Autor Thema: Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?  (Gelesen 18257 mal)

Offline MAS

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #60 am: 05.07.2023 07:04 »
Lieber Zwurg,

vielleicht gibt es noch ein Missverständnis zwischen uns: Was ich meine ist keine individuelle Schuld, sondern eine kollektive Verantwortung. Das ist so wie mit den Zwangsarbeitern in der Nazizeit. Wir - als Staat - könnten behaupten, dass wir nicht verpflichtet seien, ihnen eine Entschädigung zu zahlen, weil wir Heutigen damit nichts zu tun hätten. Statt dessen - wenn auch erst nach langen Verhandlungen usw. - stehen dazu ein, das Erbe auch vorheriger Formen des deutschen Staates angetreten zu haben und zahlen eine Entschädigung. Hältst Du das für falsch?

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Offline doppelrock

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #61 am: 05.07.2023 07:58 »
Wichtiger wäre, sich bewusst zu machen, was heute (wieder) schief läuft und wo man jetzt gegensteuern MUSS, damit sich Dinge nicht wiederholen. Dafür ist auch wichtig, Vergleiche zu ziehen, um Parallelen zu entdecken.
Vergleichen heißt ausdrücklich NICHT gleichsetzen!

So schlimm und verachtenswert die Handlungen der Vergangenheit sind, es passieren gerade schlimme Dinge, die vermieden werden müssen, wie "Krieg für Frieden", Verarmung der Menschen und Profite für wenige Mega-Reiche, Unruhen, um den Reichtum zu verteilen, Digitale Versklavung mit Totalüberwachung, Löschung von Grund- und Menschenrechten, Zensur und Denkverbote mit hohen Strafen, sogenannte "Pandemieverträge", die privater Willkür-Macht Tür und Tor öffnen und einiges mehr.

Im übrigen muss die sogenannte Kollektivschuld heutiger Menschen für Vergangenes endlich abgeschafft werden.  Wenn Strafen, dann für tatsächliche Täter unmittelbar nach der Handlung.

culture skirt

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #62 am: 05.07.2023 13:43 »
stehen dazu ein, das Erbe auch vorheriger Formen des deutschen Staates angetreten zu haben und zahlen eine Entschädigung. Hältst Du das für falsch?

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Offline Zwurg

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #63 am: 08.07.2023 08:18 »
Lieber Zwurg,

vielleicht gibt es noch ein Missverständnis zwischen uns: Was ich meine ist keine individuelle Schuld, sondern eine kollektive Verantwortung. Das ist so wie mit den Zwangsarbeitern in der Nazizeit. Wir - als Staat - könnten behaupten, dass wir nicht verpflichtet seien, ihnen eine Entschädigung zu zahlen, weil wir Heutigen damit nichts zu tun hätten. Statt dessen - wenn auch erst nach langen Verhandlungen usw. - stehen dazu ein, das Erbe auch vorheriger Formen des deutschen Staates angetreten zu haben und zahlen eine Entschädigung. Hältst Du das für falsch?

Wenn die Leute die in den Grenzen des heutigen Staatsgebiets in der Nazizeit für den Staat gearbeitet haben, steht ihnen für die Zeit Lohn und Rente zu. Wenn sie für Firmen gearbeitet haben, die heute noch existieren, müssen diese bezahlen. Wieviele Zwangsarbeiter leben davon heute noch. Meiner Meinung muss es auch Verjährungen geben. Man kann Menschen die mit der Sache nichts zu tun haben nicht in alle Ewigkeit zur Kasse bitten. Das heute noch Zahlungen für Taten aus dem Kaiserreich erfolgen finde ich bescheuert.
Und das ist das Problem in Deutschland: wann immer man von den Deutschen etwas will, ihnen Schuld einreden will, oder etwas verbieten, wird nach fast 80 Jahren immer noch die Nazikeule ausgepackt. Mir fällt kein Land auf dem Globus ein, dass so etwas mit sich machen lässt.
Irgendwannn ist Geschichte eben Geschichte.
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Offline Zwurg

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #64 am: 08.07.2023 11:20 »
Und um zum Thema kulturelle Aneignung zurückzukommen:
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weil diese Dinge nicht orginär in Deutschland entstanden sind, sondern in anderen Kulturen.
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Offline doppelrock

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #65 am: 09.07.2023 16:16 »
Gerade bei den Bessermenschen (leider auch im Forum) zeigt sich mal wieder Überheblichkeit, Doppelmoral und Selbstgerechtigkeit. Die sogenannte Energiewende funktioniert aufgrund neokolonialistischer Ausbeutung der armen, aber rohstoffreichen Länder.

