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Andere interessante Themen => Zeitgeschehen => Thema gestartet von: Skirtedman am 01.02.2021 16:40

Titel: Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Skirtedman am 01.02.2021 16:40
Was könnte der Ursprung sein von Religion?

Eigentlich will ich das zur Stunde gar nicht ausdiskutieren. Dennoch möchte ich ausgehend von diesem Beitrag:
MAS @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite." (https://www.rockmode.de/index.php?topic=8274.msg138626#msg138626)
und den inhaltlich vorausgehenden Beiträgen (nun chronologisch sortiert)
Holger Haehle @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite." (https://www.rockmode.de/index.php?topic=8274.msg138605#msg138605)
Skirtedman @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite." (https://www.rockmode.de/index.php?topic=8274.msg138625#msg138625)
nun doch noch ein paar Gedanken loswerden zu dem oben verlinkten Beitrag von MAS.

Denn diese würden den betreffenden Thread jetzt im Diskussionsfluss beeinträchtigen. Drum nutze ich hier ein neu eröffnetes Thema, um meinen Senf noch beizutragen:

Ich zitiere nochmals alle Aspekte von Michas Beitrag, da sie hier alle irgendwie relevant sind:
Lieber Wolfgang,
wann das Ganze angefangen hat ist ja unklar. Die ältesten Fund, die wir mit Religion in Zusammenhang bringt, sind Gräberfunde aus der mittleren Altsteinzeit. Es wird vermutet, dass, wer seine Toten beisetzt, in irgendeiner Form daran glaubt, dass diese noch leben. Vor allem, wenn Grabbeigaben dabei sind, liegt die Vorstellung nahe, dass die Verstorbenen diese noch gebrauchen werden. Und ob da ein Klüngel bestimmte, wo es lang ging und wie es gemacht wird, weiß keiner. Vielleicht, vielleicht nicht.

Sicher: Wenn Menschen religiöse Erfahrungen machen, die andere nicht machen, und die, die keine haben, die die welche haben als Wissende schätzen und sich von ihnen erklären lassen, wie es sich mit dem Transzendenten verhält, entstehen nach und nach die gemeinten Hierarchien. Dann gab es also irgendwann Schamanen, Propheten, Erwachte, Sieger, Lehrer, Priester, Philosophen, Theologen usw. Seltener -innen.

Und heute, über 1/2 Mio Jahre nach den ersten religiösen Äußerungen von Menschen? Wie sieht es heute mit uns aus? Heute, im Gegensatz zu "früher" sehen wir Religion als ein System neben anderen, wie z.B. Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik, Sport, Technik usw. Und es gibt Menschen, die nicht in all diesen Systemen unterwegs sind, sondern z.B. mit Religion gar nicht am Hut haben.

Micha

Wiederholung Zitat:
Zitat
Es wird vermutet, dass, wer seine Toten beisetzt, in irgendeiner Form daran glaubt, dass diese noch leben.

Sehen das alle Wissenschaftler so?
Ich kann mir denken, dass diese Sichtweise sehr geprägt ist von der in christlicher Tradition stehenden Wissenschaft oder von Wissenschaftlern, die in der Denkweise von jenseitigen Heilsvorstellungen anderer Religionen aufgewachsen sind.

Ich kann mir vorstellen, dass der Beginn von Beisetzungen mit einer Intention belegt war, die Verstorbenen nicht fleisch- und aasfressenden Tieren (oder gar Menschen anderer Sippen) preiszugeben.
Ob die Ursache im Mitgefühl, Andenken, in der Ehrfurcht oder der Trauer an, in oder vor den Verstorbenen liegt, Beisetzungen zu starten, wage ich zu bezweifeln.

Ich denke, es wird zunächst die Entdeckung gewesen sein, durch besonnenes, geplantes Handeln auf diese Weise eben wilde Tiere nicht anzulocken und ein bewohntes Gebiet deswegen nicht aufgeben zu müssen, weil eine Leiche Wildtiere anlockt bzw. um die Verstorbenen nicht ausserhalb des eigenen Lebensradiusses hinaustragen zu müssen. Eine Leiche etliche Kilometer weit wegtragen zu müssen, wird wohl beschwerlicher gewesen sein als in relativer Nähe ein Erdloch auszuheben und anschließend wieder zu zu schütten. Oder einen schweren Steinhaufen über einer Leiche zu errichten.

Ich glaube, das Wissen darum, einen Steinhaufen errichten zu können, oder eine Begrabung durchzuführen, wird im Anschluss erst im Zuge der Weitergabe dieses Wissens dazu geführt haben, ein Andenken an die Verstorbenen, eine Ehrung der Verstorbenen und in Folge auch eine Trauer um die Verstorbenen zu entwickeln.
Und in Folge von all diesem wird sich meiner Vorstellung nach erst ein mystisches Verständnis von nach-todigem Heilsversprechen entwickelt und etabliert haben, das ja wohl in jeder Religion zentraler Bestandteil ist.

Ich kann mir vorstellen, dass der Umgang mit Toten aber nicht der primäre Ursprung von Religion gewesen sein wird. Bestimmt wird in dieser Phase schon eine Fähigkeit bestanden haben, sich mittels differenzierterer Sprache zu verständigen. Ich kann mir vorstellen, dass schon ein 'kulturelles' Verständnis von Links und Rechts im Sinne von relativen Ortsangaben vorhanden gewesen ist, und Erscheinungen wie Wasser, Wasserfall, Regen, Himmel, Sonne, Wind, Mensch, Leben und abstraktere Dinge benannt werden konnten.

Die eigene Unversehrtheit, das eigene Leben und Überleben musste gemeinsam gemeistert werden und bald nach Beginn der feineren sprachlichen Kommunikation werden sich Ängste und Ehrfurcht vor lebensbedrohenden Dingen und vor denen, die man damit in Zusammenhang gebracht hat, geäussert haben.

