Der Männerrock im Marketing: Allg. Einführung inklusive Marktforschung (Mafo)
Angeregt durch meine ersten Rockerfahrungen bei einem Karnevalsspaß mit meinen Schülern (siehe Forum Erfahrungsberichte), hatte ich beschlossen das Thema Männerrock im Fach Wirtschaftsdeutsch an der Uni von Wenzao zu bearbeiten. Das Ziel war es Wege zu finden, die zu einer breiteren Akzeptanz führen. Beginnen möchte ich heute dazu mit einer allgemeinen Einführung. Es folgen in späteren Beiträgen Umfragen zur Marktforschung, kognitive Tests und die Darlegung der abgeleiteten Marketingstrategie.
05 Der Rock im Marketing
Von nichts kommt nichts. Das stimmt auch für Ideen. Gedanken benötigen Futter, oder wie es im Englischen heißt: Food for Thought. Im Marketing besteht dieses Futter aus Wissen über den Markt. In unserem Rollenspiel ist das der Modemarkt. Alle Informationen über die Marktteilnehmer können helfen, deren Konsumverhalten zu erforschen. Dieses Wissen um Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ist der Pool, aus dem Ideen für ein Produkt entwickelt werden können. Das Produkt in unserem Rollenspiel ist ein Rock, den Männer tragen sollen. Das Unternehmen im Rollenspiel erwägt, die Idee vom Männerrock neu zu beleben. Es ist wie jedes andere wirtschaftende Unternehmen an Profit und Gewinnmaximierung interessiert. Die Firma hofft, mit einer innovativen Strategie für den Männerrock Marktanteile hinzugewinnen zu können.
Die Idee dazu kommt von relevanten Beobachtungen. Die Auflösung der Geschlechtergrenzen spielt als gender bending in der Mode eine zunehmende Bedeutung. So bietet die spanische Modekette Zara 2016 erstmals eine ungendered-Kollektion in ihren Läden an. Das Wochenmagazin Stern wirft in seinem ModeEXTRA vom 25. Mai die Frage auf, ob sich die modische Emanzipation des Mannes anbahnt. Es wird berichtet von Labels wie Burberry und Gucci, die gemeinsame Modeschauen für Frauen und Männer planen. Die Redakteurin schreibt: „... jetzt werden Männer- und Frauenlooks nach Belieben gemixt. Louis Vuitton gesellte seinen weiblichen Models in der aktuellen Frauenkampagne gerade den Jungstar Jaden Smith im Röckchen hinzu ...“.
Es gibt bereits eine Unisexwelle mit Produkten für Frauen und Männer. Der Begriff leitet sich von universal und Sexus ab. Es geht überhaupt nicht um Sexualität. Sexus ist lediglich die lateinische Bezeichnung für Geschlecht. Unisex-Produkte und Dienstleistungen eignen sich für alle Geschlechter. Dazu gehören beispielsweise Jeanshosen für Frauen und Männer oder bei Dienstleistungen gleiche Versiche¬rungstarife für Frauen und Männer. Unisex-Produkte können sehr ökonomisch sein. Man kann ein Produkt quasi zweimal verkaufen. Der Aufwand für Kampag¬nen für Frauen und Kampagnen für Männer kann durch eine einzige all-gender-Kampagne deutlich reduziert werden.
Namhafte Designer und Modelabels haben bereits eine allgemeine Akzeptanz bei modebewussten Menschen entdeckt und gesellschaftsfähig gemacht. Vivienne Westwood hat androgyne Mode entworfen. Miuccia Prada hat Männer in kurze Hosen gesteckt, deren Beine so weit waren, dass sie Röcken glichen. Unter dem Titel monovolar hat der Münchener Designer Patrick Mohr eine Unisex Kollektion geschaffen, die von jedem Menschen getragen werden kann.
Modelle wie Erika Linder oder Andrej Pejić zeigen ihre Einzigartigkeit in einer Vielfalt weiblicher und männlicher Facetten. Sie sprengen die Rollen-Klischees, die jeder kann. Von Calvin Klein gibt es das Parfüm ck one. Ein einziger Duft für die Frau und den Mann. Ganz aktuell bewirbt Calvin Klein seinen Unisex-Duft aus den 90er Jahren mit dem Slogan Ein Duft für Männer und Frauen, ganz ohne Vorurteile. Und Chanel zieht nach mit dem Unisex-Duft Boy, erhältlich ab Juni 2016. Es gibt also bereits einen funktionierenden Markt und offensichtlich Wachstumspotenzial.
