass ich bei beiden Treffen dabei sein sollte/müsste/werde. Ich glaube, ich habe es hier irgendwo in diesem Forum beschrieben (oder als Gast bei den MoHH´s), dass mir das Auftreten in meiner Stadt mit hochbeschuhten Männern im Vorfeld irgendwo recht '
peinlich' war. Ich habe jahrzehntelang meiner Verwandtschaft, meinen Freundinnen, Kollegen und Bekannten erzählt, dass ich keine hohen Absätze tragen will und werde - und bin mit meiner Abschätzung von damals noch immer konform - und löste mit dieser Bekenntnis durchaus bei manchen erleichtertes Aufatmen aus.
Ja, ich wollte nicht mit Absatzträgern 'in einen Topf geworfen werden' und mit den Bildern, die Unwissende automatisch so in den Kopf bekommen können - welche auch immer.
Und nun laufe ich mit einer Gruppe Männern auf hohen Hacken durch meine Stadt! Was wird zum Beispiel meine Ex-Freundin meiner Ex-Schwiegermutter-in-spe erzählen, falls sie mir begegnet. Was wird diese Ex-Schwiegermutter-in-spe sagen? 'Ich hab´s schon immer gewusst!'? 'Gut, dass Du ihn los bist!'? - Nur mal als Beispiel. Ja, mit Sicherheit, es ist vor allen Dingen das unqualifizierte Gerede der Leute, die einem solche Peinlichkeiten ins Hirn treiben.
Über das/die Treffen in Mainz von 2018 hatte ich ja berichtet (
'High-Heels'-Treffen,
'Rock'-Treffen) - nicht so explizit über diese
von mir empfundene Peinlichkeit und der Hürde, die ich mit viel Mut nehmen musste, doch mit High-Heels-Männern durch meine Stadt zu laufen.
Aber ich möchte trotzdem auch weiterhin nicht mit High-Heels-Trägern 'in einen Topf geworfen' werden. Trotzdem ist es mir nicht immer wichtig, das explizit zu betonen, auch wenn es mir manchmal eben wichtig ist, genau das herauszustellen.
Als ich vor etlichen Jahren in meiner Stadt einen bekanntermaßen sehr aufreizend gekleideten und hochabsätzigen Bekannten traf, bin ich bewusst auch durch schöne Gassen mit ihm gelaufen, aber möglichst unbelebte. Ja, da war die Furcht, 'in einen Topf geworfen zu werden', auch da.
Oder neulich traf ich mich mit einem erkennbaren Crossdresser. Auch in meiner Stadt. Ich hatte nichts besseres zu tun, um anschließend einer guten Bekannten zu erklären, dass Crossdressen (also kleiden und sich geben als scheinbare Frau, auch wenn die männlichen Züge da eigentlich im Wege stehen) ja so garnichts ist, was mich für mich reizt. Auch da wollte ich nicht 'in einen Topf geworfen werden', hab aber allen Mut genommen, das Risiko zu tragen, dass es einige Passanten tun werden, wer weiss, vielleicht auch Verwandtschaft von mir. Ja, das sind die Peinlichkeiten, die bestimmt nicht vollständig von verbreiteten Klischees und Vorurteilen abzutrennen sind.
Trotz aller möglicher Einwände: Ich finde es nicht diskriminierend, sich gegenüber
anders zu definierenden Gruppen abzugrenzen, wenn es eben bestimmte definierbare Grenzen gibt - ja, eben auch eventuell klischeebesetzte Bilder, gewiss.
Das heisst aber nicht, dass man mit Abgrenzung auch ausgrenzen will. Das heisst ebenso nicht, dass man nicht bereit sein kann, auch wunderbare Gemeinsamkeiten zu fühlen und zu leben mit den Menschen, von denen man sich in manchen Fällen vehement abgrenzt. Auch mit Musikantenstadl-Liebhabern kann man schöne Erlebnisse haben.