Und genau hier möchte ich die Ursprünge von Religion verorten - sofern sie überhaupt nur dem Menschen zueigen sind.

Heilsversprechen werden sich dann entwickelt haben, Sonnenkulte, Verehrung der Jagdbeute und Ratschläge - Wissensweitergabe - werden sich in konstruierten übersinnlichen Zusammenhängen ausgedrückt haben.

Die spätere Fähigkeit, die Toten - despektierlich gesagt - zu verscharren, wird dann erst weitere Bewusstseinebenen eröffnet haben, wie zum Beispiel das Konzept des endlichen Lebens, der Verlust von personengebundenen Weisheiten und später die erahnten Heilsversprechen von einem Weiterleben nach dem Tode - und allem, was sich nach und nach daraus ableiten ließ.

Der 'Klüngel', der MAS oben erwähnt, den ich in meinem obigen verlinkten Beitrag zum andern Thread einführte, gemeint als religiöse Führerschaft, der wird sich dann nach und nach entwickelt haben. Vermutlich war er - nach meiner gängig geprägten Vorstellung - lange zunächst auf eine einzige spirituelle Führungsperson innerhalb einer Sippe beschränkt gewesen sein. Vielleicht war die spirituelle Führungsperson auch identisch mit dem Anführer der Sippe, wobei bei zunehmender Professionalisierung, wo mehr als nur die Aufgaben "Mann" und "Frau" zu verteilen waren, bestimmt der Anführer sich mehr auf seine Fähigkeiten konzentriert haben wird und die Funktion des geistigen Zusammenhalts in die Hände einer anderen Person gelegt worden sein wird, kann ich mir vorstellen - vielleicht in die Hände des ehemaligen Anführers, sofern er den neuen noch erlebt hat.

So wird die geistige Führung mal mehr, mal weniger eng mit der Entscheidungsgewalt verflochten gewesen sein. Diese spirituelle Führungsperson wird noch ein, zwei Eingeweihte (Diener) an seiner Seite gehabt haben, um sie zur Nachfolge heranzuführen.

Und erst als man anderen Sippen nicht mehr genügend aus dem Weg gehen konnte, werden sich die Erklärungsmuster der geistigen, kultischen Wissenden verschiedener Sippen verschmolzen haben und der Bereich der Wissenden wird sich auf mehr Personen vergrößert haben. Ab da, wo ein Vorstellungsaustausch unter den Sippen stattfand, ab da, stelle ich mir vor, kann man vom Beginn einer institutionellen Religion sprechen.

Und mit dieser Erkenntnis beende ich mal meinen geistigen Erguss.


Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 01.02.2021 19:17
Hey Wolfgang,

hast Du schon mal darüber nachgedacht, einen prähistorischen Roman zu schreiben?

Also, man weiß solche Dinge, wie Du sie gerade gut nachvollziehbar Dir ausgedacht hast, nicht so exakt. Schriftliche Quellen sind allerhöchsten 7000 Jahre alt, also vergleichsweis neu. Man hat nur Materialfunde in Form von Knochen und von Gegenständen. Ich müsste jetzt nachschauen, welche Funde wie alt sind, und innerhalb des Zeitraumes von Mittelaltsteinzeit zur Jungsteinzeit hat sich einiges entwickelt, das aber auch interpretiert werden muss. Und nein, ALLE Wissenschaftler sind nie einer Meinung.

Es gibt jedenfalls Gräberfunde unter Herden. D.h. die Toten waren mitten im Wohnbereich beigesetzt. Sicher waren das Zeitbestattungen der Knochen nach der Verwesung des Fleisches, die wohl wonanders vor sich gegangen ist. Es gibt Schmückungen der Knochen, und es gibt Grabbeigaben. Es gibt auch Deponierungen von Schädeln der Toten im Wohnbereich oder an der Tür oder außerhalb der Grenze des Sippenbereiches.

Letzteres gibt es heute noch bei einem Volk in Ostsibirien. Dort markiert man die Grenze des eigenen Territoriums damit und sagt so zu den Nachbarn: Hier wohnen wir, hier wohnten schon unsere Ahnen, das ist unser Land.

Das zeigt jetzt auch, dass man immer wieder mal von heutigen indigenen Völkern auf die Prähistorie schließt, was nicht unumstritten ist.

Und es gibt noch eine Quelle für die Interpretation: Psychologie. Dass wir uns die Anwesenheit von nicht anwesenden Personen denken können ist ab einem gewissen Alter möglich. Dass wir uns mit dem Tod nicht gerne abfinden, ist auch allgemein menschlich. Beides zuammen genommen ermöglicht die Vorstellung einer Anwesenheit von weiterlebenden Verstorbenen. Ahnenverehrung ist bei vielen indigenen Völkern vorhanden. Das aus den Vorstellungen von lebenden Ahnen die Vostellung von mächtigen Ahnend wurde und aus diesen die Vorstellungen von Göttern ist möglich und erscheint mir sehr plausibel.
Auch Naturphänomene wurden oft vergöttlicht. Dem geht voraus, dass wir Menschen oft unpersönliche Bewegungen personalisieren. Das liegt uns in den Genen, vielleicht, weil es unser Überleben erleichterte, hinter unpersönlichen Bewegungen Absichten anzunehmen, vor allem, wenn es gefährliche Absichten waren, vor denen man sich schützen wollte.

Das mal so auf die Schnelle. Bin heute etwas krocki von langen technischen Onlineklausurvorbereitungen und habe gleich noch einen interrel. Dialog via Telefonkonferenz. Vorher muss ich aber noch spülen. Und vielleicht kann ich noch ein paar Minuten meditieren.

