Die Aussage, dass nur Betroffene kompetent in einem Thema sein können, teile ich nicht.
Das würde ja bedeuten, dass ein Psychiater nur dann gut arbeiten und helfen könnte, wenn er die selbe Psychose wie der Patient hat. In diesem Fall verhindert das Betroffensein sogar die Lösungskompetenz.
Hallo doppelrock,
daß Du meine Ansicht nicht teilst, kann ich nachvollziehen. Ich werde im Folgenden versuchen, Dir darauf ein paar Antworten zu geben:
Es gibt psychologisch ausgebildete Fachleute, die der Überzeugung sind, daß Betroffene sich in einer psychologisch fachmoderierten Gruppe besser helfen können, als ein Nichtbetroffener (Psychotherapeut) einem Betroffenen im Zweiergespräch.
Wenn nur Transmenschen als Betroffene das Thema Trans bearbeiten dürfen, warum kümmern sich dann pro Transmensch gefühlte 600 andere um dieses Thema und wollen es noch mehr anderen aufdrängen?
Diese Frage kann ich Dir nicht beantworten, aber scheinbar liegt es vielen Menschen "im Blut", sich Kompetenzen über Dinge anzumaßen, von denen sie gar nicht betroffen sind. Noch schlimmer wird es, wenn sie dann ihre Inkompetenz anderen versuchen aufzudrängen, anstatt sich durch Fragen bei Transmenschen erst einmal über deren Thema schlau zu fragen.
Darf nur noch derjenige mitfühlende Beileidsworte aussprechen, der selbst nahestehende Personen verloren hat? Sind alle anderen unqualifiziert und damit nicht befugt?
Dabei geht es nicht um ein "dürfen", oder Befugnisse, sondern um ein "können" vs. Unvermögen. Wer z.B. noch nie sein eigenes Kind zu Grabe getragen hat, kann einfach nicht mitFÜHLEN mit demjenigen, dessen Kind dort im Sarg liegt. Er kann aus seiner Sicht tröstende Worte sagen, kann aber mangels eigener Erfahrung niemals mitFÜHLEN.
Auch wenn ich noch so viele Filme zum Thema gelesen hätte und Bücher und Fachpublikationen, ich hätte nie die Kompetenz, ich wäre unvermögend, etwas über das Gefühl auszusagen, unter THC (Hanfwirkstoff) zu sein, wenn ich es noch nie probiert habe.
Aus meiner Sicht ist es entscheidend, ein Thema von außen betrachten zu können, um eben unbefangen eine qualifizierte Aussage machen zu können. Den besten Überblick hat vermutlich jemand, der von einem Thema betroffen ist und trotzdem in der Lage ist, das Thema und seine Position von außen wie ein Zuschauer betrachten und bewerten zu können. Dazu ist aber fast niemand in der Lage und viele verweigern diese Denkweise sogar. Diese Verweigerung führt dann wieder zum schwarz-weiß-Denken genau dieser verweigernden Personen. Diesen Widerspruch in sich selbst merken sie aber nicht und sie treten ewig auf der Stelle.
Nun, damit bestätigst Du ja genau meine Aussage.
Etwas von Außen zu betrachten, also eine Metaposition einzunehmen, ist wichtig. Aber es macht denjenigen nie zum Betroffenen. Er bleibt immer noch ein Zuschauer, der sich jedoch einen breiteren Blickwinkel zulegt, was wichtig ist, um eine ausgewogenere Position als Zuschauer zu bekommen
Wer noch nie in der Öffentlichkeit einen Rock getragen hat, ist eben nur der ewige Zuschauer und damit nicht kompetent, etwas zu dem Thema als Betroffener zu sagen.
Als Betroffener kann ich als Betroffener und als Zuschauer denken, reden und handeln. - sofern ich nicht vergesse, wie es als Zuschauer war. Das ist leider bei vielen Personen der Fall.
Als nicht betroffener Zuschauer kann ich eben nur als Zuschauer denken, reden und handeln.
Doch viele Zuschauer überschätzen sich und meinen, mit einem Stück weit Phantasie könnten sie die Erfahrung Betroffener gedanklich simulieren, nachvollziehen und hätten als Zuschauer ebenso die Kompetenz eines Betroffenen.
Genau das ist es, was ich bei manchen Moderatoren und angeblichen Fachleuten so empfinde.
Ein guter Psychologe wird niemals diesen Fehler begehen und sich immer seiner Zuschauerrolle bewusst bleiben und durch Fragen so viel wie möglich versuchen, aus dem Betroffenen heraus zu holen, damit der Betroffene sich anhand seiner Antworten selbst die Antwort gibt.