Ich gehe mittlerweile sehr häufig im Rock auf die Arbeit. In meinem Beruf als Erzieher im Kindergarten habe ich zum Glück kaum Einschränkungen in der Kleiderwahl (unser Konzept verbietet lediglich Jogginghosen). Es ist bisher die zweite Einrichtung und ich hatte bisher keine wirklichen Probleme.
Bei meiner alten Einrichtung war ich schon sehr aufgeregt beim ersten Mal, aber es wurde total locker aufgenommen. Meine Kolleg*innen haben positiv reagiert und manche gaben mir Komplimente. Die Eltern waren überrascht, aber sie fanden das entweder toll oder kommentierten es gar nicht. Ich nenne mal beispielhaft zwei positive Reaktionen: Eine Mutter hat mir manchmal Zeitschriftenartikel aus Modemagazinen mitgebracht, die das Thema "Mann im Rock" behandelten, damit ich mich inspirieren lassen kann. Ein Vater sagte mir, ich sei ein "Freiheitskämpfer" und er würde Zuhause auch Kilts tragen. "Die Schotten machen es richtig! Zieh das öfter an!" sagte er mir. Meine Outfits wurden von einigen weiteren Eltern (vorwiegend Mütter, aber teilweise auch Väter) gelobt.
Wie haben die Kinder reagiert?, werden sich jetzt viele Fragen. Kinder sind ja schließlich bekannt für ihre gnadenlose Ehrlichkeit. Zuerst waren die meisten Kinder interessiert und fragten mich nach dem "Warum?". Ich habe dann erklärt, dass ich das schön finde und es bequem ist. Damit war das Thema abgehakt. Simple und für mich naheliegende Erklärung, die einigen Erwachsenen oftmals nicht ausreichen würde, weil sie Geschlecht und Sexualität hinterfragen müssen. Kinder sind viel toleranter und offener als die Erwachsenen! Viele Kinder haben es auch nicht einmal thematisiert, weil es ihnen wohl schlicht egal war.
Es ist auch interessant, wie unterschiedlich Jungs und Mädels reagieren. Die Jungs reagieren entweder mit Komplimenten ("Schöner Rock", "Du siehst voll cool aus.") oder fragen mich kritisch, warum ich "Mädchensachen" trage. Meist stellt sich kurz danach heraus, dass diese Jungs das dann auch wollen. Die Mädels teilen sich auch in zwei hauptsächliche Reaktionen auf. Ein paar sagen, das darf ein Junge nicht tragen und ich muss nach Hause gehen, um eine Hose anzuziehen. Sie finden es dann absurd, wenn ich erkläre, dass Mädchen früher keine Hosen tragen durften. Das glauben mir manche im ersten Moment nicht und lachen, weil die Hose so selbstverständlich für sie ist. Nach einiger Zeit empfinden sie dann aber meine Röcke auch als "normal" und geben mir Tipps: "Trag morgen mal einen pinken Rock!" Die andere Gruppe von Mädels findet es "chic" oder sagt zum Beispiel stolz: "Guck mal, wir haben beide heute einen Rock an!" Das schafft dann Gemeinsamkeit und stärkt interessanterweise oft die Beziehung.
Im Laufe der Wochen trugen in meiner alten Einrichtung viele Jungs auf einmal selbstverständlich Nagellack, weil sie das an mir gesehen haben, auch Glitzer oder pink. Sowohl Mädels und Jungs präsentieren mir immer stolz ihren Nagellack. Irgendwann kam dann ein Junge mit einem Fußballtrikot vom Papa in die Kita, das von der Größe her dann eher einem Kleid ähnelte. Er sagte: "Schau mal, ich habe heute ein Kleid an." Kurz darauf zogen einige Jungs auch Papas Fußballtrikots an. Das könnte man ironisch als "genderfluid" bezeichnen.
Bei meiner neuen Einrichtung gab es ähnliche Reaktionen. Allerdings hatte ich dort auch eine negative. Ein Vater beschwerte sich bei einer Kollegin: Er möchte wissen, als was ich mich identifiziere, er sei gegen Frühsexualisierung und ich soll hier nicht meinen Fetisch ausleben. Diese Person ist allerdings bekannt, dass er online gegen Gendern, LGBTQ und Frauenrechte Stimmung macht. Das Team steht allerdings hinter mir und er hat mich bis heute nicht persönlich angesprochen - so viel zum Thema "Männlichkeit"!
Meine Arbeit ist daher wirklich ein "Safe Space" für mich geworden und ich freue mich, dass ich die nächste Generation ein Stück weit offener prägen kann. Ich sage bewusst "prägen" und nicht "erziehen", weil Röcke ja nicht Teil meines pädagogischen Konzepts sind, sondern einfach nur mein Kleidungsstil, der einen pädagogischen Effekt bewirkt.