Literaturtipp: https://www.springer.com/de/book/9783642553318 (https://www.springer.com/de/book/9783642553318)

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 01.02.2021 21:02
und innerhalb des Zeitraumes von Mittelaltsteinzeit zur Jungsteinzeit hat sich einiges entwickelt, das aber auch interpretiert werden muss.
Wieso interpretiert? Da schwurbelt doch dann wieder jeder sein Fantasie rein, die er für richtig hält. So funktioniert Wissenschaft nicht. Es gibt ein eindeutiges Ziel mit einer klaren Definition, wofür was verwendet oder gebaut wurde. Das muss erforscht werden.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 01.02.2021 21:44
und innerhalb des Zeitraumes von Mittelaltsteinzeit zur Jungsteinzeit hat sich einiges entwickelt, das aber auch interpretiert werden muss.
Wieso interpretiert? Da schwurbelt doch dann wieder jeder sein Fantasie rein, die er für richtig hält. So funktioniert Wissenschaft nicht. Es gibt ein eindeutiges Ziel mit einer klaren Definition, wofür was verwendet oder gebaut wurde. Das muss erforscht werden.

Das wäre keine Wissenschaft nach heutigen Standards und erkenntnistheoretischem Wissen, Jule, sondern fundamentalistische Wissenschaftsgläubigkeit.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: chris-s am 01.02.2021 22:50
Also ich finde diese Übersicht recht hilfreich.
Ein anderes: Joseph Campbell, Mythologie der Urvölker (heute leider vergriffen, nur noch über ZVAB und teuer) zeigt, dass Rituale schon in der Altsteinzeit existiert haben.  Die Ergebnisse der Archäologie bringen da immer wieder erstaunliches zum Vorschein, wie z.B., dass Neandertaler ihre Kinder auf einem Bett von blauen Blumen bestattet haben.
Religion ist zum einen der Versuch Geschehnisse zu erklären, die zu jenem Zeitpunkt nicht erklärbar waren und diese einer transzendenten Macht zuzuweisen (Bsp. Donnergott)
Andererseits werden die Geschöpfe verehrt, die dabei helfen, zu überleben. Bsp. Rinder Kühe, Stiere -> Taurus
Ein weites Feld.
Evtl. könnte man dazu mal eine Zoom- oder Skypekonferenz machen?
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 01.02.2021 23:41
Das wäre keine Wissenschaft nach heutigen Standards und erkenntnistheoretischem Wissen, Jule, sondern fundamentalistische Wissenschaftsgläubigkeit.

LG, Micha
So nach dem Motto, man will dass jeder ein Stückchen recht hat, oder dass jeder ein Stückchen erster Platz sein soll, oder wie? Darauf läuft dieser erkenntnistheoretischem Schwachsinn hinaus.

Gruß
Jule

Evtl. könnte man dazu mal eine Zoom- oder Skypekonferenz machen?
Bloß nicht.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 02.02.2021 00:08
Jule, wenn Du mitreden willst, bemühe Dich bitte um eine sachliche und freudliche oder zumindest höfliche Sprache!




Lieber Chris,

Rituale gibt es auch schon bei Tieren, allerdings wohl nicht religiös, z.B. Balzrituale. Demzufolge nehme ich an, dass auch bei Menschen Rituale, also rein technisch-zweckrational betrachtet zwecklose Verhaltensweisen, die aber soziale oder psychische Wirkungen haben, vor ihrer religiösen Verwendung existiereten. Neandertalern traue ich aber auch Religion zu, denn sie waren keineswegs dümmer als Homines sapientes. Nur sozial hatten sie ein Manko: Sie kümmerten sich zu wenig um Verletze, während unsere direkten Vorfahren das taten. Ich las, dass dieses soziale Verhalten ein Evolutionsvorteil gewesen sei bzw. ihr Fehlen ein Nachteil für die Neandertaler.

Das Erklären von Naturphänomenen ist sicher ein Grund auch für die Entwicklung religiöser, vor allem kosmologischer Vorstellungen. Aber meines Erachtens ist sind es vor allem Kontingenzerfahrungen, die das bewirkten, vor allem die Erfahrung der eigenen Endlichkeit, Sterblichkeit. Religiöse Vorstellungen helfen, dem zu begegnen, damit Frieden zu schließen, z.B. eben durch Vorstellungen eines Lebens nach dem Tode. Und religiöses Denken stiftet Sinn. Diese beiden Funktionen, Kontingenzbewältigung und Sinnstiftung oder -deutung sind auch heute noch die zentralen Funktionen von Religion, die ihner die Wissenschaft nicht streitig macht.

Und letzteres wäre auch noch mal zu Holger zu sagen, der vor allem die soziale Funktion, Verhaltensregeln, Moral, Ethik zu vermitteln, als Aufgabe der Religion angibt. Aber das ist nur eine Funktion, und meines Erachtens nicht die zentrale.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Skirtedman am 02.02.2021 01:42
Danke für Eure Literaturvorschläge.

Besonders Michas Buchtipp hat mich ohne großes Zögern angesprungen. Vielleicht werde ich mich mal bei gegebener Zeit diesem Werk anvertrauen.


Literaturtipp: https://www.springer.com/de/book/9783642553318 (https://www.springer.com/de/book/9783642553318)

Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 02.02.2021 01:48
Neandertalern traue ich aber auch Religion zu, denn sie waren keineswegs dümmer als Homines sapientes. Nur sozial hatten sie ein Manko: Sie kümmerten sich zu wenig um Verletze, während unsere direkten Vorfahren das taten. Ich las, dass dieses soziale Verhalten ein Evolutionsvorteil gewesen sei bzw. ihr Fehlen ein Nachteil für die Neandertaler.
Wie will man das bitte nachweisen ob die sozialer waren oder nicht? Der Neandertaler hatte einfach nur Pech, es gab zu wenige, wie bedrohte Tierarten, die in zu kleinen Gruppen leben und am Ende aussterben können. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/neandertaler-warum-sie-ausgestorben-sind (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/neandertaler-warum-sie-ausgestorben-sind)
Die Sozischiene wird nur ausgerollt, weil sie gerade perfekt in den Zeitgeist passt. Emotionen statt Vernunft.

