Ganz überspitzt schließe ich aus Deiner Antwort, dass ich durch mein Tragen von Röcken verhindere, dass andere Männer auch Röcke tragen. Insbesondere, wenn mein Outfit sehr auffällig ist.
Nein, das Gegenteil trifft zu. Das habe ich doch bereits gesagt. Man muss und wird zwangsläufig auffallen.
Männer sind für Mode aber anders empfänglicher, als Frauen.
Ich frage mich, wie sich in den 70ern die Plateauschuhe bei den Männern durchgesetzt haben
War es das? Flächendeckend? Ich habe nicht in dieser Zeit gelebt, weiß aber von anderen, dass in der normalen bügerlichen Familie, der Vater brav der Arbeit nachging, die Frau die Kinder versorgte. Die Mädchen Kleider oder Röcke und Blusen trugen und sich ja nicht dreckig machen durften und die Buben mit Bundfalthosen und Hemd. Also, alles schön brav konservativ. Die paar, die in Plateauschhuhen rumrannten, waren gutmöglich genau solche Freigeister und Avandgardisten, die man eher auf dem Woodstock angetroffen hätte. Ich wüsste nicht, dass mein Opa jemals Plateau trug.
Nur beim Gesehen werden können wir mehr werden.
Wie schon erwähnt, eben nicht. Ihr könnt noch so sehr zeigen, wie toll es im Rock ist, die wenigsten Männer werden Röcke nur durchs Gesehenes anziehen. Sie müssen das Gefühl erfahren. Dann hätte das sich vom Laufsteg weg, längst durchgesetzt, zumals Männerröcke von der Gothic Subkultur in die Haute Couture aufgenommen und weiterverarbeitet wurden.
Denn was sollten Männer sehen können, die sie dazu inspirierten, selbst in Röcken zu gehen, wenn sie eben keine Männer im Rock sähen oder Bilder von Männern in Röcken?
Vogue, McQueen, Gaultier, Highlandfestivals? Überall können Männer, Männer in Röcken sehen, trotzdem machen es die wenigsten.
Bilder, die ihnen dabei so glaubhaft vorkämen, dass sie sich überzeugt fühlten, einige täten es tatsächlich, und es ginge?
Es überzeugt erst, wenn es als erstrebenswerte Mode aus einer homogenen bürgerlichen Gruppierung von Männern herausentsteht. Männer wollen in ihrer Kleidung anerkannt und akzeptiert werden. Sie soll ihren Stand als Mann repräsentieren. Bei Frauen trifft genau das Gegenteil zu. Sie opfern ihr Weiblichkeit nicht für eine vermeintliche Karriere. Sie leben gerne und öfters ihre Indiviualität aus. Sie können es sich aber auch eher leisten, nicht weil sie Frauen sind, sondern, weil sie im Abseits der Leistungsgesellschaft stehen. Und die Differenzierung in der Mode drückt genau das aus.
Ohne das Internet, wo ich lesen konnte und als Dokumentation Bilder sehen konnte, dass es Männer gab, die sich in Röcken und Kilts hinausbewegten, war ich nie selbst dazu gekommen.
Ach, das glaub' ich nicht. Du und andere wussten bereits von den Schotten und ähnlichen. Das genügt meist. Als ich mit Rock tragen anfing, kannte ich das Forum noch gar nicht und bin nicht auf die Idee gekommen nach Männerröcken zu recherchieren. Erstens, weil ich gar nicht auf ide Idee gekommen bin und zweitens, ich geahnt habe was für Unsinn über Männer in Röckken stehen könnte. Ich habe mich also erst gar nicht fremdbestimmen lassen und mir einfach einen Rock bestellt. Damals war das noch ein langer Schwarzer Rock und bin dann gleich damit raus.
Über Mode zu lesen hätte mich nicht dazu gebracht. Bilder von Männern im Rock auf dem Laufsteg auch nicht. Denn was hat Laufsteg mit Realität zu tun?
Laufstege haben sehr wohl etwas mit der Realität zu tun. Sie finden statt und man kann sie besuchen und auch erleben. Zudem nimmt die Haute Couture Inspirationen aus Subkulturen auf. Wenn das nichts mit der Realtität zu tun hat, dann weiß ich auch nicht.