Die Männerröcke von J.-P. Gaultier, Marc Jacobs, Tommy Hilfinger, Robert Landinger, Sandra Kuratle u.a. haben bisher Erfolge erzielt, die nicht in die Breite gingen. Auch H&M erreichte seine Ziele mit einem schwarzen Faltenrock für Männer aus der MenTrend-Kollektion von 2010 nicht. Nur der Utilitiy Kilt aus Seattle, als moderne Variante des klassischen Kilts, hatte seinen Durchbruch in der US-amerikanischen Heimwerkerszene. Er ist so erfolgreich, dass mittlerweile auch Konkurrenten ähnliche Arbeitsröcke mit viel Beinfreiheit und vielen Taschen anbieten.
Metrosexuell denkende Menschen bilden ein beachtliches Marktpotenzial. Sie konnten aber noch nicht mit attraktiven Angeboten ausreichend mobilisiert werden. Die Gruppe metrosexueller Menschen ist für die Männerrockidee essentiell. Zu dieser Gruppe gehören Männer mit einem ausgeprägten Sinn für funktionelle Kleidung und einem Modegeschmack, der Geschlechtergrenzen ignoriert.
Der Keyboarder Martin Gore von Depeche Mode ist ein früher Vertreter dieser Gruppe. Er trug bereits in den 80er Jahren Röcke und Nagellack. In einem Interview mit dem Pop Special Magazine sagte er 1985: „Sexuelle Barrieren und Geschlechterrollen sind altmodisch und out. [...] Meine Freundin und ich tauschen oftmals die Klamotten oder das Make-up.“ Ebenso bekannt für seinen metrosexuellen Lebensstil ist Brian Molko von der Indie-Rockgruppe Placebo. Die Sarong¬fotos vom Profi-Fußballer David Beckham haben wir für eine Marktforschung genutzt.
Metro-Männer pflegen sich. Das fängt bei der Gesichtspflege an und geht bis zur Krebsvorsorge. Pflegeserien für Männer gibt es mittlerweile von allen wichtigen Marken. Dazu gehören unter anderem Marbert, Nivea, Clinique, Bodyshop, Vichy, Lancôme und Shiseido. Mann will doch nicht vorzeitig das Verfallsdatum überschreiten und so viele Falten im Gesicht haben wie Keith Richards von den Rolling Stones. Ein adäquates Aussehen, Fitness und Gesundheit möchte man sich auch fürs Alter sichern. Es geht diesen Männern eben um mehr als Schönheit. Es geht um Lebensqualität.
Metrosexualität hat wieder nichts mit einer neuen Sexualität oder sexuellen Orientierung zu tun. Es ist ein Lebensstil von Hetero-Männern inklusive einer Bekleidungsfreiheit, die moderne Frauen schon längst praktizieren. Der Name leitet sich von Metropolitan und heterosexual ab. Metrosexuelle Menschen lassen sich nicht vorschreiben, in welche Ecke sie gehören. Keinen Dresscode akzeptieren sie als verbindlich. Sie überwinden uniforme Geschlechterrollen. Das Wirtschaftsmagazin Economist schätzt, das in den USA in der Altersgruppe der 25-45 jährigen Männer das metrosexuelle Potenzial bei 30-35 Prozent liegt.
Ich persönlich bevorzuge die Bezeichnung Postgenderismus für ein geschlechterunabhängiges Bekleidungsverhalten, wenn es Teil einer allgemeinen Kultur ist, bei der Geschlechtlichkeit nicht oder nicht alleine die Hauptrolle spielt. Der Begriff ist wissenschaftlich definiert und bezieht auch die Freiheit von geschlechtszentrierter Macht ein. Renommierte Experten wie Judith Butler, Donna Haraway, Sandra Bem, George Dvorsky, James Hughes u.a. geben ein exakteres und fundierteres Bild als der Marketingbegriff von der Metrosexualität. Der wichtigste Unterschied zur Metro¬sexualität, der für Postgenderismus spricht, liegt darin, dass der Begriff sich nicht nur auf Männer beschränkt, sondern alle Geschlechter einschließt.
