Vorweg, ich schreibe von mir, dem was ich empfinde oder empfinden würde und nicht darüber, was die betreffenden Menschen oder Situationen betrifft, die mich zum Nachdenken gebracht haben.
So richtig in Bewegung gebracht hat mein Gedankenkarussell Hirti, mit seinem Abendkleid. Ich fand es unglaublich cool, so selbstbewusst in einen entsprechenden Laden zu gehen und mit Beratung ein Abendkleid zu erstehen.
Irgendwie würde ich das gerne auch machen, aber ich will genaugenommen kein weiteres Abendkleid, es füllt nur unnötig meinen Schrank, wird aber nie gebraucht. Ähnlich Gedanken hatte ich auch schon vorher mit einem Dirndl. Brauche ich auch nicht, würde ich auch nicht tragen, aber der Nervenkitzel reizt. Die Herausforderung etwas zu tun, was Mann einfach nicht macht, obwohl es ganz legal ist.
Abendkleid oder Dirndl oder überhaupt ein Kleid mit Beratung in einem Landen kaufen, wären derzeit sowas wie ein Bungeesprung – nicht realistisch denkbar für mich, zumindest derzeit.
Nicht realistisch denkbar war vor ein paar Monaten aber auch nicht, dass ich in einem Kleid zum Arzt gehe, das erste Mal dann, wäre mein Blutdruck sicher bedrohlich gewesen, hätte sie ihn gemessen. Vorletzte Woche stand ich einem anderen Arzt in Unterhose und Strumpfhose gegenüber, nachdem ich mein Kleid ausziehen musste, und es hat mich (und ihn) nicht wirklich interessiert.
Denke ich zurück, war schon immer der Wunsch bei mir vorhanden nicht nur immer Hosen immer grau/braun/schwarz/blau zu tragen und die Luftigkeit eines schwingenden Rocks zu spüren, aber dieser Wunsch erklärt nicht die Röcke und Kleider, alle in meinen Augen sehr schön, die ich in den vergangenen Jahren und Monaten angesammelt habe, und langsam, eins nach dem andern, immer wieder mit neuem Nervenkitzel zum Einsatz bringe, oder eben auch (noch) nicht trage, in Rücksicht auf mein Nervenkostüm.
Es gibt einige Röcke und Kleider in meinem Repertoire, die ich mittlerweile mit der gleichen Selbstverständlichkeit trage wie eine Jeans. Ich trage sie gerne, wenn sie in der Situation angebracht, bequem, angenehm oder zweckmäßig sind wie eine Jeans eben auch. Sie lösen in meiner Umgebung auch die gleichen Reaktionen aus wie eine Jeans: Zumindest gefühlt nimmt sie keiner wahr.
Ich denke, darauf könnte ich auch nicht mehr leicht verzichten.
Die „Nervenkitzelsachen“ sind aber irgendwie die Dinge, die mich innerlich antreiben oder beschäftigen. Geht dieses schöne Kleid, oder jener Rock in der Situation, das sind meine irrationalen Überlegungen – irrational, wenn ich mich mit der Meinung meiner Frau abgleiche:
„Ein Kleid ist ein Kleid und ein Mann im Kleid ist ein Mann im Kleid, egal wie der Schnitt oder das Muster aussehen.“
Mit jeder abgearbeiteten Situation schwindet der Nervenkitzel, und, bis jetzt, war das Ergebnis immer: “Es interessiert keinen, was du trägst.“
Wo geht die Reise also hin, wenn jedes Kleidungsstück und jede denkbare neue Situation erarbeitet wurden? Zum Standardjeansrock?
Ein, in meinen Augen auffälligeres Kleid, oder ein Rock in einen neuen Situation verursachen bei mir ein Kribbeln, eine leichte Nervosität und Unsicherheit und danach ein leichtes Hochgefühl, wie wenn man mit einem Gummiseil am Bein in die Tiefe springt.
Ein kleines Bisschen bleibt davon immer zurück, auch bei Gewöhnung, wenn es mehr sein soll, dann ist schon ein neues besondere Kleidungsstück, oder eine neue Situation erforderlich.
Im Abendkleid jedoch, das man sich lange, gut überlegt in einem Geschäft gekauft hat, dann in die Oper zu gehen wäre für mich wie ein Bad in Adrenalin.
Und ja, ich verstehe, dass man es machen will und muss, wenn anderes nicht mehr reizt. Und trotzdem kann es sein, dass andere Rocker ganz andere Empfindungen haben und sie anderes antreibt?
Ich stelle mir die Frage, ist dieser Reiz, und natürlich auch die damit verbundene Unsicherheit irgendwann gänzlich vorbei und ich wähle Röcke und Kleider nur noch nach den gleichen Kriterien aus wie ich das bei Hosen und T-Shirts tue: Was gefällt mir gerade und was macht gerade Sinn.
Wie ist das für Euch? Habt ihr auch diesen Nervenkitzel? Belebt oder lähmt er Euch?
Viele Grüße, Cephalus