Hallo Freunde!
Auch wenn es mehr als 1000 Männer in Deutschland geben sollte, ja, selbst wenn es 10.000 wären, dann fielen sie nicht auf. Werft einen Zuckerwürfel in den Bodensee, dann werdet Ihr ungefähr die Zuckermoleküldichte im Wasser vorfinden, die jetzt die Dichte der öffentlichen Rockträger in der Gesamtbevölkerung darstellt. Die Chance, dass ein Zuckermolekül in dem See auf ein anderes trifft, die könnt Ihr Euch vorstellen.
Andererseits gibt es immer wieder Ausnahmen. So habe ich einmal an einem heissen Sommertag in der Kölner Einkaufs- und Fussgängerzone gleich sieben verschiedene Männer in Röcken gesehen, die ich alle nicht kannte. Da war wohl auch das sehr heisse Wetter der Antrieb.
Die Feinstrumpfhosenfans haben es da leichter. Sie können ihre Feinstrumpfhosen unter der gewöhnlichen Kleidung tragen. Ich habe mal eine Meldung gelesen, ich weiss nicht mehr aus welchem Land die kam, ist auch schon länger her. Demnach wurde aus den Notaufnahmen der Krankenhäuser berichtet, dass rund 10% der eingelieferten männlichen Notfallpatienten Feinstrumpfhosen unter ihrer Strassenkleidung trugen. Legt man diese Meldung zugrunde und überträgt das auf die Rockträger, die heimlich zu Hause oder unter langen Mänteln ihre Röcke tragen, dann käme man bei 40 Mio Männer in Deutschland immerhin auf 4 Mio. Ob das realistisch ist, wage ich zu bezweifeln, da es eine gewagte Hochrechnung ohne weitere Differenzierung der Gruppe ist. Aber die Anzahl der potentiellen und heimlichen Rockträger dürfte doch schon nennenswert höher sein als wir gemeinhin aufgrund unserer eigenen Beobachtungen annehmen.
Warum wir dennoch kaum Männer in Röcken draussen sehen (ausser uns selbst), dürfte klar sein: es ist der mangelnde Mut, dazu zu stehen, zu sagen: so bin ich, ich trage gerne Röcke, na und, die Frauen tragen ja schliesslich auch Hosen und werden nicht angeprangert und aufgehängt. Es ist diese für mich völlig unerklärliche Angst, nicht mehr als Mann angesehen zu werden. Was wird denn heute, im 21. Jahrhundert, immer noch mit "Mann" assoziiert? Der "Macho", der Angeber (dickes Auto, dicke Brieftasche), der "Macher" (2 Dutzend Vorstandsposten, vielleicht sogar im "Toll-Collekt"-Konsortium *muhahahaha!*), also kurz gesagt: der Fassadenbauer und gesellschaftliche Kulissenschieber ist gefragt. Kaum einer glaubt mir, wie es wirklich ist, wenn man nur Röcke trägt und dazu steht. Ich werde überall nicht nur als Mann anerkannt und wahrgenommen, sondern es wird eindeutig bewundert, dass ich das überhaupt so locker vom Hocker mache. Dass ich Null Angst habe, das wird bewundert. Ich merke, wie bei den Menschen der Cent fällt, wie sie diese für sie revolutionäre Neuigkeit aufnehmen und verarbeiten, dass nämlich ein rocktragender Mann nicht aussieht wie eine Tunte oder ein Transvestit, sondern wie ein gewöhnlicher Mann, der eben nur ein ungewöhnliches Kleidungsstück trägt. Nachdem sie das einmal verarbeitet haben - und das dauert nicht lange - sind sie überzeugt, sagen sich: aha, das gibt es also auch, das ist was Neues, das geht aber auch. Frauen sind - das wisst Ihr alle - ohnehin sehr schnell von Männern in Röcken angetan und sparen nicht mit Komplimenten. Ich habe deswegen schon von Frauen gewisse Einladungen bekommen, die normalerweise von Männern an die Frauen gerichtet werden. Die habe ich natürlich souverän und süffisant (fast) alle abgelehnt. Hier bin ich durch meine Röcke in die komfortable Lage gekommen, in der sich Frauen schon immer befunden haben, nämlich auswählen zu können und nicht darauf angewiesen zu sein, gnädig ausgewählt zu werden. Eine Situation, die meinem Selbstbewusstsein natürlich einen gewaltigen zusätzlichen Schub nach oben gegeben hat.
Aber mir ist auch klar, dass es manchmal nicht geht: Beruf, Arbeit. Da sehe ich ein, dass hier andere Prioritäten gesetzt werden. Da habe ich volles Verständnis, wenn die Leute hier ihren Arbeitsplatz nicht aufs Spiel setzen wollen, nur um bestimmter Kleidung wegen. Das ist ok. Aber im Freizeitbereich, dem Bereich, der einem selbst gehört und den man souverän gestalten kann, da wäre mehr Mut zu sich selbst angebracht. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung immer und immer wieder sagen, dass mich die gewonnene und eroberte Freiheit glücklich gemacht hat. Die Freiheit nämlich, meine Lieblingskleidung frei auszuwählen und sie zu tragen, mich an ihr zu erfreuen und die Wirkung auf andere zu geniessen. Das ist etwas Wunderbares und das kann wirklich nur einer geniessen, der es auch konsequent macht und sich nicht wie ein Verbrecher fühlt, der etwas Ungesetzliches tut und glaubt, er würde jetzt eines schweren Verbrechens bezichtigt. Das nämlich ist es, was die Lästerer auf den Plan ruft und was ihnen eine Scheinkraft verpasst: die Schwäche des anderen.
Remanzipiert Euch! Back to the roots! Die römischen Soldaten (Männer! Krieger!) sind mit ihren Röcken bis zum Teutoburger Wald vorgedrungen, ganz ohne Kampfjets und Panzer. Dass sie dann dort eine Schlacht veloren haben lag bestimmt nicht an ihren Röcken. Anderenfalls wären sie garnicht erst bis dahin gekommen.
Und wir?
Freundliche Grüsse,
Ferdi