Unsere Idee ist es, erfolgreicher zu sein als Gaultier oder H&M, weil wir auf umfangreiche Marktforschung bauen wollen, als Basis für eine verbesserte Käuferansprache durch Werbung. Das scheint notwendig, denn ich wusste 2010 nichts vom H&M-Rock in der MenTrend Kollektion, obwohl ich bei den Shoppingtouren mit meiner Frau regelmäßig auch in H&M-Läden war. Ich vermute, dass in der Vergangenheit das Konsumverhalten nicht genügend eruiert wurde, bevor es in eine Konzeption eingeflossen ist. Wir wollen die besonderen gesellschaftlichen Befindlichkeiten bis in den späteren Marketing-Mix berücksichtigen. Alle unsere Maßnahmen der Marktbearbeitung sollen einmal davon durchwirkt sein. Das sind ungefähr meine einführenden Worte zu unserem Projekt im Kurs Wirtschaftsdeutsch. Aus Zeitgründen vereinfachen wir es. So besteht es nur aus drei Teilen. Wir machen:
- Marktforschung mit statistischen Mitteln und Interviews.
- Die Erkenntnisse gehen in ein Konzept mit einer Marketing-Strategie ein.
- Dann wird ein Marketing-Mix mit Maßnahmen erarbeitet, die konkret die Strategie in Erfolge umsetzen sollen.
Einzelne Maßnahmen zur Kommunikationspolitik sollen zum Schluss umgesetzt werden. Praktisch heißt das, wir werden zum Ende ein Foto-Shooting mit unseren Ideen machen, das in der Realität für Werbezwecke eingesetzt werden würde. Mir ist es wichtig, so am Ende den Studenten ein sichtbares, praxisnahes Ergebnis der Projektarbeit abzuliefern.
Für die Marktforschung erheben wir Daten mit einer Befragung zu der offene und geschlossene Fragen gehören. Die offenen Fragen erlauben die Formulierung einer Meinung. Die geschlossenen Fragen, die als Antwortmöglichkeiten nur ein „Ja“, „Nein“ oder „Weiß nicht“ zulassen, sollen statistisch ausgewertet werden. Wir erstellen dazu einen Fragebogen. Wir wollen herausfinden, was die Leute über Röcke und Hosen allgemein und über Männerröcke im Besonderen denken. Der Fragebogen soll in der Schule verteilt werden. Um möglichst viele SchülerInnen befragen zu können, sollen die Fragen in Englisch abgefasst werden. So können die Fragebögen auch in den anderen Fremdsprachenabteilungen verteilt werden. Durchgeführt wird die Befragung nur von Studenten, die am Projekt beteiligt sind, und von Lehrern, die sich dazu bereit erklärt haben und die ich zuvor eingewiesen habe. Wir erarbeiten einen Katalog mit zehn Fragen. Für dieses Buch habe ich sie ins Deutsche übersetzt. Sie können weiter hinten in diesem Kapitel in der Auswertung zusammen mit den Ergebnissen nachgelesen werden.
Die Verbreitung der Fragebögen geht schnell. Die Studenten sind hochmotiviert. Sie arbeiten an ihrem Wunschthema und das realitätsnah. Auch sagen mir alle gefragten Kollegen ihre Unterstützung zu. Zur ersten Deadline nach einer Woche haben wir 164 ausgefüllte Bögen. Für unser Rollenspiel reicht das. Es muss ja mit dem Unterricht und der nächsten Projektphase weitergehen. Ich bitte aber, die Fragebogenaktion fortzusetzen, weil ich über das Projekt hinaus genügend Daten sammeln will für signifikante, also im mathematischen Sinne sichere Aussagen. In den nächsten Wochen kommen so noch viele Bögen hinzu. Am Ende habe ich 342 Fragebögen in der Auswertung. Allen Aussagen zu der Fragebogenaktion in diesem Buch liegt die Gesamtzahl (n=342) der bearbeiteten Bögen zugrunde.
Nach sehr viel zusätzlicher Arbeit liegt die Auswertung vor. Alle Ergebnisse sind statistisch signifikant und somit wissenschaftlich valide. In den zur Verfügung stehenden Unterrichtsstunden war das unmöglich zu leisten. Das gelang nur durch die enorme Initiative der Projektteilnehmer.
Fortsetzung folgt