N'Abend zusammen!
Ihr habt ja eine Menge geschrieben.
Mit Zahlen sollte man wohl besser korrekt umgehen. Auf das Ranking der Städte Deutschlands mit den meisten E-Autos hat Hajo schon hingewiesen, wobei nach meiner Sichtung Frankfurt a.M. sogar nur auf Platz 14 steht. Und was die Bevölkerungsdichte Afrikas im Vergleich zu Deutschland angeht, so zeigt diese Liste
https://geoplay.de/rankings/bevoelkerungsdichte.aspx Deutschland auf Platz 40 und nur zwei Länder in Afrika mit einer höheren Dichte, nämlich Ruanda und Burundi auf Platz 16 und 17. Alle anderen Länder Afrikas haben eine geringere Bevölkerungsdichte. Wenn man Mauritius im Indischen Ozean auf Platz 10 noch dazu zählt, dann sind es drei.
Die Autodichte ist zweifelsfrei noch viel geringer als in Deutschland oder generell Europa. Die Familie meines Neffen hat mit fünf Mitgliedern vier Autos. Wäre die Jüngste schon 18 und nicht erst 7 wäre, hätten sie vielleicht 5 Autos. Gut, sie wohnen auch auf dem Land, der ÖPNV ist dort auch suboptimal, die Arbeitsplätze sind damit schlecht erreichbar. Und sie leben getrennt, so dass jeder gegenseitige Besuch eine Autofahrt mit sich bringt. So geht es sicher vielen. Ich in der Stadt brauche kein Auto. Großeinkäufe mit vielen Getränkekisten gibt es so aber auch nicht, sondern dann eben mehr Kleineinkäufe. Die gab es aber auch schon, als ich noch ein Auto hatte, da ich das Auto nicht gerne im Kuzstreckenverkehr einsetzte. Zum nächsten Supermarkt habe ich ca. 20 Minuten Fußweg. Ich benutze dabei gerne ein Wägelchen (Hackenporsche). Geht alles. Zum Bahnhof mit ICE habe ich 5 Minuten Fußweg. Das ist optimal. Aber ich habe 20-30000 Autos täglich direkt vor der Haustür. Dafür hoffe ich auf mehr E-Autos, damit ich nicht den ganzen Dreck einatmen muss. Der Reifenabrieb bleibt aber dabei doch gleich. Wieviele von diesen 20-30000 Autofahrern auch ohne Auto gut an ihr Ziel kämen, kann ich nicht sagen. Da werden sicher aber auch Leute dabei sein, die wie mein Bruder auf dem Dorf in einer Straße mit unter 100 Autos am Tag leben, aber in ihrem Dorf kein Geschäft, keinen Arzt, keine Post und erst recht nicht ihre Arbeitsstelle haben. Das war früher mal anders. Da hatte man alles für den täglichen Bedarf im Dorf. Es ging ja auch gar nicht anders, da niemand ein Auto hatte. Wer in der Stadt seine Arbeit fand, musste in die Stadt umziehen. Wobei es auch Leute gab, die mit dem Bus oder der Bahn zur Arbeit fuhren. Das Bahnnetz war mal dichter als heute. Die Leute waren dann aber auch täglich 2-4 Stunden unterwegs, inkl. einer Stunde Fußweg zum nächsten Bahnhof. So erzählte es mir mal ein Waldarbeiter im Odenwald von seinem Weg zur Berufsschule in seiner Jugend. Die Bahnstrecke, die er damals nutzte, gibt es nicht mehr.
Sicher, wenn wir Menschen vor Augen haben, die sich mehr leisten als wir uns leisten können, dann werden wir schnell neidisch. Dann wollen wir das auch haben. Ganz normal. Glücklich macht so ein Neid aber nicht. "Mine Fru de Ilsebill, will nich so als ik wohl will!"
Wenn man mal an die vielen Menschen z.B. in Afrika denkt, die sich noch viel weniger leisten können als wir, selbst wenn wir hier nicht zu den Reichen gehören, sieht es schon anders aus.
Vielleicht sind unsere Ansprüche auch viel zu hoch. Jedes Jahr in den Urlaub fliegen. Viele hierzlande tun das als sei es eine Fahrt im Linienbus. Wenn Du, Jule, das gerne tun würdest, aber Dir nicht leisten kannst, könnte es sein, dass Du von Deinem Arbeitgeber ausgebeutet wirst. Ich kenne Deine Arbeitsverhältnisse nicht.