Da braucht mir keiner mit Geschichten von vor 80 oder 120 Jahren kommen, da sollten die Herrschaften mal lieber in Fachbücher schauen und sich über die Zusammenhänge kundig machen. Stichwort zum Einstieg "Wir füttern Afrika zu Tode". Bis in die 60/70er waren durchaus einige afrikanische Länder wirtschaftlich nahezu unabhängig, bis dann die Einmischung von außen kam, mit dem wertebasierten System, das vor Willkür und Einseitigkeit strotzt.

Aber es ist ja einfacher, über Vergangenes zu lamentieren statt aktuelle Probleme zu behandeln. Selbst über Sorgen vor der Haustür (Ahrtal) weigert man sich zu sprechen.

Von diesen Leuten lasse ich mir den kulturellen Austausch, der für beide Seiten ein Gewinn ist, nicht verbieten oder schlechtreden.

Offline MAS

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #66 am: 11.07.2023 17:06 »
Lieber Zwurg,

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Wenn die Leute die in den Grenzen des heutigen Staatsgebiets in der Nazizeit für den Staat gearbeitet haben, steht ihnen für die Zeit Lohn und Rente zu. Wenn sie für Firmen gearbeitet haben, die heute noch existieren, müssen diese bezahlen. Wieviele Zwangsarbeiter leben davon heute noch. Meiner Meinung muss es auch Verjährungen geben. Man kann Menschen die mit der Sache nichts zu tun haben nicht in alle Ewigkeit zur Kasse bitten. Das heute noch Zahlungen für Taten aus dem Kaiserreich erfolgen finde ich bescheuert.
Und das ist das Problem in Deutschland: wann immer man von den Deutschen etwas will, ihnen Schuld einreden will, oder etwas verbieten, wird nach fast 80 Jahren immer noch die Nazikeule ausgepackt. Mir fällt kein Land auf dem Globus ein, dass so etwas mit sich machen lässt.
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Na ja, die Gegner der Entschädigung von Zwangsarbeitern hofften ja auf die biologische Lösung. Nun haben manche Taten aber lange Folgen. So leiden die Nachfahren von einst unterdrückten oder gar einem Genozid unterworfenen Völkern noch Generationen lang darunter, wirtschaftlich wie psychisch.

Wenn andere Staaten ihrer Verantwortung nicht nachkommen, heißt es doch nicht, dass wir das nicht auch so machen müssen.

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« Antwort #67 am: 11.07.2023 17:11 »
Und um zum Thema kulturelle Aneignung zurückzukommen:
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Livestyle
usw
weil diese Dinge nicht orginär in Deutschland entstanden sind, sondern in anderen Kulturen.
Die Welt ist bunt, ich hoffe sie bleibt bunt, und wir vermiesen uns nicht unser Leben mit historischen Schuldzuweisungen und einer meiner Ansicht dämlichen neuen Verbotskultur.

Vielleicht ist der Unterschied so zu sehen: Wenn Menschen ihre kulturellen Erzeugnisse freiwillig in die Welt tragen und verbreiten ist es anders zu beurteilen, als wenn Menschen sich gegen den Willen der Menschen einer anderen Kultur deren Erzeugnisse aneigenen. Das ist wie im Privatleben: Ich kann verschenken und verkaufen, was ich will, und ich kann auch kaufen und micht beschenken lassen, aber ich darf nichts stehlen.

Das muss man dann im Einzelfall sehen, wo ein solcher Diebstahl vorliegt.

Sicher gibt es auch Fälle, in denen er nicht vorliegt, aber Menschen behaupten, er liege vor.

Und sicher sind nicht alle Menschen einer Kultur derselben Meinung darüber, ob sich andere da was gegen ihren Willen angeignet haben.

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Offline Morle

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #68 am: 11.07.2023 18:36 »
Die übliche und zu erwartende Antwort unseres Forumstrottels lautete. "Wir haben mit der Scheiße nichts zu tun gehabt. Was passiert ist, ist passiert." In diesem Thread las ich sehr kluge und weniger kluge Beiträge, aber dieser Satz ist das absolut Dümmste (wie eben zu erwarten). Ich frage mich, was die Ignoranten denken über deutsche leuchtende Ahnen wie Kant, Adorno oder der noch lebende Habermas: lehnen sie die epochalen Gedanken und Ideen, auf die man wahrhaftig stolz sein darf, ebenso ab weil eben "passiert" und nichts zu tun habend mit ihrer Gegenwart? Wer stolz ist auf deutsche Ideen, Gedanken, Theorien und auch Erfindungen und ihre Schöpfer, kann sich nicht nur die Butterseite der Schnitte aussuchen, sondern ist gezwungen, sich auch mit den Schattenseiten deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. An dieser Dichotomie kommt m. E. nach niemand vorbei, es sei denn, er nimmt für sich in Anspruch, grenzdebil zu sein.