Im Vergleich zum Neandertaler hatte der Homo Sapiens aber einen entscheidenden arterhaltenden Vorteil: Er lebte polygam. Der Neandertaler hingegen lebte monogam.
Da sich Arten, bei denen die Partner häufig wechseln, besser verbreiten, hat es der Homo Sapiens wahrscheinlich geschafft, in Europa zu überleben. Überspitzt ausgedrückt, könnte dem Neandertaler seine Treue zum Verhängnis geworden sein.


Gruß
Jule
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Waldi am 02.02.2021 02:03
und innerhalb des Zeitraumes von Mittelaltsteinzeit zur Jungsteinzeit hat sich einiges entwickelt, das aber auch interpretiert werden muss.
Wieso interpretiert? Da schwurbelt doch dann wieder jeder sein Fantasie rein, die er für richtig hält. So funktioniert Wissenschaft nicht. Es gibt ein eindeutiges Ziel mit einer klaren Definition, wofür was verwendet oder gebaut wurde. Das muss erforscht werden.

Mal ehrlich, merkst Du nicht, was da passiert?
Ein Thema wird freundlich formuliert eröffnet, damit man da neutral drüber reden kann.
Und Dein erster Beitrag dazu ist erst mal aggressiv formuliert. Und dann mit angbeblich absoluten Feststellungen al la "so funktioniert Wissenschaft nicht. Es gibt ein eindeutiges Ziel mit einer klaren Definition, wofür was verwendet oder gebaut wurde" was einfach nicht stimmt.

Theologie und Ethik sind nicht meine Themen, da kann ich nur lesen und lernen. Aber in der Elektrotechnik bin ich zu Hause und da weiß ich von vielem, was wie erfunden wurde. Da trifft es oft gefunden viel besser. Schwingungen in elektrischen Schaltkreisen wurden wegen auftretender Störungen entdeckt und dann erforscht. Heute geht ohne die nichts mehr, die hat niemand bewusst gesucht, die traten auf. Induktion als Grundlage der Stromerzeugung hat man per Zufall entdeckt. Niemand hatte das Ziel Induktion zu erfinden. Sehr viele heute technische Errungenschaften und teils auch bahnbrechende Maschinen wurde für ganz andere Sachen probiert, verworfen und rein zufällig dann für heute unersetzliches Genutzt. also genau das Gegenteil dessen, was Du hier harsch formuliert als absolute Wahrheit raus posaunst.

In der Sache also mal wieder daneben, wie hier so oft.

Viel schlimmer finde ich aber das Formale. Zum einen trägst Du rührselige Geschichten vor, in denen Du als das arme Opfer Deiner Neigung von niemand gemocht wirst. Und dann hat es hier im Forum eine ganze Reihe Leute, die wahrlich geduldig und empathisch auf Dich ein gehen. Und wie "dankst" Du das?

Da würde ich mal drüber nachdenken. All die anderen angeblichen gedanklichen Errungenschaften sind nichts als heiße Luft und hier wie so oft einfach mal wieder falsch.

Und ganz nebenbei beschriebt Deine Theorie oben genau den Kreationismus, den Typen wie Trump immer postulieren. Nicht beschweren wenn man immer mit solche Leuten gleich gesetzt wird. Solange man deren falsche und krude Theorien widerkaut ist man eben mit denen in einem Boot.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 02.02.2021 02:12
Und Dein erster Beitrag dazu ist erst mal aggressiv formuliert.
Wenn du meinen Satz aggressiv liest, klingt er aggressiv.
Er ist deswegen nicht aggressiv geschrieben.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Skirtedman am 02.02.2021 02:28
und innerhalb des Zeitraumes von Mittelaltsteinzeit zur Jungsteinzeit hat sich einiges entwickelt, das aber auch interpretiert werden muss.
Wieso interpretiert? Da schwurbelt doch dann wieder jeder sein Fantasie rein, die er für richtig hält. So funktioniert Wissenschaft nicht. ...

Und doch, genau so funktioniert Wissenschaft.

Wissenschaft schafft Wissen auf der Basis des aktuell Beobachtbaren und darauf, was man daraus aus der aktuellen Vorstellungswelt daraus schussfolgern kann. Da steckt jedesmal Interpretation und Vermutung dahinter, auch in den harten Wissenschaften wie Physik. Die basieren zwar überwiegend auf reproduzierbaren Beobachtungen und Experimenten, unterliegen aber in der Auswertung immer wieder den Interpretationen derselben. Neuere Beobachtungen liefern immer wieder neue Hinweise auf neue Interpretionsmöglichkeiten und ergänzen den alten Wissensstand um neue Erkenntnisse. So vermehrt Wissenschaft den Wissensstand, und stößt alte Interpretationen um und fügt neue Interpretationen hinzu. So funktioniert Wissenschaft. Auch Physik, Mathematik, Geowissenschaften. Je geistiger, desto schwieriger wird es dem Laien, aktuelle Erkenntnisse (Interpretationen) nachzuvollziehen. Das mindert aber nicht die Leistungen der Wissenschaften.

Wissenschaft ist lebendig und kein gebundenes Buch verabschiedeter ISO-Normen.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Waldi am 02.02.2021 02:48

Da steckt jedesmal Interpretation und Vermutung dahinter, auch in den harten Wissenschaften wie Physik.


Schönes Beispiel ist die Kopenhagener Interpretation.
Das ist eine Quantentheoretische Deutung die im Endeffekt die Dualität von Licht als einerseits Welle und andererseits als Teilchen in ihrem Widerspruch auflöst.

Kurz gesagt, eine der wichtigsten Formen unserer Wahrnehmung kennt keine saubere Erklärung, wir brauchen eine Interpretation um das zu erklären, weil es sonst immer einen sauberen Beleg gibt, dass es anders wäre. Interferenzen sind nur mit Wellen erklärbar, die Streuung von Licht an Spalten auch. Photovoltaik ist nur mit Teilchen erklärbar und Beides stimmt gleichzeitig.