Oder alles zu jeder Zeit verfügbar zu haben. Ja sicher sind volle Regale im Gechäft schön anzusehen, und ich wähle auch gerne aus einer Produktvielfalt aus. Nun muss aber jedes Produkt hergestellt und transportiert werden. Haben wir ein Recht darauf?
Und macht es wirklich glücklich? Ich las mal, bis zu einer bestimmten Summe Geldes mache Geld glücklich, danach nicht mehr. Von dieser Grenze bin ich weit entfernt. Aber ich versuche mir anzugewöhnen, nicht mehr alles vorrätig zu erwarten. Gut, dass ich in ganz Siegburg kein Altbier mehr kriege, nervt mich schon. Das liegt aber daran, dass es hier zu wenig getrunken wird, so dass es sich für die Händler nicht lohnt, es bereitzustellen. Unverkaufte Biere wieder zurückzugeben kostet unnütz Geld. Aber das ist doch eher ein Luxusproblem, während andere Menschen auf diesem Planeten kein sauberes Trinkwasser haben.
Eine Wirtin im Bayerischen Wald (Landgasthof Hacker in Gotteszell) meinte mal zu Petra und mir: "Sie sind so zufriedene Leute!" Das sagte sie mit Bewunderung oder Hochachtung oder so. Schön! Warum auch nicht? Uns geht es gut. Ständig nur daran zu denken, was man nicht hat oder nicht ist, macht doch nur unglücklich. "Gier, Hass und Verblendung" so heißt es im Buddhismus, "sind die drei Geistesgifte, die uns im Kreislauf des Leidens festhalten." Ich bin somit froh, um jedes bisschen Gier, Hass und Verblendung, das ich los werde und um jedes bisschen Zufriedenheit, das wächst. Deshalb bin ich noch lange kein Asket, sondern eher immer noch Hedonist, der der Leben genießen will. Nur mache ich die Erfahrung, dass der Genuss eher wächst, wenn ich bescheidener werde. So groß ist meine Bescheidenheit aber noch nicht, dass ich keine Wünsche, keine Gier mehr hätte.
Was die Verantwortung für die Zukunft angeht, bei der wir nicht garantieren können, ob die Anstrengungen oder der Verzicht, die wir üben, auch Erfolg haben, fällt mit eine Geschichte aus dem Islam ein: Ein Mann fragte Muhammad, ob er sein Kamel anbinden solle oder nicht, wenn es doch allein Gottes Entscheidung sei, ob das Kamel wegläuft oder nicht, egal ob es angebunden ist oder nicht. Muhammad antwortete: "Zuerst binde Dein Kamel an, dann vertraue auf Gott, dass es nicht wegläuft." Also gar nichts zu tun, nur weil man keine Garantie auf Erfolg hat, ist keine gute Entscheidung. Ich kann ein Haus bauen und ein Erdbeben zerstört es. Ich kann einen Baum planzen, und er verdorrt im Sommer. Ich kann ein Studium anfangen und kläglich scheitern. So ist das Leben. Soll ich deshalb gar nichts tun?
Heute sah ich einen mir bekannten Ex-Junkie mit einer Flasche Bier auf einem Mäuerchen sitzen. "Hi Uwe", sagte ich, "lass es Dir schmecken!" Er meinte: "Ja, man soll das Leben genießen, solange es geht. Wer weiß, ob mir morgen nicht eine Ader im Kopf platzt. Und wenn ich Dich sehe, macht es diesen Tag zu einem glücklichen Tag." "Geht mir umgekehrt auch so", sagte ich und ging meiner Wege. So eine kleine Begegnung, ein paar freundliche Worte, ein Lächeln und schon steigt der Genusswert des Lebens wieder ein wenig.
Ich weiß nicht, wie frei wir sind, unser Glück oder Unglück zu beeinflussen. Aber ich tue was ich kann und vertraue auf Gott, dass das Glück nicht wegläuft. Und zu diesem Versuchen gehört auch, bei meinem Verhalten auch an andere zu denken, auch an die kommenden Generationen, auch wenn ich da absolut nichts garantieren kann. Aber es macht einfach glücklich, auch an sie zu denken und dann auf dieses oder jenes zu verzichten. Ich leiste mir noch genug, z.B. diesen Rechner, auf dem ich jetzt schreibe. Hoffentlich hält er noch lange! Da stecken eine Menge Rohstoffe und Energie drin.
LG, Micha