Ich möchte nicht mißverstanden werden: die Auswüchse der "kulturellen Aneignung"-Protagonisten führen auch bei mir zu Kopfschütteln, aber ich versuche nun, Michas Rat zu beherzigen, ihnen nicht von vornherein Idiotie oder gesinnungsdiktatorische Denken zu unterstellen. Sollte ein höchstwahrscheinlich nie stattfindendes Gespräch es doch bestätigen: nun ja.

Auch verstehe ich ein Stück weit die Argumente, wir Heutigen seien nicht für alle Probleme in der Dritten Welt verantwortlich. Ich sehe durchaus dortige Probleme heute nicht als einzige stringente Folge der unsäglichen Kolonialpolitik sondern als mittlerweile durchaus hausgemacht an. Wer z. B. verlangt von den Afrikanern, in der weitaus überwiegenden Mehrheit der Staaten diktatorische, korrupte Politiker zu wählen, eher nach Stammeskriterien als Befähigung? Ein Pessimist (nicht Rassist!) könnte auf den Gedanken verfallen, sie, die Afrikaner, seien einfach nicht in der Lage, nach Werten demokratischer Regeln einen funktionierenden Staat aufzubauen. Daß dies eine willkommene Gelegenheit für Staaten und Konzerne der sog. Ersten Welt ist, diese Länder nach wie auszubeuten, ist eine Binsenweisheit, aber ich frage mich: wer zwingt diese Ausgebeuteten dazu, ein dickes Schmiergeldkonto?
Viele ausgebeutete Staaten werden, auch das ist eine Binsenweisheit, durch Schulden- und Zollpolitik klein gehalten, aber andere Staaten wie in Südostasien haben gezeigt, sich dagegen durch eigene Zollpolitik zugunsten ihres Landes erfolgreich wehren zu können, solange, bis ihre Industrie stark genug geworden ist, auf Augenhöhe verhandeln zu können. Nicht falsch verstehen: ich denke über die Afrikaner nicht als "dumme Nigger, die nichts begreifen (können)", jedoch ist es für mich ein Mysterium, warum sich so gut wie nichts und weniges so furchtbar langsam ändert, siehe z. B. die seit Jahren andauernde Flüchtlingsschwemme, die ich eher als Flucht vor hausgemachten Problemen denn als Folge von noch herrschenden Auswirkungen der Kolonialpolitik ansehe. Ich negiere nicht das Recht der Flüchtlinge, auf ein besseres Leben zu hoffen, aber muß es in Europa sein, einem Kontinent mit fast völlig fremder Kultur und Wertvorstellungen? Wäre es nicht besser, zuhause zu versuchen, etwas für ein besseres Leben zu tun?

Wahrscheinlich ist die einzige Lösung für mich selbst, Michas (und den der anderen "üblichen Verdächtigen") Rat zu folgen: informieren, informieren informieren und nicht zuletzt differenzieren.
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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #69 am: 11.07.2023 22:55 »
Das ist schön differenziert dargestellt, lieber Morle. Selbstverständlich ist der Kolonialismus nicht die einzige Ursache für Missstände in den ehemaligen Kolonien. Viele Verhaltensweisen, die Du genannt hast, wie Orientierung an Stammeszugehörigkeit statt an Eignung ist auch bei uns nicht fremd. Oder warum wählen die meisten Bayern immer CSU. Das gehört sich hatl so als Bayer, scheinen viele zu denken. Und in USA gibt es auch Staaten, die seit Jahrzehnten republikanisch oder demokratisch regiert werden.

Selbstbereicherungswille und Machtrieb sind auch allgemein menschliche Eigenschaften, die bei Führungspersönlichkeiten überdurchschnittlich anzutreffen sind. Egal, in welcher Staatsform.

Dass ostasiatische Länder wirtschaftlich so viel erfolgreicher sind, liegt z.T. an der enormen Disziplin, die wiederum auch konfuzianisch verwurzelt ist.

