Autor Thema: Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?  (Gelesen 4324 mal)

Offline JoeH

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Ist das tragen des "klassischen Schottenrocks", also dem Kilt - außerhalb des United Kingdom - nicht auch ein gewisse Form der "kulturellen Aneignung"?

Und nicht zuletzt, all die Oktoberfeste - nördlich des Weißwurstäquators - wo zu Krachlederner und dem Dirndl gegriffen wird - nicht auch ein Bruch mit den eigenen Traditionen und Werten und somit die Aneignung bajuwarischerer Traditionen?

Und zu guter letzt auch noch durch Menschen wie uns, die es nicht als "Verkleidung" gebrauchen, sondern ihre Art der Mode und ihrer Individualität sehen.

Wurdet Ihr dafür vielleicht schon mal "angegriffen"? Im Sinne von "das gehört sich aber nicht, dass sie XXX tragen!"?

Wie steht Ihr dazu?

Offline husti

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Hm...
Ist das kulturelle Aneignung oder Erweiterung des Kulturkreises!?

Offline MAS

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Ich war erst einmal in Schottland und habe dort kurze Hosen statt Rock getragen. Einen Kilt besaß ich noch nicht. Ich wollte aber nich, dass ich von Traditionalisten schief angeguckt wurde.

Aber um die "kulturelle Aneignung" wird m.E. zu viel Bohei gemacht. Man muss schon genauer hinschauen und nachfragen, was jemand beabsichtigt, wenn er etwas aus einer anderen Kultur für sich übernimmt.

Was jetzt aber die Kilts angeht, so unterscheiden Schotten sicher, ob man als Nichtschotte einen öffentlichen oder einen privaten Tartan trägt oder auch einen Kilt ohne Tartan. Letztere werden ja auch von schottischen Kiltherstellern weltweit vermarktet.

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Wurdet Ihr dafür vielleicht schon mal "angegriffen"? Im Sinne von "das gehört sich aber nicht, dass sie XXX tragen!"?

Wie steht Ihr dazu?

Bei den ersten beiden Fragen kann ich nicht mitreden, weil Du ja Kilts und bajuwarische Trachtn angsprochn hast. Sowas trage ich nicht.

"Wie ich dazu stehe?", kann ich beantworten in Bezug auf kulturelle Aneignung:

Haben wir das nicht immer und überall? Gibt es nicht zumindest Stilelemente, die über all die Jahrehnte in die Mode mit einfließen?

Norwegerpullis, Ethno-Mode, Ibiza-Style, indische Muster etc. Ist das kulturelle Aneignung?

Das sind Einflüsse, die man von woanders aufschnappt und - in irgendwelchem Zusammenhang (zeitlich, örtlich, anlassbezogen) - für gut befindet und sich dessen bedient.

Klar, wenn ich mich (vielleicht zufällig) so kleide wie ein tibetanischer Mönch, dann wird ein echter tibetanischer Mönch sich getroffen fühlen, weil der Code, den er durch sein Erscheinungsbild transportieren möchte, ich nicht mit derselben Bedeutung verknüpfe. Er kann sich durch mein "Nachäffen" entwürdigt sehen. Oder mich als Eindringling in seine Würde sehen.

Wenn ich das Outfit eines tibetanischen Mönchs bewusst einsetzen würde, um vielleicht meine innere Verbundenheit mit tibetanischen Mönchen auszudrücken, dann wäre das bestimmt eine Art "kultureller Aneignung". Eben ein Spiel mit diesem Code.

Und so ähnlich sehe ich schon, dass einige Kiltträger (einige, längst nicht alle) ihre Verbundenheit mit Schottland ausdrücken wollen - was schon eine Art "Verkleidung" ist. Und Trachtn zu Oktoberfesten quer übers Land, ist noch deutlicher ein Spiel mit diesen Codes. Zeitlich sehr eng anlassbezogen begrenzt. Eigentlich noch stärker eine "Verkleidung".

Kurzum: Es ist schwer zu sagen: Irgendwo zwischen Spiel ( = Verkleidung), Verbundenheit ( = Aneignung) und Bereicherung ( = Aufgreifen, weil´s gefällt). Kommt eben drauf an.

Im Zweifel: Bereicherung statt Aneignung.

Meine Befürchtung ist eher, dass der "westliche" Kleidungsstil zu sehr kulturell angeeignet wird, weil dessen Code die letzten 150 Jahre ausdrückte, das im Leben zu erreichen, wovon andere Weltregionen nur kühn träumen konnten. Und das ist eine Mischung aus aktiver Aneignung durch die Träger und dem Kultur-Imperialismus des "Westens". Aber dieses Blatt wandelt sich so langsam.