Ein anderes Problem mit Mode ist, dass Mode kommt, und Mode geht.
Mode hat den Anschein, dass sie schnellelbig ist, weil die Einzelhändler halbjährig ihre Kollektionen ändern. In der letzten Zeit hat sich ein Wandel eingesetzt, in dem eine Recyclemode fluriert und man länger bei einem Kleidungsstück bleibt. Mode arbeitet sich immer an vergangen Epochen ab und ist damit eher ein warmer Aufguss, als das sie kommt und geht.
Wenn wir eine Saison mit vielen Männern im Rock erleben sollten, könnte es im nächsten schon vorbei sein?
Ja kann es. Weil Männer durch äußere Einflüsse sehr beinflussbar sind. In Aufschwungsjahren werden Männer möglicherweise eher Röcke tragen, als in krisenstarken Jahren, wo ihre Aufgabe als Mann mehr gefragt ist und daran gemessen wird. Da bleibt keine Zeit, sich mit Mode und Nebensächlichkeiten zu beschäftigen.
Und was ist wohl schlimmer als Mode von gestern? Besonders für die, die Mode als Waffe benutzen möchten.
Mode ist im wahrsten Sinne von Gestern. Sie ist anachronistisch. Das, was die meisten Leute in Europa tragen, insbesondere Männer, ist keine Mode. Es ist Kleidung, die vorwiegend vor Wetter schützen und paktikabel sein soll. All das ist die echte Mode nicht.
Wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich im Laufe von einer Woche von zigtausenden gesehen. Sie werden einem Mann im Rock/Kilt exponiert.
Ich werde auch von Hunderten gesehen. Tausende ist bissl übertrieben.
Trotzdem hat sich bis jetzt keiner ermutigt gefühlt, es mir nachzumachen.
Es ist eine Träumerei von dir. Wenn es dazu kommen soll, müssen ersteinmal andere Dinge ändern.
Die allermeisten aber nur einmal und (höchstwahrscheinlich) nur von mir. Wenn einer davon es selbst gerne täte (nicht sehr wahrscheinlich), wird er sich dadurch vielleicht näher als Ziel gekommen fühlen.
Sicher gibt es die. Aber dazu müssen sich zuallererst die Umstände und die Menschen und das Verständnis ändern. Es gibt viele Männer, die das begrüßen. Aber nicht an sich.
Andere, denen der Gedanke weiter entfernt sind, müssen viele Male einem Mann im Rock exponiert werden. Und dann gerne nicht nur von einem, sondern von mehreren.
Nein. Wenn dann von Nahestehenden, der Freundin usw. Fremde Männer gehen denen mehr oder weniger am Arsch vorbei. Wir sind Außnahmen und Paradiesvögel. Mir werden die extravagandesten Berufe angedichtet, wo man sich nur dort ausleben könnte, obwohl ich einen eher konservativen Beruf habe.
Deshalb: Je mehr wir sind, und je mehr wir gesehen werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich einer doch traut – und sich sogar traut, sich im Rock hinauszubewegen.
Nicht in der Menge. Sondern zum richtigen Zeitpunkt und Anlass. Nichts anderes hat Sandra Kuratle gemacht und die Loveparade und Zürcher Streetparade als Chance genutzt. Die Jungs sind regelrecht auf die Straße mit ihren Röcken gestürmt. Es war aber auch die Zeit der Spaß und Rave-Society.
PS. Ich bin überzeugt, mehrere hier wären nicht dazu gekommen, im Rock zu gehen, hätten sie nicht auf dem Internet Männer im Rock sehen können. Noch besser wäre es, könnten mehrere Männer uns im realen täglichen Leben sehen.
Ich habe Rock getragen, beor ich das Forum kannte. Und vorher habe ich auch nicht wirklich einen Mann im Rock gesehen. Ich kannte es nur von Schotten und Goths. Der Gedanke und die Idee, entsteht im Kopf und nicht durch Dritte. Und das ist allemal besser, als eine Kopie von anderen zu sein.