Tagebuch eines neuen Vogtland-Bürgers oder „Zuviel Schnee ist ungesund“
(Die ursprüngliche „Alpenland-Version“ wurde geändert und umfangreich ergänzt von Dr.Heizer)
12. August
Heute haben wir unser neues Haus bezogen, an einem sonnenverwöhnten Ort im Vogtland. Es ist herrlich hier. Die Berge und Wälder sind so majestätisch schön anzuschauen. Ich kann es kaum erwarten, sie schnee-bedeckt zu sehen. Ich liebe diesen Ort.
14. Oktober
Das Vogtland ist das schönste Plätzchen auf Erden. Das Herbstlaub leuchtet in allen Farben von Gelb über Orange bis Feuerrot. Ich hab einen Spaziergang in unseren herrlichen Bergwäldern gemacht und dabei einen Hirsch gesehen. Es sind die schönsten Tiere auf Gottes weiter Flur, gar keine Frage. Ich fühle mich wie im Paradies. Ich liebe diese Gegend!
02. November
Bald geht es los mit der Hirschjagd. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man so anbetungs-würdige Geschöpfe totschießen kann. Hoffentlich schneit es bald. Ich liebe das Vogtland.
20. November
Letzte Nacht hat es endlich geschneit. Beim Aufstehen war alles in weiße Watte gehüllt. Wie auf einer Ansichtskarte. Wunderschön. Wir sind raus gegangen um den Schnee in der Einfahrt wegzuräumen und wir haben eine Schneeballschlacht gemacht. Ich habe gewonnen. Als der Schneepflug vorbeikam, durften wir die Einfahrt noch einmal freischaufeln. Eine wunderbare Gegend, dieses Vogtland.
02. Dezember
Letzte Nacht wieder Schnee. Wunderbar. Der Schneepflugfahrer, der kleine Spaßvogel, hat wieder allerlei Schabernack im Sinn und pflügt unsere Einfahrt randvoll. Ich liebe diesen Ort.
7. Dezember
Letzte Nacht noch mehr Schnee. Ich konnte nicht zur Arbeit. Der Weg war schulterhoch mit Schnee zuge-packt. Ich bin vom Schaufeln fix und fertig. Es ist ganz nett im Vogtland.
15. Dezember
Die ganze Nacht fällt diese weiße Scheiße vom Himmel. An beiden Händen Wasserblasen vom ewigen Geschaufel. Ich weiß es hundertprozentig: der Schneepflug versteckt sich gleich um die Ecke und lauert, bis ich den Weg freigeschaufelt habe. Schneepflugfahrer. Ich hasse dich. Du Arschloch.
25. Dezember
Fröhliche Weihnachtsbescherung! Schneescheiße, so weit das Auge reicht. Wenn ich die Missgeburt von Schneepflugfahrer erwische, hau ich ihm die Schnapsnase platt! Man bricht sich noch alle Knochen, wenn man versucht, sich durch die Eisgebirge auf den Straßen zu Fuß zur Nachbarschaft durchzukämpfen!
27. Dezember
Letzte Nacht wieder Schneescheiße, was sonst? Ich bin seit 3 Tagen eingesperrt und gehe nur nach draußen, wenn der Schneepflug vorbei dröhnt. Einfahrt frei schaufeln. Ich kann nirgendwo hin. Das Auto liegt irgendwo unter dem Schneegebirge. Der Wetterfritze meint, diese Nacht kriegen wir noch mal 25 cm von diesem Dreck. Weißt Du, wie viel das in Schaufelladungen sind, 25cm?! Du Vogtland, du!!
28. Dezember
Der Grünschnabel von der Wetterwarte hat schamlos gelogen. Es waren 80 cm. Wenn es so weiter geht, sind wir im Spätsommer einigermaßen schneefrei. Der Schneepflug ist auf der Straße stecken geblieben. Der Granatendepp von Fahrer kommt an und will sich meine Schaufel ausleihen, überall sind Schneeschaufeln ausverkauft. Ich habe ihm höflich nahe gebracht, dass mir erst 6 davon kaputt gegangen sind, weil ich ständig den Schnee wegschippe, den er mir in die Einfahrt schmeißt. Er hat nur rumgemeckert und mich zur Seite geschubst und wollte sich meine Schaufel krallen. Da habe ich ihm mit meiner letzten Schaufel die Windschutzscheibe zertrümmert.