Offline hirti

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Angefeindet wurde ich noch nie deswegen. Das liegt vielleicht auch daran dass ich noch nie in Schottland war und einen Kilt auch nicht besitze.
Und Dirndl trage ich jetzt auch nicht so oft. Und wenn, dann denken die Leute  eher an Klamauk als dass sie sich ernsthaft damit beschäftigen dass ich mir etwas aneigne was ich nicht sollte. Davon abgesehen wohne ich ja in einer typischen Dirndl Gegend.

Ich selber finds manchmal ein wenig amüsant wenn eine Touristin Dirndl trägt. Hat aber auch was scharfes wenn eine gut gebaute Latina ihre Kurven in ein hübsches Dirndlmieder quetscht. :-)

Offline JoeH

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Aber um die "kulturelle Aneignung" wird m.E. zu viel Bohei gemacht.
Ja, das denke ich auch! Die Geschichte mit dem Auftrittsverbot wegen der Rastalocken war meines Erachtens über das Ziel hinausgeschossen.

Zitat
Man muss schon genauer hinschauen und nachfragen, was jemand beabsichtigt, wenn er etwas aus einer anderen Kultur für sich übernimmt.
Die meisten werden das aus POSITIVEN Gründen tun/ übernehmen. Kein Neonazi würde sich einen Bastrock anziehen, schwarze Schminke ins Gesicht schmieren, um POC zu diskreditieren.
Selbst wenn man Söder fragen würde, der sich in Berlin sicher öfter mal von den Preußen bevormundet fühlt, würde er keine Initiative voranbringen, die das Tragen von Dirndln (und Lederhosen) außerhalb Bayerns verbieten würde.

Zitat
Ich war erst einmal in Schottland und habe dort kurze Hosen statt Rock getragen. Einen Kilt besaß ich noch nicht. Ich wollte aber nich, dass ich von Traditionalisten schief angeguckt wurde.
Ja, das würde ich auch nicht machen. Zumindest nicht "in vollem Ornat". Da doch eher einen "Utility Kilt", der eben nicht mit den Familienfarben und Mustern spielt.
Ebenso wenig würde ich durch Bayern mit Tracht laufen.




Offline Peter55Muc

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Ich als gebürtiger Münchner besitze natürlich eine schöne Lederhose,
die kostet aber auch einiges.
Was man da alles zur Wiesnzeit in billigster Tracht rumrennen sieht,
Ist schon eine Körperverletzung für die Augen.
Und nein, ich habe kein Dirndl und würde mir auch keins kaufen.

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.... besitze natürlich eine schöne Lederhose,
die kostet aber auch einiges.
Was man da alles zur Wiesnzeit in billigster Tracht rumrennen sieht,
Ist schon eine Körperverletzung für die Augen...

Ja, genau sowas hatte ich vorhin auch im Sinn. Ich wollt' es nur nicht in die Tasten hauen, damit ich nicht noch mehr "ausschweife".

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Selbst wenn man Söder fragen würde, der sich in Berlin sicher öfter mal von den Preußen bevormundet fühlt, würde er keine Initiative voranbringen, die das Tragen von Dirndln (und Lederhosen) außerhalb Bayerns verbieten würde.

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Offline MAS

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Was die Rastalocken angeht, so ist es schon so, dass über die Rastafari ein falsches Bild in vielen Köpfen vorherrscht, nämlich von Leuten, die am Strand rumhängen, Reggae hören, Hasch rauchen und Rum trinken oder so ähnlich. Dass Rastafari eine Religionsgemeinschaft sind, die Haile Selassi als Messias verehren, streng vegaetarisch und antialkoholisch leben und den Hasch im rituellen Rahmen rauchen und ihre Haare verfilzen lassen, weil sie nicht eitel sein wollen, wissen wenige. Und ich kann schon verstehen, wenn Rastafaris sich verhohnepiepelt fühlen, wenn sich Menschen so friesieren wie sie, aber nicht leben wie sie. Das ist dann ähnlich wie mit der Robe des tibetischen Mönches.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob es nicht weniger die Rastafaris oder die tibetischen Mönche sind, die sich dann darüber aufregen, oder Leute, die das an ihrer Stelle übernehmen. Das weiß ich nicht, behaupte also auch nicht, dass es nicht so ist. Man müsste es recherchieren.

Die, die das Auftrittsverbot aussprachen, waren m.W. jedenfalls keine Rastafaris.

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Offline GregorM

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Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #10 am: 02.04.2023 18:52 »
Ist das tragen des "klassischen Schottenrocks", also dem Kilt - außerhalb des United Kingdom - nicht auch ein gewisse Form der "kulturellen Aneignung"?