Sogar Einstein hat mit der Theorie gehadert und die mit "Gott würfelt nicht" betitelt. Am Ende hat er den Urhebern Bohr und Heisenberg auch nicht aufzeigen können, wie das anders erklärt werden kann.

Mir hat die Sache immer viel Freude bereitet, wenn jemand ganz genau was weiß. "Offensichtlich" ist eine Ableitung von Sicht, was wiederum mit Licht geschieht und wenn Licht nicht mal eindeutig ist, sondern eine Interpretation nötig ist um die widersprüchliche Erklärungen zusammen zu führen, wie sicher ist dann "Offensichtliches"
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 02.02.2021 08:23
Neandertalern traue ich aber auch Religion zu, denn sie waren keineswegs dümmer als Homines sapientes. Nur sozial hatten sie ein Manko: Sie kümmerten sich zu wenig um Verletze, während unsere direkten Vorfahren das taten. Ich las, dass dieses soziale Verhalten ein Evolutionsvorteil gewesen sei bzw. ihr Fehlen ein Nachteil für die Neandertaler.
Wie will man das bitte nachweisen ob die sozialer waren oder nicht? Der Neandertaler hatte einfach nur Pech, es gab zu wenige, wie bedrohte Tierarten, die in zu kleinen Gruppen leben und am Ende aussterben können. https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/neandertaler-warum-sie-ausgestorben-sind (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/neandertaler-warum-sie-ausgestorben-sind)
Die Sozischiene wird nur ausgerollt, weil sie gerade perfekt in den Zeitgeist passt. Emotionen statt Vernunft.

Im Vergleich zum Neandertaler hatte der Homo Sapiens aber einen entscheidenden arterhaltenden Vorteil: Er lebte polygam. Der Neandertaler hingegen lebte monogam.
Da sich Arten, bei denen die Partner häufig wechseln, besser verbreiten, hat es der Homo Sapiens wahrscheinlich geschafft, in Europa zu überleben. Überspitzt ausgedrückt, könnte dem Neandertaler seine Treue zum Verhängnis geworden sein.


Gruß
Jule

Guckst Du hier: https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/kultur/1000-antworten-2656.html (https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/kultur/1000-antworten-2656.html)
Die verschiedenen Thesen schließen einander ja nicht aus.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 02.02.2021 08:27
Wir interpretieren ständig: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation). Schon alleine dass ich aus diesen schwarzen Mustern auf weißem Grund Sinn entnehmen kann und lesen kann, was ein anderer mit schreibt, ist Interpretation. Schon alleine, dass ich das Ding mit diesen Mustern auf Knöpfen als Tastatur wahrnehme, ist Interpretation. Aber man kann das Wort auch enger fassen. Um zu erkennen, in welchem Sinn ein Wort gemeint ist, muss man interpretieren. Und man kann dabei auch daneben liegen.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 02.02.2021 10:38
Wir interpretieren ständig: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation). Schon alleine dass ich aus diesen schwarzen Mustern auf weißem Grund Sinn entnehmen kann und lesen kann, was ein anderer mit schreibt, ist Interpretation. Schon alleine, dass ich das Ding mit diesen Mustern auf Knöpfen als Tastatur wahrnehme, ist Interpretation. Aber man kann das Wort auch enger fassen. Um zu erkennen, in welchem Sinn ein Wort gemeint ist, muss man interpretieren. Und man kann dabei auch daneben liegen.

LG, Micha
So ein Quatsch. Dann müsste ein anderer eine Tastaur als Flugzeug interpretieren und ein anderer wieder als Schiff oder was zum Essen. "Inpterpetieren Sie das Gedicht" Das ist genau Interpretation, wo gar nicht klar ist,was damit eigentlich gemeint ist. Wenn ein Maurer ein Haus nach Interpretation bauen würde, käme nur Schrott raus und nicht das, was ein Architekt haben wollte.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 02.02.2021 11:15
Wir interpretieren ständig: https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation (https://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation). Schon alleine dass ich aus diesen schwarzen Mustern auf weißem Grund Sinn entnehmen kann und lesen kann, was ein anderer mit schreibt, ist Interpretation. Schon alleine, dass ich das Ding mit diesen Mustern auf Knöpfen als Tastatur wahrnehme, ist Interpretation. Aber man kann das Wort auch enger fassen. Um zu erkennen, in welchem Sinn ein Wort gemeint ist, muss man interpretieren. Und man kann dabei auch daneben liegen.

LG, Micha
So ein Quatsch. Dann müsste ein anderer eine Tastaur als Flugzeug interpretieren und ein anderer wieder als Schiff oder was zum Essen. "Inpterpetieren Sie das Gedicht" Das ist genau Interpretation, wo gar nicht klar ist,was damit eigentlich gemeint ist. Wenn ein Maurer ein Haus nach Interpretation bauen würde, käme nur Schrott raus und nicht das, was ein Architekt haben wollte.

Nein, es gibt Parallelisierungen zwischen den Gehirnen durch Austausch. Viele Interpretationen werden parallel konstruiert. So entstehen Kulturen. Kulturen sind die Folge parallelisierter Konstrukte. Kannst Du in diesem Buch nachlesen: https://www.piper.de/buecher/einfuehrung-in-den-konstruktivismus-isbn-978-3-492-21165-9 (https://www.piper.de/buecher/einfuehrung-in-den-konstruktivismus-isbn-978-3-492-21165-9).
Und zwar darin in dem Artikel von Peter M. Hejl.