Über Fluchtursachen möchte ich nicht so verallgemeinend sprechen. Klar scheint aber, dass die Klimakatastrohe als Ursache stärker wird.

Im eigenen Land etwas zu ändern sagt sich so einfach. Das braucht oft langen Atem und Opferbereitschaft. Und kostet eben vielen, die es versuchen, das Leben.

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Offline Zwurg

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Antw:Kulturelle Aneignung oder Gesinnungsdiktatur?
« Antwort #70 am: 12.07.2023 00:09 »
Ich möchte gerne Beispiele aus meiner Familie bringen.
Ich hatte zwei Großväter: Beide waren keine reichen Leute hatten sich jedoch ein eigenes Heim (Zeugl) geschaffen, und gingen neben der Landwirtschaft daheim noch einer Erwerbsarbeit nach. Über ihre politische Gesinnung weiß ich nichts.
Der Vater meines Vaters wurde 1896 geboren und kämpfte im ersten Weltkrieg, im zweiten nicht mehr. Er starb 1963.
Der Vater meiner Mutter wurde 1903 geboren kämpfte während des 2. Weltkriegs in Frankreich und war dort auch in Kriegsgefangenschaft. Er starb 1982.
Ich weiß nicht ob sie die Nationalsozialisten gewählt haben. Nehmen wir an, sie hätten es getan, dann wären sie verantwortlich gewesen.
Meine Eltern sind 1935 geboren, sie waren also zur Zeit des 2. Weltkrieges noch kleine Kinder. Sie können nicht verantwortlich gemacht werden. mei Vater starb 2019
Mein Bruder wurde 1960 geboren, ich 1966 also lange nach dem 2. Weltkrieg. Wir können keine Verantwortung für den 2. Weltkrieg haben, da wir dort noch lange nicht geboren waren. Mein Bruder hat 2 Kinder 1985 und 1988 geboren, auch sie sollen Verantwortung tragen. Meine Nichte hat 3 Kinder, sollten diese auch noch Verntwortung tragen für Dinge die sich lange vor ihrer Geburt ereignet haben? Es gibt als 4 Generationen die nachweislich keine Schuld an den Dingen haben konnten. Sind wir alle wirklich verantwortlich für die Kolonialgeschichte und das dritte Reich, mit all seinen Folgen? und wieviele Generationen noch?

 Es ist wichtig zu wissen was in der Geschichte passiert ist damit man sie nicht wiederholen muss. Ich kenne die Geschichte und möchte nicht dass sie sich wiederholt. Aber gerade unsere politischen Eliten treiben uns in eine Richtung die mich persönlich sehr viele Paralellen zu den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts aufweist. Die Menschen die Hitler in den 30ern nach dem Versagen der Politik in der Weimarer Republik gewählt haben, waren nicht alle Nazis, aber sie strebten nach Veränderung. Und das aus guten Gründen.
Ich persönlich frage mich was hätten die Politiker und Medien damals machen können damit die Menschen nicht auf die Idee kommen die NSDAP zu wählen. Was  können Politiker und Medien heute tun, damit die Leute nicht AfD wählen?

Das hat zwar jetzt nicht direkt etwas mit kultureller Aneigung zu tun, aber ich finde der Begriff alleine ist schon ein Syptom unserer Zeit, das die Menschen scheidet.
Geht es einem Jamaikaner besser, wenn blonde, weiße Menschen keine Dredlocks tragen und Raggae Musik spielen. Geht es einem Sinthi oder Roma besser, wenn es keine Zigeunersoße mehr gibt? Gibt es diese Auseinadersetzung auch um das englischsprachige "Gypsi"? Geht es einem Amerikanischen Ureinwohner besser wenn keine Romane mehr über einen fiktiven Apachenhäuptling geschrieben werden? Geht es mir besser, wenn keine Japaner oder Schwarzafrikaner Lederhose, oder Dirndl tragen?

Und was ist mit meiner gewünschten Aneignung an gewisse Kleidungsstile?

Das sind Gedanken die ich mir mache.

Ich suche keine Gründe um zu spalten und Verantwortungen und Schuld zuzweisen.

Es wäre wohl besser sich Gedanken zu machen, wie man sich entspannt und uns nicht ständig die Lebensfreude vergällt, weil wir verantwortlich sein sollen, für das Elend der Menschen in Afrika (ich sehe da eher die Bevölkerungsexplosion als Hauptursache), den Klimawandel, den Diebstahl von geistigem Eigentum...usw.


