Lieber Joe,
Deine Beschreibung eines guten Verhältnisses zweier Partner*innen, die von gegenseitigem Respekt der jeweiligen Wünsche geprägt ist, finde ich ideal. So sollte es sein!
Das Argument, dass Männer das gleiche Recht auf Röcke, wie Frauen auf Hosen haben, hat meine Frau, die Du ja auch kennst, von anfang an unterstützt. Sie musst aber auch anfangs gegen ihre Gefühle anargumentieren, also Ratio versus Emotio.
In einem anderen Thread machte ich ja auf die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit aufmerksam. Nach dieser Theorie, die sich auf empirische Forschungen stützt, entwickeln wir unsere individuellen Gefühle sehr beeinflusst von dem, was wir als sozial erwünscht wahrnehmen. Das heißt, dass es dann eben nicht unbedingt nur die Vorstellungen der anderen sind, sondern auch unsere eigenen, da sie unsere eigenen in der Identifizierung mit denen der anderen bilden. Das ist vielfach eher emotional als rational.
Das zeigt sich an der Sprache: Wir kommunizieren mit einer Sprache, die wir durch Parallelisierung mit der Sprache anderer erlernt haben. Wie sie benutzt wird, bis in die Feinheiten hinein, prägt unsere eigene Verwendung. Selbst dann, wenn wir rational zu dem Schluss kommen, dass ein Wort von den meisten anderen falsch verwendet wird, gibt es eine emotionale Barriere, die uns daran hindert, dieses Wort einfach mal so in der von uns als rational richtigen Weise zu verwenden. So bilden sich Umgangssprachen, die in einer Gesellschaft verwendet wird. Beispiel: "Auto" bedeutet auf Griechisch "selbst". Trotzdem bezeichnen wir mit "Auto" nicht uns selbst, sondern ein Automobil, also ein Selbstbewegliches, also ein motorisiertes Fahrzeug. Und doch hätten wir ein komisches Gefühl dabei, statt "Auto" "Automobili" zu sagen. Oder schau mal, wie viele Leute "Foto" (Licht) sagen, wenn sie eine Fotografie (Lichtzeichnung) meinen oder seit einigen Jahren gar, wenn sie einen Fotografierapparat (Lichtzeichnungsgerät) meinen. Oder dass neuerdings "vegetarisch" im Sinne von "ohne Fleisch", statt von "pflanzlich" verwendet wird. Diese rational unsinnige Verwendung, nach der man die Abgürzung "vegan" (von engl. "
vegetari
an") verwendet, wenn man "vegetarisch", also "pflanzlich" meint, und "vegetarisch" verwendet, wenn man "ovo-lakto-vegetarisch" (eiig-milchig-pflanzlich) meint, ist trotz dieser rationalen Unsinnigkeit für viele emotional sinnvoll, weil die meisten Menschen es so verwenden und wenn man sich daran anpasst, sich verständlich machen kann. Und so geht es auch mit Kleidung, die ja auch als Kommunikationsmittel verwendet wird, da Menschen durch sie ausdrücken, als welcher Typ von Mensch sie gesehen werden wollen. Und diese Kommunikation muss genau so verstanden werden wie die sprachliche im engeren Sinn. Wenn man sich die Bedeutung der Kleidung anders erklärt als andere Menschen, muss man sie diesen auch erst erklären. Das ist oft umständlich.
Den meisten Menschen stellt sich dieses Problem aber nicht, weil sie ihre Gefühle mit den sozialen Erwartungen parallelisieren und gar nicht auf die Idee kommen, dass man es auch anders sehen könnte, und wenn doch, dann bleibt es für sie ein Gedankenspiel ohne real-soziale Bedeutung.
LG, Micha
PS: Hajo, klar, man kann auch eine gute Partnerschaft leben, die noch so ideal ist, sondern auch aus Kompromissen besteht.
PPS: Zur unbewussten Parallelierung der Sprache möchte ich auch darauf hinweisen, dass es dabei nicht nur um Wortverwendung geht, sondern z.B. auch auf die Kehlkopfstellung. Ist Dir/Euch mal aufgefallen, dass Menschen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands oder aus unterschiedlichen Ländern unterschiedlich hoch oder tief sprechen oder unterschiedlich voll oder gepresst? Selbst das hört man sich bei den Menschen seiner Umgebung ab und macht es ihnen unbewusst nach.