LG, Micha

Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 02.02.2021 12:27
Ich kann auch Bücher schreiben.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 02.02.2021 12:30
Ja, natürlich, Jule, Du weißt alles und kannst alles. Mach doch.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: chris-s am 02.02.2021 22:12

Lieber Chris,
.....
Aber meines Erachtens ist sind es vor allem Kontingenzerfahrungen, die das bewirkten, vor allem die Erfahrung der eigenen Endlichkeit, Sterblichkeit. Religiöse Vorstellungen helfen, dem zu begegnen, damit Frieden zu schließen, z.B. eben durch Vorstellungen eines Lebens nach dem Tode. Und religiöses Denken stiftet Sinn. Diese beiden Funktionen, Kontingenzbewältigung und Sinnstiftung oder -deutung sind auch heute noch die zentralen Funktionen von Religion, die ihner die Wissenschaft nicht streitig macht.

LG, Micha

Lieber Micha,
zunächst musste ich mal "Kontingenzerfahrung" googeln... Danke, schon wieder was gelernt!
Stimmt natürlich, was Du schreibst. Die ewigen Fragen: "Woher kommen wir, Wer sind wir, Wohin gehen wir" sind neben den von mir genannten Ursachen natürlich ebenfalls religionsstiftend.
Es sind aber auch die klimatischen Bedingungen für die Entstehung einer Welt-Anschauung primär. Schamanismus ist eben in kalten Zonen angesiedelt, während in der äquatorialen Zone sehr stark pflanzliche Fruchtbarkeitsriten vorherrschen. In Wüstenzonen sind es eben Feuergeister - ich denke an den brennenden Dornbusch der Bibel, aber auch an die Ifrits im arabischen Raum.

Wie ich schon schrieb: Ein weites Feld!

Grüßle aus dem wilden Süden
Chris
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Holger Haehle am 03.02.2021 16:42
Die eigene Endlichkeit und Tod sind Themen, die sicher auch Jule beschäftigen.
Ab wo werden solche Gedanken religiös und wann sind sie nur „philosophisch“?
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Zwurg am 03.02.2021 16:56
Im Grunde ist es doch ganz einfach. Der Mensch hat ein großes Gehirn, das ihm ermöglicht abstrakt zu denken. Und er stellt Fragen nach dem Warum, die keinem Tier in den Sinn kämen , auf die es aber keine Antworten gibt.
Und er will über die Unwägnisse des Lebens Kontrolle haben.

Also  entsteht die Idee von höheren Mächten, an die man sich wenden kann.

Bei Facebook ging es neulich um die Frage ob wir alle in in einer gewaltigen Matrix leben, also alles, auch wir selbst Teil einer Simulation ist.

Ich dachte dann an Computerspiele und dachte dann an Cheats die man irgendwo eingeben kann um seine Chancen zu verbessern.

Also sind unserer Gebete im Grund an den obersten Programmierer unserer Simulation gerichtet, er möge bitte die programmierung so ändern, das uns die Simulation besser gefällt.

Am besten fände ich freilich eine Gebrauchsanweisung und die Cheats und damit verbunden die Möglichkeit sie einzugeben, damit sie Wirklich werden.


Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: culture skirt am 03.02.2021 17:14
Am besten fände ich freilich eine Gebrauchsanweisung und die Cheats und damit verbunden die Möglichkeit sie einzugeben, damit sie Wirklich werden.
Das sind die Resonanzgesetze.

Gruß
Jule
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 03.02.2021 19:18
N'Abend zusammen!

Lieber Chris,
ja auch das Klima hat einen Einfluss auf Kultur und damit auf Religion. Aber das ist nur ein Faktor unter vielen.

Und sorry für das Wort "Kontingenzbewältigung"! Das Wort ist mir so alltäglich, dass ich nicht darüber nachdachte, es könnte nicht Allgemeingut sein.
Vor kurzem wurde ich ja mal dafür ausgeschimpft, nicht jedem verständliche Wörter zu verwenden. Der Aufhänger war das Wort "Ambiguität". Inzwischen hat auch Wolfgang mal dieses Wort verwendet, ohne dass zu einem Aufschrei kam. Ergo haben es die, die seinen Text gelesen haben, inzwischen wohl verstanden. Das ist doch eine Lernleisung.  :)
Und Du hast "Kontingenzbewältigung" auch verstanden durch nachlesen. So mache ich es auch immer wieder, denn ich kenne nicht jedes Wort, das ich hier im Forum lese.

Lieber Zwurg
eine schöne Metapher!

Lieber Holger,
mir scheint das eine sehr euopäische und moderne Frage zu sein, denn wir sind es gewöhnt, die beiden Systeme voneinander zu trennen.
Im Chinesischen gibt es m.W. auch zwei Begriffe dafür: "chia" und "chiao" oder so ähnlich. Oder?
Aber beide Begriff gibt es für Teilbereiche des Konfuzianismus und des Daoismus. Es ist also nicht so, dass Konfuzianismus und Daoismus entweder Religionen oder Philosophien sind, sondern beides.
Ich habe auch neulich diese Dissertation gelesen: https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Theologie/Allgemein-Interdisziplinaer/Buddhismus-als-Religion-und-Philosophie-978-3-17-021505-4 (https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Theologie/Allgemein-Interdisziplinaer/Buddhismus-als-Religion-und-Philosophie-978-3-17-021505-4). Hier das Inhaltsverzeichnis: https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Theologie/Allgemein-Interdisziplinaer/Buddhismus-als-Religion-und-Philosophie-978-3-17-021505-4 (https://www.kohlhammer.de/wms/instances/KOB/appDE/Theologie/Allgemein-Interdisziplinaer/Buddhismus-als-Religion-und-Philosophie-978-3-17-021505-4)
Das kann man also nicht eben mal so schnell beantworten, woran man diese beiden Begriffe oder Systeme unterscheiden kann.
Bei Religion spielen mehr die Heilserwartung, der Heilsweg, die Rituale, die auch emotionale Ergriffenheit und Hingabe usw. eine Rolle, bei Philosophie mehr das Nachdenken, Systematisieren, rationales Urteilen usw. Aber in der Realität gehen die beiden Dinge ineinander über.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Holger Haehle am 04.02.2021 04:08
Tja Micha,

mein Problem speziell mit Taoismus ist, das Lao-Tse nie die Absicht hatte eine Religion zu gründen. Er bezeichnete sich selbst als Denkenden (Philosoph) und Lehrer. Eine Religion entstand aus seinen Gedanken ähnlich wie bei Kung-Tse (Konfuzius) und auch Siddartha (Buddha) erst post mortem. Welche Zutat hat das ausgelöst?

