Lieber Zareen,
es gibt ja sehr viele verschiedene Vorurteile.
Vielleicht kann man die unterscheiden in a) allgemein gültige Vorurteile, die in der jeweiligen Gesellschaft zum anerkannten Weltbild gehören und b) individuelle Vorurteile z.B. aufgrund von Verallgemeinerungen von einzelnen Erfahrungen oder aufgrund eines Bauchgefühls.
Die zur Gruppe a) gehörenden Vorurteile sind sicher schwerer zu überprüfen als die zur Gruppe b) gehörenden.
Lieber Micha,
Darf ich Dir da aus meiner persönlichen Meinung heraus widersprechen?
Ein allgemein gültiges Vorurteil - hmmmmmm
Ist das nicht ein Widerspruch?
Na ja, ein Vorurteil ist doch so etwas wie eine schnell gebildete Meinung, bevor sie durch sachliche Argumente zu einer bewiesenen Tatsache wird.
Dein Beispiel mit Zigeunern ist da nicht verkehrt. Ich kenne welche und die sind alles andere als Landstreicher und Diebe (Song von Cher: Gypsies, tramps and thiefs)
Ich bin so erzogen worden, daß ich mich von denen fernhalten soll. Wenn die in den 1950er Jahren mit ihren Teppichen von Tür zu Tür gingen, hat meine Mutter die Wäsche von der Leine genommen und alle Außentüren abgeschlossen - weil die ja nur auf Klautour wären und ausbaldowern wollten, wo es was zu holen gäbe - so meine Mutter.
Das war also ein
allgemein gültiges Vorurteil, das in der jeweiligen Gesellschaft zum anerkannten Weltbild gehörte.
Aber aus meiner Erfahrung ist das kein 'Weltbild' dem Anerkennung gebührt, sondern eine Diskriminierung.
(Nebenbei: mir haben Zigeuner gesagt, ihnen sei es lieber, Zigeuner genannt zu werden, als 'Sinti und Roma' weil das für diejenigen die nicht den beiden Sippen, oder Stämmen der Sinti und Roma angehören, auch wieder eine Diskriminierung sei - ich vergleiche das mal damit, niemals einem Franken zu sagen, er sei ein Bayer, obwohl es landespolitisch stimmt.)
Unter b) beschreibst Du genau das, was ich auch unter einem Vorurteil verstehe: ein Urteil, das ich mir aufgrund eines Bauchgefühls, oder einer Verallgemeinerung bilde.
Aber in beiden Fällen sollte ich nicht zu lange damit warten, mir ein richtiges Urteil zu bilden.
Letzteres mache ich immer wieder, nicht mit Sinti und Roma (mit denen habe ich gar keine Probleme), aber mit angehörigen von sogenannten Sekten. Ich suche die Begegnung und überprüfe meine Vorurteile und werfe diese dann meistens über Bord oder relativiere sie zumindest. Nun mache ich das aber auch beruflich und bringe mein Wissen an meine Studierenden und an die Öffentlichkeit weiter. Ich mache dabei aber auch bisweilen die Erfahrung, dass mir nicht so recht geglaubt wird.
Sind denn Vorurteile, die wir aufgrund von Erfahrungen reaktivieren, noch Vorurteile? Sind das nicht dann Erfahrungen und damit unsere eigenen Urteile, die einzig und alleine jeder für sich gemacht hast?
Lieben Gruß
Zareen