Wer bin ich?
Bevor ich meine Geschichte und meine Gedanken zum Thema Rock am Mann schildere, erlaube ich mir, mich vorzustellen:
Ich heiße Klaus, wohne im Norden Österreichs und bin als Ingenieur tätig. Habe eine Freundin, ein Haus und fahre eine deutsche Limousine. Bin also kein außergewöhnlich schräger Vogel aber durchaus typisch für die Besucherschaft von Rockmode. 3 Jahre habe ich als Mann Röcke getragen und dann aber damit aufgehört.
Vorgeschichte
Meine Vorgeschichte ähnelt der vieler anderer. Ich zeigte bereits in meiner Kindheit ein etwas höheres Interesse an weiblicher Kleidung als andere. Habe auch das eine oder andere Mal heimlich einen Rock meiner Schwester probiert, aber im Fasching, da wollte ich nie einen tragen.
Dann kamen aber andere Interessen und ich vergaß Röcke & Co. Ende der 90 Jahre, ich war gut 20, war ich sehr gerne und viel in Diskotheken und auf Raves unterwegs. Da gab es immer wieder allerlei schräge Vögel. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, ich könnte auf der Mayday in Dortmund (eines der berühmtesten Events dieser Szene) einmal einen langen Rock tragen. Ich tat das dann auch und erntete einiges positives Feedback. Im Jahr darauf toppte ich das, indem ich bereits im langen Lackrock und dazupassendem restlichen Outfit in den Bus nach Dortmund stieg. Es machte mir eine Menge Spaß, aber daran, einmal im Alltag einen Rock zu tragen, dachte ich nicht.
Ein paar Jahre später stieß ich dann auf rockmode.de. Wie, das weiß ich heute nicht mehr, denn nach irgendetwas muss ich ja in den Weiten des Webs gesucht haben. Ich las mit großem Interesse jeden Artikel der hier geschrieben wurde und war doch recht erstaunt, dass es hier wirklich erwachsene Männer gibt, die öffentlich einen Rock tragen.
Aber los ließ mich das Thema nicht mehr und ich beschloss, es ihnen gleich zu tun. Kurze Zeit später ging ich eines sonnigen Freitag Nachmittags in einen Second Hand Laden, erstand einen knielangen Jeansrock und ging noch am selben Tag damit einkaufen. So begann meine Rock-Zeit ...
Meine Zeit als Mann im Rock
Bald stellte ich fest, dass einem als Mann im Rock eine recht tolle Bandbreite an Stilen und Outfits zur Verfügung steht. Sehr wichtig war es mir dabei, immer glaubwürdig als Mann zu wirken und keine zu extremen Outfits zu tragen. Schließlich sollte ich auch Kollegen, Bekannten & Co über den Weg laufen können, denn ich ging im Rock aus dem Haus und trug ihn auch in meiner Umgebung oft und gerne.
So trug ich eigentlich fast nie Röcke in Kombination mit hohen Absätzen und bei den Oberteilen bediente ich mich immer an ausschließlich männlichen Teilen. Ich experimentierte viel und entwickelte mit der Zeit einen Stil, der wie ich finde, gut zu mir passte und gut aussah. Dabei trug ich die verschiedensten Längen, vom bodenlangen Jeansrock bis zum sehr kurzen Mini war alles dabei.
Und ich trug die Röcke oft, sodass ich wirklich weiß wovon ich spreche, wenn vom Mann im Rock die Rede ist.
Warum habe ich aufgehört?
Für den geneigten Leser klingt es wahrscheinlich so, als ob mir das Tragen von Röcken viel Spaß gemacht hätte, und das war auch tatsächlich so.
Aufgehört habe ich wegen meiner Partnerin. NEIN, sie ist KEIN BÖSER DRACHEN, der mir nichts gönnt, so wie schon gelegentlich gemutmaßt wurde. Aber sie kann mit einem Partner, der Röcke trägt, nicht klar kommen.
Manch begeistertem Rockträger stellen sich dabei die Nackenhaare auf und er versteht es nicht. Ich aber habe inzwischen gelernt, dass es für manche Frau einfach nicht zu akzeptieren ist. Klar geht man beim Partner Kompromisse ein, aber das war für sie ein Einreißen des Bildes das sie von ihrem Partner hat und haben möchte. Sie möchte einen „männlichen“ Freund und dazu passen Kleider die normalerweise eine Frau trägt nicht. Klingt komisch, ist es aber nicht.Ich habe es irgendwann verstanden indem ich in mich geblickt habe. Und da drin sitzt ein Mensch dem Äußerlichkeiten auch sehr wichtig sind.