4. Januar
Überraschung! Ich konnte heute mit dem Auto raus. Der Fön letzte Nacht hat Tauwetter mitgebracht. Mir brummt der Schädel. Ich bin zum Supermarkt, Vorräte einkaufen. Auf der Rückfahrt rennt mir so ein tollwütiges Rindvieh von Hirsch über den Weg und voll in die Kühlerhaube. 4.000 Euro Schaden. Diese Biester gehören abgeknallt. Ich dachte, das hätten die Jäger im November schon erledigt, Scheiß Vogtland!
6.Januar
Letzte Nacht wieder Schnee. Wunderbar.
17.Januar
Der Nachbar hat scheinbar heute Nacht sein Verandadach abgerissen. Es hat jedenfalls mal richtig laut gescheppert gegen 2.35 Uhr und heute Morgen war es nicht mehr da, nur ein wirrer Haufen Schnee mit ein paar zerbrochenen Holzlatten drin. Rentner! Haben den ganzen Tag Zeit, aber nachts die Veranda abreißen, Total durchgeknallt!
18.Januar
Habe heute morgen im Radio gehört, dass die Überdachung des Wartebereichs am Busbahnhof auch eingestürzt ist, wegen Schneelast. Könnte also auch die Veranda meines Nachbarn betroffen haben. Als ich ihn gestern früh angebrüllt hatte, ob er denn nichts besseres zu tun hätte, als nachts Abrissarbeiten zu veranstalten, hat er mich jedenfalls hat saublöd angeschaut. Muss mich wohl entschuldigen….
29.Januar
Der Schneesturm der letzten Tage hat uns den Schnee vor die Fenster geweht. Wenn ich sehen will, ob es draußen Tag oder Nacht ist, muss ich zum Dachboden hoch und aus dem Giebelfenster schauen. Ich weiß gar nicht, ob ich noch ein Auto habe. Hat alles eine Höhe draußen, als könnte ich vom Fensterbrett des Giebelfensters geradewegs bis nach Berlin laufen.
12. Februar
Endlich hat der Stadtbauhof mit Hilfe des THW und des Alpenvereins unter Zuhilfenahme von Metalldetektoren seinen 10Tonnen Radlader wiedergefunden. Die Jungs hatten das Teil vor der Brotzeit am Kreisverkehr neben der Imbissbude abgestellt. Als Sie wiederkamen, hatte der Schnee vom Rathausdach dem kompletten Kreisverkehr unter sich begraben und die Jungs stellten Umleitungsschilder auf. Nun kann man ja hoffen, dass es bald bergauf geht….
4.März
Wegen Schneechaos auf den Bundesstraßen wurden Umleitungsstrecken knapp. Mittlerweile ist auch die Bundesstraße 92 gesperrt, eine Umleitungsstrecke führt von Bad Elster aus über Adorf, Oelsnitz, Plauen bis nach Gera über die zugefrorene „Weiße Elster“. Schwerlastverkehr über 30 Tonnen darf nicht fahren, aber die Holztransporte rollen trotzdem und das Eis hält, am Wehr neben dem Klärwerk wurde eine Rampe aufgeschüttet. Die lassen sich echt was einfallen! Das Vogtland kann so schön sein, der Verkehr rollt wieder, wenn auch nur auf der „Elster“.
22.März
Heute schneit es mal nicht. Hatte ganz vergessen, in welch schöner Gegend wir wohnen.
23.März
Weiße Schneescheiße fällt vom Himmel, und ich erfrier mir den…. Daumen beim Schneeschaufeln! Den dämlichen Schneepflugfahrer habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen, er fährt schon lange nicht mehr in unser Wohngebiet. Scheinbar hat er Verbot vom Bürgermeister bekommen. Drei kaputte Windschutzscheiben sollten reichen……
28. März
Die Strommasten waren bis zur Leitung eingeweht. Als sich eine Schaar Krähen darauf niederließ, kam es zum Kurzschluss. Richtig lustig war das, als die Piepmätze wie Steine vom Himmel fielen, weil es Ihnen die Federn weggebrutzelt hat.