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« Antwort #71 am: 12.07.2023 00:34 »
Lieber Zwurg,

danke für Deine Gedanken!

Mir scheint nur, dass wir ein unterschiedliches Verständnis von Verantwortung haben. Du sprichst von individueller Verantwortung, bei der jeder nur seine eigenen Taten verantwortet. Ich spreche von kollektiver Verantwortung, die, stellvertretend für das Staatsvolk als Kollektiv die Regierung oder für die Mitglieder einer Kirche die Kirchenleitung oder auch für die Mitglieder welchen Kollektivs auch immer dessen jeweilige Leitung übernimmt.

Nehmen wir den Genozid an den Nama und Herero. Oder den an den Armeniern und den Dersimern. Die deutsche Regierung erkennt erst genannten Genozid inzwischen als solchen an und sieht sich in der Verantwortung, den Nachkommen der damals Ermordeten, eine Etschädigung zu zahlen. (Dass die dann nicht an diese beiden Ethnien, sondern an die Regierung von Namibia ging und von dem Stamm, der diese bestimmt, eingesackt wurde, ist einer der Skandale, die Morle ansgesprochen hat). Die beiden letztgenannten Genozide werden von der türkischen Regierung nicht als solche anerkannt und es steht in der Türkei unter Strafe, sie als soche zu benennen. Warum aber hat sich die deutsche Regierung so lange geweigert, den Genozid als solchen anzuerkennen und warum tut das die türkische Regierung für die beiden anderen Genozide immer noch? Weil beide Staaten sich in einer Rechtsnachfolge zu dem damaligen deutschen Staat (das Kaiserreich) und die Türkei für die beiden damaligen türkischen Staaten (das Osmanische Reich und die Türkische Republik unter Atatürk) sieht. Die Rechtsnachfolge wird also nicht in Frage gestellt. Rechtsnachfolge beinhaltet Rechte und Pflichten. Zu den Rechten gehört z.B. das Territorium (wenn auch in beiden Fällen eher ein Teil-Terrotorium) des jeweiligen Vorgängerstaates zu regieren. Zu den Pflichten gehört, Schulden zu übernehmen und abzubezahlen. So zahlt der deutsche Staat immer noch den Kirchen eine Entschädigung für die Enteignung unter Napoleon. Das wird jetzt sehr hart diskutiert, wie lange man das noch tun muss. Aber jedenfalls wird die mit der Rechtsnachfolge verbundene Verantwortung für Taten des jeweiligen Vorgängerstaates nicht in Frage gestellt. Aber genau das scheinst Du zu tun. Oder?

Dann:

Ob z.B. Roma besser leben, wenn es keine "Zigeunerschnitzel" auf deutschen Speisekarten gibt bzw. wenn man sie nicht "Zigeuner", also "ziehende Gauner" nennt, musst Du sie fragen. Du wirst sicher unterschiedliche Antworten bekommen. Aber wie gingest Du mit Antworten um, die Dir nicht gefallen?  Da geht es übrigens nicht um kulturelle Aneignung sondern um Beleidigung. Antiziganismus ist so was wie Antisemitismus.

Kulturelle Aneigung mit Dreadlocks und Reggae-Musik: Auch da musst Du die Rastafaris fragen und wirst sicher auch da verschiedene Meinungen hören. Und auch da die Frage: Wie gingest Du mit Dir unlieben Antworten um?
Ich könnte mir da aber vorstellen, dass die meisten Rastafaris eher was gegen die Rum-Werbung mit ihrer Musik haben, weil sie selbst keinen Alkohol trinken, aber nicht gegen das Nachspielen z.B. der Musik von Bob Marley. Ich fand dazu das hier: https://www.tagblatt.ch/kultur/wer-erschoss-den-sheriff-ld.2324317?reduced=true Aber wie gesagt: Frage die Betroffenen, nicht mich.

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« Antwort #72 am: 12.07.2023 00:38 »
Danke für die gedanklichen Anregungen, lieber Micha. Wie gesagt: ich versuche, sie zu beherzigen und einzubauen in meine Überlegungen. Wir werden vermutlich nicht immer einer Meinung sein, aber dann ziehe ich mich ggf. auf eine der wundervollen Aphorismen des wilden Oscar (O. Wilde) zurück: "Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt gar nicht." (Grins!)