Ich wünsche mir eine Freundin, die feminin ist. Ich mag sie in Minirock und Stiefeln, schönen Strümpfen und ihre Weiblichkeit betonendem decolletiertem Oberteil. Ich würde sie nicht in einem weiten alten Holzfällerhemd und einer unpassenden Jeans sehen wollen, weil das auch nicht in mein Bild von einer begehrenswerten Frau passt.
Und darum verstehe ich meine Partnerin und habe mit dem Tragen von Röcken aufgehört.
Rock und Partnerschaft oder
Wie wichtig ist es mir, einen Rock zu tragen?
Man mag jetzt meinen, dass es mir so wichtig nicht gewesen sein kann, aber ich sage das Gegenteil: Es war mir „zu wichtig“.
Ich habe zuerst selber einmal herausfinden wollen, was ich eigentlich will. Darum habe ich mit dem Rock tragen begonnen und es dann eineinhalb Jahre gemacht ohne mit meiner Partnerin darüber zu sprechen. Eineinhalb Jahre sind eine lange Zeit um etwas vor dem Partner geheim zu halten. Als ich es erzählt habe, fiel die Meine aus allen Wolken und reagierte sehr ablehnend.
Ich wollte aber meine Röcke nicht aufgeben und habe die Probleme meiner Partnerin damit auch nicht richtig verstanden. Auf unsere Beziehung wirkte sich das sehr negativ aus. So zogen 3 Jahre ins Land. Dann zogen wir zusammen und im gemeinsamen neuen Haus wollte ich einen wirklich guten Neuanfang starten und gab von mir aus bekannt, ich werde keine Röcke mehr übersiedeln und auch keine mehr tragen.
Eine Verbesserung brachte das auch, trotzdem hinterließ die Geschichte einen Riss bei uns beiden.
Manch einer hatte mir bereits zu einem früheren Zeitpunkt geraten, auf meine Beziehung zu pfeifen wenn meine Freundin mich so nicht akzeptiert wie ich bin. Ich sehe das aber anders. Wenn einem eine Beziehung wirklich wichtig ist, dann muss man auch bereit sein viel zu geben und man wird viel zurück bekommen.
Für mich ist der Rock doch noch immer nur ein Kleidungsstück. Ich würde lügen, behauptete ich, die Zeit damit hätte mir nicht viel Spaß und mehr gebracht. Aber dafür eine Liebe aufzugeben an der mein Herz hängt, dass ist es mir nicht wert.
Ich würde auch keinen Job dafür riskieren. Darum war ich auch niemals im Rock in der Arbeit, wo ich Kundenkontakt habe und die Geschäftsleitung Wert auf ein kundentaugliches Erscheinungsbild legt.
Rock Freaks ...
Andere Rockträger sehen das anders und auch die akzeptiere ich. Für manche ist Rock tragen eine Lebensanschauung und ich finde das gut. Denn ich fing durch deren überschwänglich begeisterte Schilderungen erst mit dem Rock tragen an. Hätte es deren Begeisterung nicht gegeben, da wäre mir echt etwas entgangen!
Was mache ICH eigentlich noch hier?
Auf rockmode.de? Obwohl ich doch gar keine Röcke mehr trage?Ich bin sicher nicht mehr so oft hier wie früher. Trotzdem schaue ich gern mal rein, weil ich finde dass sich hier tolle Leute tummeln, die ich, zumindest über dieses Medium schon seit Jahren kenne und schätze.
Keine Phantasten, aber auch keine Phantasiegeschöpfe, sondern Männer, die neben dem Interesse an außergewöhnlicher Kleidung auch andere interessante Facetten haben und mit denen man sich toll über alles mögliche unterhalten und auch mal super kontrovers diskutieren kann. Das unterscheidet dieses Forum für mich von den meisten anderen und darum komme ich auch nach wie vor gern hierher zurück.
Und was hat das Rock-Tragen mir gebracht?
Eine ganze Menge würde ich sagen!
Klar, es hat mich um eine Menge Erfahrungen reicher gemacht. Ich weiß jetzt, wie es ist, wenn einem der warme Abendwind um die Beine streicht, während man bei einem Spaziergang so richtig schön mit „der Seele“ baumelt. Ich weiß, dass ein Lederrock bei einer starken Brise gewisse Vorteile gegenüber seinem leichten Pendant aus Stoff hat. Aber ich wollte eigentlich anderes erzählen.