Wenn man den Kilt mit Schootenmütze und allen drum und dran, dann schon, aber mit nur dem Kilt oder nur dem Kilt und wenig Zubehör kaum. Denke auch an karierte Schulmädchenkilts. Niemand stellt sich vor, dass die Mädchen oder Frauen wegen der Karos  schottisch sein sollten.

Gruß
Gregor
Gruß
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Offline Peter55Muc

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Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #11 am: 02.04.2023 20:30 »
Selbst wenn man Söder fragen würde, der sich in Berlin sicher öfter mal von den Preußen bevormundet fühlt, würde er keine Initiative voranbringen, die das Tragen von Dirndln (und Lederhosen) außerhalb Bayerns verbieten würde.

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Das ist aber nicht von mir, von wem stammt das Zitat ?

Offline Zwurg

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Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #12 am: 02.04.2023 21:21 »
Hm, obwohl ich ein echter Oberbayer bin besitze kein Dirndl und auch keine Lederhose.
Bayern, vor allem meine Vorfahren aus dem bayrischen Wald sind mit Sicherheit Kelten, wie die Schotten und benutzen seit 2 Jahrtausenden Karomuster um sich zu kleiden.
Auch Teile von Österreich haben keltische Wurzeln, und es gibt auch den österreichischen Trachtenhersteller, der Kilts mit Trachtenmode kombiniert, was gut zusammenpasst, finde ich.

Den Begriff "kulturelle Aneignung" finde ich kompletten Quatsch den sich nur irgendwelche weißen Rassisten, gegen über anderen Weißen ausgedacht haben.

Ohne kulturelle Aneignung gäbe es keinen kulturellen Austausch und keine kulturellen Entwicklungen. Beispielsweise hat ein bayrischer Jude, mit einem blauen französischen Stoff, in USA eine Arbeitshose entwickelt, die bis heute weltweit getragen wird. Wer darf also diese Hose tragen?
Wir haben von den Arabern unsere Zahlen, und von den Lateinern die Schrift. Elvis Presley hat von den schwarzen Amerikanern, den Musikstil entlehnt und wurde damit zum Weltstar und hat damit das Zeitalter des Rock und Pop begründet.
Die Hose haben wir angeblich von den Skythen. Unsere Vorfahren trugen eher Kleidähnliche Kittel. Der Kilt war urprünglich nur eine Pferdedecke, die in Falten gewickelt um den Leib getragen wurde. Ein geschneideter Kilt wurde er erst im 17, Jahrhundert.
Die ganze Welt hat den westlichen (europäisch.amerikanisch) Kleidungsstil übernommen. Ebenso, wie den in Deutschland entwickelten Ottomotor. usw usw
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Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #13 am: 03.04.2023 03:38 »
Oh, entschuldige, Peter,

da hatte ich am Handy an der falschen Stelle auf den Zitatknopf gedrückt.

Das Zitat kam von da:

Selbst wenn man Söder ...

Offline BerlinerKerl

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Antw:Sind Kilts und Dirndl nicht auch "kulturelle Aneignung"?
« Antwort #14 am: 03.04.2023 06:35 »
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Ohne kulturelle Aneignung gäbe es keinen kulturellen Austausch und keine kulturellen Entwicklungen. Beispielsweise hat ein bayrischer Jude, mit einem blauen französischen Stoff, in USA eine Arbeitshose entwickelt, die bis heute weltweit getragen wird. Wer darf also diese Hose tragen?
Wir haben von den Arabern unsere Zahlen, und von den Lateinern die Schrift. Elvis Presley hat von den schwarzen Amerikanern, den Musikstil entlehnt und wurde damit zum Weltstar und hat damit das Zeitalter des Rock und Pop begründet.
Die Hose haben wir angeblich von den Skythen. Unsere Vorfahren trugen eher Kleidähnliche Kittel. Der Kilt war urprünglich nur eine Pferdedecke, die in Falten gewickelt um den Leib getragen wurde. Ein geschneideter Kilt wurde er erst im 17, Jahrhundert.
Die ganze Welt hat den westlichen (europäisch.amerikanisch) Kleidungsstil übernommen. Ebenso, wie den in Deutschland entwickelten Ottomotor. usw usw

Besser hätte man das nicht sagen können.

Da sieht man, wieviele Leute wieder einer Ideologie hinterher laufen, ohne nachzudenken.

Das hatten wir mit dem Österreicher, dem Ausländer, schon mal.
Ich emanzipiere mich, wer kommt mit?


 

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