31.März
Die Kinder haben Tunnel gegraben. Supermarkt und Kneipe sind nun wieder erreichbar. Seit dem der Strom wegen dem Kurzschluss, den die doofen Krähen verursacht hatten, abgeschaltet wurde, ist es finster in unserem Viertel. Auch wenn das Hantieren mit den Fackeln etwas umständlich ist, Glühwein über offenem Feuer schmeckt auch ohne Licht. Da die Kassen ohne Strom nicht gehen, lassen wir anschreiben, kann ja eh keiner abhauen hier.
1.April
Heute ist es passiert: ich kam im Supermarkt mit der Fackel zu nah an den Mais und prompt fängt das Scheiß Gemüse an, wie wild loszuknallen. Habe dann 4 Stunden auf die Polizei warten müssen, weil der völlig bekloppte Ladendedektiv an einen Überfall mit Schusswaffengebrauch geglaubt hat… Der kann was erleben wenn ich wiederkomme!
6. April
Ich liege in einem hellen Zimmer, die nervigen Deckenleuchten mit ihrem gleißenden Licht lassen mich seit Tagen nicht einschlafen. Die Tür innen hat keine Klinke, Fenster gibt es auch keines, aber Kameras. Langsam beginnen sich die Bilder in meinem Kopf wieder zu beruhigen, Die vielen bunten Pillen, die sie mir verabreichen, machen mich nun irgendwie glücklich. Ich verstehe nur nicht, warum ich ans Bett gefesselt bin..
11. April
Heute wurde ich losgebunden und darf auch wieder nach Hause. Die haben mir gesagt, dass ich am 2.April den Ladendedektiv mit meiner Fackel bis in sein Büro verfolgt habe und ihn gezwungen hätte, das ganze Popkorn zu essen, was der Typ mir in Rechnung gestellt hat. Vielleicht hätte ich ihm nach dem ersten 10 Liter Eimer etwas zu Trinken geben sollen, aber es waren ja noch 3 volle Eimer Popkorn da… Jedenfalls im Supermarkt habe ich nun Hausverbot.
13.April
Endlich Tauwetter, die Kinder fahren Schlittschuh auf dem Marktplatz, Sturzbäche von Tauwasser drängen durch die Straßen aus der oberen Stadt hinunter zum Klostermakt. Ein findiger Autohausbesitzer bietet Wildwasser-Rafting und Kanutouren an. Sind seit 2 Wochen im Voraus ausgebucht. Wenn das Tauwetter so anhält, kann man noch gut 14 Tage Kanufahren in den Gassen.
14. April
Ein Glück, dass wir auf einer Anhöhe wohnen, uns kann das Wasser nichts anhaben. Mal abgesehen davon, dass wir das Gefühl haben, in einer Tropfsteinhöhle zu leben, ist es erträglich. Das Dach ist undicht. Wir haben überall Schüsseln, Eimer und sonstige Gefäße aufgestellt, die wir alle 2 Stunden ausleeren müssen. Es kann sonst ganz lustig sein im Vogtland.
16. April
Heute Nacht hat uns ein lautes Geklapper geweckt. Als ich runter ging, um nachzusehen, stolperte ich kurz vor dem Ende der Treppe über den Kühlschrank und während ich im hohen Bogen Richtung Wohnstube flog wunderte mich noch, wie der Kühlschrank dorthin kommt. Mit einem Bauchklatscher landete ich vor den Couchtisch auf dem durchnässten Fernsehsessel, der mich sanft schwankend auffing. Im Licht der Scheinwerfer vom Rettungsboot der Feuerwehr, welches in dem Moment draußen vorbeifuhr, sah ich alle unsere Sachen lustig tanzend im Wasser herumschwimmen, nichts mehr war an seinem Platz. Hätte ich gewußt, dass wir in einem Überflutungsgebiet siedeln, hätte ich mir ein Hausboot gekauft.
3. Mai
Seit drei Wochen Tauwetter und Fön. Ich kann nicht mehr, mir platzt noch der Kopf. War mit dem Auto in der Werkstatt. Ob Du es glaubst oder nicht: Die Karre ist total durchgerostet. Das kommt von dem elenden Salzerei hier in der Gegend.
4. Mai
Die Möbelpacker sind da. Es gibt Menschen, die sich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte befinden. Und es gibt Menschen, die sich freiwillig im Vogtland befinden. Wir jedenfalls ziehen wieder in den Norden!