Lieber Zwurg, Du hast selbstverständlich recht mit Deiner These, die erst als Kind in Nazideutschland oder danach Geborenen trügen keine Schuld, aber mir drängt sich der Gedanke auf, du mischtest "Schuld" und "Verantwortung" vielleicht etwas. Berichtige mich, falls ich mich irre. Können wir uns darauf einigen, daß alles in unserer deutschen Geschichte bis heute auf uns Gegenwärtige und künftige Generationen einwirkt, alles Gute (auf das wir zu Recht stolz sein können) und leider auch alles Schlechte? In diesem Sinne sehe ich sehr wohl uns Deutsche als eine Verantwortungsgemeinschaft, kollektiv, nicht individuell. Der einzelne Deutsche trägt, wie Du ja richtig festgestellt hast, keine Schuld.
Du wirfst die Frage auf, was gegen die Wahl der AfD getan werden könnte. Darauf weiß ich auch keine Antwort. Mir drängt sich jedoch der Verdacht auf, unsere so geliebten Ostdeutschen leiden, und das nach mehr als 3 Jahrzehnten Zugehörigkeit zur BRD, in die so doch so gern wollten, weil sie sich dann frei fühlen konnten, mehrmals im Jahr nach Mallorca zu reisen und ansonsten bequem alimentiert zu werden, an kollektiver narzisstischer Kränkung. Weshalb? Auf ihre so vollkommene Wirtschaft, die selbst im tiefsten Afrika nicht konkurrenzfähig gewesen wäre? Auf ihre offensichtlich tiefverwurzelte Ablehnungshaltung gegenüber "Fitschis" und anderen Fremden?
Wie gesagt: eine Antwort auf Deine Frage habe ich auch nicht, aber ich frage mich seit Langem etwas anderes: Wie verdammt verblödet muß man sein, auf die Fliegenfängermethoden dieses braunen Gesocks hereinzufallen? Kennen diese Idioten tatsächlich nicht deren Programm, das u. a. die Gewerbesteuer abschaffen will und vehement gegen die Erbschaftssteuer ist? Kennen die nicht die flankierenden Gedanken des Gesocks, die Arbeitnehmerrechte einzuschränken und eine Art Nachtwächter-Staat zu schaffen, der sich nur noch ums Wohlergehen der Wirtschaft kümmert (der elende Friedrich August von Hayek läßt grüßen, dem das Gesocks wahrscheinlich täglich ein Opfer darbringt. Die alles andere als überzeugte Demokratin Merkel fand ihn übrigens auch nicht so schlecht)? Wie lange dauerte es, bis es dem geliebtesten Fetisch der vornehmlich ostdeutschen Wahlidioten an den Kragen geht: Lohn- und Rentenerhöhungen auf Westniveau, das sie eigenwirtschaftlich, soviel ich weiß, bis heute nicht erreicht haben?
Zur Klarstellung: ich halte die Ossis nicht in Bausch und Bogen für Idioten (obwohl mir das bei einem sehr bekannten hiesigen Mitglied sehr schwer fällt), aber meine Meinung, AfD-Wähler seien Dummköpfe und das Faktum, daß in Ossi-Deutschland doppelt so viele dieses Rattenfängergesindel wählen, für mich schon eine signifikante Korrelation aufweist.
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« Antwort #73 am: 12.07.2023 00:42 »
Tja, lieber Micha, so spielt das Leben: da war ich wohl mit meinem letzten Beitrag 5 Minuten zu spät...
Euch allen eine gute, erholsame Nacht und einen erfolgreichen, zufriedenstellenden Tag!
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« Antwort #74 am: 12.07.2023 07:20 »
Lieber Morle,

ich finde, Du bist gar nicht zu spät, sondern hast aus Deinem Inneren heraus ähnliche Überlegungen geäußert. Dadurch unterstützen sich unserer Beiden Gedanken noch besser, als wenn nur einer dem anderen zugestimmt hätte.

Ich bin nur vorsichtig damit, die Ostdeutschen als Idioten hinzustellen. Sie haben ihre eigene Geschichte. Ich lernte neulich den Chefredakteur einer ostdeutschen Zeitung (JWD) kennen, der sagte, die deutsche Einheit werde wohl erst verwirklicht, wenn es keine Zeitzeugen der alten BRD und der DDR mehr gibt. Ich gab zu Bedenken, dass die Nord- und die Südstaaten der USA 160 Jahre nach dem Bürgerkrieg immer noch nicht richtig zusammengewachsen seien. Nun ja, der Vergleich mag hinken, aber ich meine, es kommt darauf an, welche Narrative tradiert werden.

Hups ich muss zum Zug.

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