Ich habe Begegnungen gemacht und Gespräche geführt, die hätte ich ohne den Rock wohl nie gehabt. Oft sprachen mich Menschen auf meinen Rock an und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch. Einmal sprach mich ein hübsches Mädel an, ich dürfe ihren Rock lüften, wenn sie sehen dürfe, was ich unter meinem trüge. Mal ehrlich, wem ist das in Hose schon passiert?
Vor allem aber hat mir das Bewältigen von außergewöhnlichen Situationen einen Schub in meiner Persönlichkeitsentwicklung gebracht.
Wenn man als Mann im Minirock vorbeispaziert, dann kann man sich der ungeteilten Aufmerksamkeit vieler Augenpaare sicher sein. Man kann dadurch das selbstsichere Auftreten in der Öffentlichkeit unglaublich gut trainieren. Denn wirklichen Erfolg erzielen „unqualifizierte Wortspenden“ erst, wenn man Schwäche zeigt. Zeigt Mann im Rock die nicht, kommt man erstaunlich gut rüber.
Andererseits kann man mit Wortmeldungen auf zweierlei Arten umgehen:
- Man kann sie ignorieren.
- Oder man kann darauf reagieren. Der bessere Weg!
Zugegeben, es bedarf einiger Überwindung, geradewegs auf eine Gruppe Herren mittleren Alters zuzugehen die an der Bar beim Feierabend-Bier stehen. Aber das Gesicht dessen den man dann um eine Ausführung seines eben von weitem gerufenen Kommentars bittet, ist unbezahlbar. Und das Grinsen seiner Kumpels ebenfalls.
Ich habe aus all diesen Situationen sehr viel für mich mit genommen. Heute bin ich sicher weniger schüchtern als früher, ungewohnte Situationen oder Vorträge vor anderen Leuten machen mir mehr Spaß als je zuvor. Wenn ich mir Gehör verschaffen möchte, gelingt mir das. In meinem Beruf ein großer Vorteil, weil ich häufig Präsentationen und Schulungen halte.
Eine typische Situation aus meinem Privatleben fällt mir dazu gerade ein. Ich war kürzlich im Kino bei einer Premiere. Ein Moderator fragt den vollbesetzen Kinosaal, wer auf die Bühne kommen und eine Gewinnfrage beantworten möchte. Da sieht man, dass eigentlich fast jeder davor zurückschreckt, vor 500 Leuten in ein Mikrofon zu sprechen. Ich hab dafür ein Gratisabo meiner Lieblingszeitung und ein neues Kaffeehäferl bekommen.
Und jetzt?
Bin ich jetzt wieder die graue Maus die in der Masse verschwindet, weil ich keine Röcke mehr trage?
Keineswegs! Ich bin der, der nach wie vor den auffälligeren Kleidungsstil trägt. Der, der stilsicher zum Anzug goldene Krokolederschuhe und den passenden Gürtel trägt. Der, der öfter mal gefragt wird, wo er die coolen Schuhe schon wieder her hat ...
Ach ja, ich bin auch der, der sich den knallroten Passat bestellt hat, während alle anderen Firmenautos schwarz, silber oder grau sind ...
Was rate ich ...
... Dir, der du vielleicht überlegst ob du auch künftig ein Rockträger sein könntest?Ausprobieren! Man weiß erst, wie es sich anfühlt, wenn man es ausprobiert hat. Muss ja nicht daheim sein, wenn man das Umfeld erst einmal nicht damit konfrontieren will. Aber probiere es aus!
Ich hätte mir nie vorstellen können, wie viel Positives ich im Rock erfahren konnte. Und wie wenig Negatives. Mir ist niemals etwas Schlimmes dabei passiert. Blöde Meldungen gab's schon, klar, aber was einen nicht umbringt, das macht einen härter. Sagt ein weiser Spruch und diesbezüglich stimmt er auf jeden Fall.
Nur bitte nicht übertreiben. Deine Mitmenschen haben auch Wünsche die respektiert werden wollen. Hier wurde schon von den unterschiedlichsten Typen berichtet. Partner, Familienmitglieder, Chefs die nie damit leben konnten, welche die es von Anfang an genial fanden und welche, die im Laufe der Zeit damit umgehen konnten. Wie das in deinem Umfeld ist, das solltest du selbst herausfinden.
Dabei wünsche ich dir viel SpaßHirti
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