Hallo Micha,
Glaube hat zu tun mit Vertrauen, Nachfolge, Treue. Ein Kind vertraut seinen Eltern, auch ohne wissenschaftliche Expertise.
Nein, tut es nicht. Auch das Vertrauen eines Kindes ist stark davon abhängig, wie sich die Eltern ihm gegenüber verhalten. Fehlerhaftes Verhalten führt sehr schnell zum Vertrauensverlust. Das liefern die Eltern in der Regel - im Gegensatz zu einem wie auch immer gearteten Gott, der sich schlicht überhaupt nicht bemerkbar macht, außer in der Phantasie des Gläubigen, indem er ihm die guten Erfahrungen und die Bösen einem entsprechenden Gegenpol zuschreibt. Mit dieser Methode kann sich der Gläubige jeden Gott beweisen.
Wir müssen gar nicht polemisch diskutieren, um Nachdenken zu erreichen, ja ermöglichen Nachdenken mit Freundlichkeit eher als mit Feindlichkeit.
Gläubige können ihre eigene Position in der Regel nicht kritisch reflektieren, weil sie ihr indoktriniertes Glaubenssystem nicht in Frage stellen können, ohne ihr Weltbild zu gefährden. Reflektionen und Kritik finden erfahrungsgemäß nur innerhalb der Grenzen ihres Glaubenssystems statt.
Ein Mensch, der sich von seinem Glauben getragen und geführt weiß (ja, weiß!, aber nicht wissenschaftlich verstanden, sondern im Sinne von Lebenserfahrung), sieht in seinem Glauben nicht nur ein Denkmodel, mit dem man spielen kann, sondern ein Fundament seinen Lebens.
Und genau das ist das Problem. Denn niemand stellt sein Fundament freiwillig in Frage und vermeintliche oder reale Angriffe auf dieses Fundament führen deshalb immer zu einer kognitiven Dissonanz, die den Betroffenen dazu bringt, auch seltsame Erklärungen für sich zu akzeptieren, solange sie es ihm erlauben, sein Fundament zu erhalten.
Es ist nicht unpersönlich, den Glauben eines anderen in Frage zu stellen, genau so wenig, wie das Vertrauen eines Kindes in seine Eltern in Frage zu stellen. Es geht immer um den Menschen, nicht nur um Denkmodelle.
Wenn ich einen BMW kritisiere, dann kritisiere ich ein Auto. Wenn der überzeugte BMW Fahrer das dann als Kritik an seiner Person auffasst, dann liegt das Problem bei ihm, nicht bei der Kritik am Fahrzeug.