Entsteht Religion aus der Verklärung philosophischer Gedanken? Darf man von einer Religion sprechen, auch wenn der Urheber das nicht tat? Und ist der Gott dann nicht hausgemacht? Und gibt es dann, weil es viele Menschen und Gedanken gibt, nicht auch viele Götter und nicht nur den Einen und Allmächtigen?
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Asterix am 04.02.2021 04:21
... nie die Absicht hatte eine Religion zu gründen.

Das trifft höchstwahrscheinlich auf andere "Religionen" auch zu.

Gruß
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Skirtedman am 04.02.2021 05:06
Entsteht Religion aus der Verklärung philosophischer Gedanken? Darf man von einer Religion sprechen, auch wenn der Urheber das nicht tat? Und ist der Gott dann nicht hausgemacht?

Ich finde es interessant, welchen Verlauf "mein" Thread genommen hat.

Leider fehlt es mir an Kenntnis, mich an vielen aufgeworfenen Fragen sinnstiftend einzubringen.

Wie Micha schon sagte, gibt es (wie fast überall -meine Anmerkung) einen Graubereich zwischen Philosophie und Religion. Oder besser gesagt: Übergangsbereich. Der Übergang ist sicherlich fließend.

Moderne Philosophie ist (von mir) gefühlt eher religionsfremd aufgestellt. Ich denke, moderne westliche Philosophie kann eher als eine Art Ersatzreligion gesehen werden.

Urheber von philosophisch oder spirituell inspiriertem Gedankengut entgegen ihrer Absicht später als Religionsstifter oder -stützer anzusehen, denke ich (in meinen hobbyphilosophischen Überlegungen), ist legitim, auch wenn es post mortem geschieht.

Es ist legitim, denke ich, Vordenker später als zentrale Heilsbotschafter oder Sinnstifter oder Propheten anzuerkennen, und es ist legitim, eine Gefolgschaft oder Bewegung, die sich daraus ergibt, als Religion zu bezeichnen.

Jedenfalls im heutigen Sinne, wie Religion als Wort verstanden wird. Religion war ja ursprünglich gedacht als "Wiederverbindung", als eine "Verbindung zu Gott". Wiederverbindung heisst auch, dass die Verbindung irgendwann einmal als verloren gegangen empfunden sein muss, um sie erneut herzustellen. Vielleicht ist Religion ein abstrakter Begriff, der eher aus den abrahamitischen Religionen heraus gebildet wurde, zentriert um den christlich-jüdischen Sündenfall im Paradies.

Inwieweit nun Gesinnungsgebilde wie Hegelianer oder Freudianer religionsgleich anzusehen sind, mag jemand wie Micha besser beurteilen können, Stifter von Ersatzreligionen waren die jeweiligen Urheber in diesem Sinne schon. Nur führt dann ein zu suchender Gottesbegriff schnell in jene variable Beliebigkeit, die Du befürchtest.

Ich weiß nicht, ob es Freude ist, oder Schock, die bzw. den Du suchst, falls es sich bestätigen sollte, dass 'Gott hausgemacht' ist. Was aber sollte jüngere Religionsbewegungen von älteren in der Substanz unterscheiden? Die jeweiligen Gottesbilder sind mit Sicherheit hausgemacht. Die Suche, das Unfassbare fassbar zu machen, beschreitet viele Wege, ist in der Substanz vermutlich aber ziemlich gleich. Und ähnlich auch die Versuchung, an die Suche Interessen und Machtausübungen zu knüpfen und Menschen auf bestimmte Wege zu zwingen. Glücklich, wer selbst entscheiden kann, welchem Weg er folgt oder welchen Weg er geht oder welchen Weg er sich selber sucht.
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 04.02.2021 08:44
Morje zusammen!

Ich kenne keinen Religionsstifter, der eine neue Religion gründen wollte, abgesehen vielleicht von einigen ganz neuen, die aber nur wenige Anhänger haben. Das Wort "Religion", wenn auch auf das "relegere" = wörtl. "wiederlesen", im Sinn von "sorgfältig verrichten" von Cicero und das "religari" = "rückbinden" von Lactancius zurückzuführen, wie wir es heute verwenden, ist ein modernes Konstrukt. Ebenso die Trennung von anderen Systemen menschlicher Kultur.

Als ich als Jugendlicher das Dau De Djing (Tao Te King) las, war ich sehr ergriffen davon. Die Lun Yü vom Meister Kung ist dagegen sehr viel diesseitiger. Ich denke, dass Lao Tse, sofern es ihn historisch gab, eher als religiös in unserm modernen Sinne einzustufen ist als Kung Tse. Aber auch dieser pflegte die Riten, ja sie waren ihm sehr sehr wichtig. Lao Tse machte ich dagegen wenig aus Riten. Die beiden sind gewissermaßen Gegenbilder zueinander, die sich m.E. gut ergänzen.

Ja, moderne Philosophie ist oft eher nicht-religiös und religionskritisch. Auch bei den alten Griechen gab es schon philosophische Kritik am Götterglauben. Aber nach wie vor gibt es christliche, jüdische, muslimische, buddhistische, hinduistischer usw. Philosophie.

Mit den Wörtern "Ersatzreligion" oder "Religionsersatz" gehe ich vorsichtig um, denn das klingt so nach "nicht echt". Ob eine Religion echt ist oder nicht hängt sehr davon ab, wie ernst ihre Gläubigen sie nehmen und letztlich natürlich auch, wie gut sie ihre Funktionen, z.B. die Kontigenzbewältigung, erfüllt. Bei manchen Menschen ist das sogar beim Atheismus der Fall. Somit ist er ihre Religion.

Wenn man Religionen auch schon an kleinen Details voneinander unterscheiden will, gibt es sicher so viele Religionen wie es Menschen gibt. Oder Religiositätsformen, was es vielleicht besser trifft.

Wenn ich Reinhold Mokroschs letztens erwähnte Rede von dem Gott der Vorstellungen und dem Gott hinter den Vorstellungen aufnehme, gibt es vom erst genannten so viele Götter, wie es Vorstellungen gibt. Über den Gott dahinter, für den "Gott" ein sehr unbeholfenes Wort ist, kann ich außenperspektivisch nichts aussagen, sondern müsste in mystische Rede übergehen. Und als Mystiker schweige ich besser über ihn*sie*es, spüre aber seine*ihre*seine Realität.

LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Holger Haehle am 04.02.2021 13:00
Ja Micha,

die Vorstellungen über Gott scheinen auch mir angesichts von Milliarden von Menschen unendlich zu sein. Und die meisten Religionen haben ja auch viele Götter. Wenn Gott zum Menschen sagt: Du sollst keine anderen Götter verehren, dann muss es wohl andere Götter geben, denn sonst hätte Gott sagen müssen, dass es nicht lohnt andere Götter anzubeten, weil die alle Fakes sind.

Zur Mystik. Pythagoras hat nicht nur rechtwinkelige Dreiecke berechnet, sondern auch die Bahnen von Sonnen und Planeten. Sein Wissen hat er als Mathematiker in Formeln gegossen. Als Philosoph hat er die Entdeckung einer Sternenordnung als ein mystisches Erlebnis beschrieben, weil er in dem phantastischen Zusammenwirken der Parameter seiner Formeln eine metaphysische und somit göttliche Kraft sah.

Irgendwie habe ich das Gefühl, Gott ist das Unbekannte hinter den Dingen, solange wir die Dinge nicht durchblicken. Wissen wir es später besser, dann entmystifiziert sich der Sachverhalt und Gott ist nicht mehr da.

Früher interpretierten die Menschen rote Punkte in der Karwoche auf den Hostien als ein Zeichen Gottes. Seit wir wissen, es handelt sich um ein pigmentiertes Mycel eines niederen Pilzes, sieht niemand mehr in den Punkten Gottes Wirken.

Stecken hinter diesen scheinbar göttlichen Kräften einfach nur damals noch unbekannte physikalische Kräfte, die wir heute mit der Quantenphysik genauer beschreiben können oder steckt dahinter Gott oder was die alten griechischen Philosophen einen Erstbeweger nannten?
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: MAS am 04.02.2021 16:01
Lieber Holger,

als die 10 Gebote erstmals formuliert wurden, waren die Israeliten noch nicht die Monotheisten, die die Juden später waren und heute sind. JHWE war für sie viel mehr ihr Gott, also der Gott des Volkes Israel. Anderen Völkern wurden andere Götter zugestanden, aber einem Israeliten war es verboten, sich an diese zu wenden, ihnen zu opfern, zu ihnen zu beten, ihnen zu dienen usw. Religionswissenschaftlich nennt man das "Henotheismus". Das ist der Glaube, dass es zwar mehrere Götter gibt, aber  für einen selbst ist einer besonders oder auch nur einer alleine zuständig. Erst im Laufe der Geschichte wurde daraus der Glaube, dass es nur einen einzigen Gott gebe und die von anderen als Götter verehrten Wesen in Wahrheit nur Dämonen oder Götzen oder Nichtse seien.

Zur anderen Frage: Zu den wichtigen Funktionen von Religion gehört auch die Welterklärung, also wie sie entstanden ist und wie sie funktioniert und wie sie irendwann wieder aufhört zu existieren. Diese Funktion hat im Laufe der Geschichte aber immer mehr die von der Religion mehr und mehr unabhängig werdende Wissenschaft übernommen.

Es gibt eine Funktion, die können nach heute geltendem Wissenschaftsverständnis die Wissenschaften nicht übernehmen. Das ist die Sinn-Funktion. Sie können erklären, wie die Welt und das Leben usw. entstanden sind, funkrtionieren und sterben, aber nicht, warum es das alles überhaupt gibt und welchen Sinn es hat. Die Frage nach dem Sinn ist keine wissenschaftliche Frage. Aber sie ist eine religiöse und auch eine philosophische Frage. Das heißt aber auch, wo Theologie und Philosophie diese Frage stellen, befinden sie sich außerhalb des heutigen Wissenschaftsverständnisses.

Zur Sinnfrage gehört auch die Kontingenzbewältigung. Wissenschaften, also hier die Biologie und die Medizin, können zwar die Zwangsläufigkeit des Todes erklären, aber nicht, warum es überhaupt Sterblichkeit gibt. Dass man nachfolgenden Generationen Platz machen muss und dass sich Arten in der Evolution nur weiter entwickeln können, wenn diese kommenden Generationen sich genetisch von früheren unterscheiden, sind alles nur Erklärungen innerhalb des vorliegenden Systems, aber keine Antworten darauf, warum es dieses System überhaupt gibt. Und sie können dem Menschen nicht seine Angst vor, sein Unbehagen, seine Unzufriedenheit mit der eigenen Sterblichkeit nehmen. Das wird wohl eine Funktion von Religion bleiben, die sie nicht an die Wissenschaft abgeben kann.

 LG, Micha
Titel: Antw:Der Ursprung von Religion
Beitrag von: Holger Haehle am 04.02.2021 16:31
Danke Micha und Skirtedman, das war sehr informativ!!!