Dieses Mal 80% Fiktion, Hans ist kein Hasenfuß mehr. Basierend auf reellen Personen (Rüdi, mein ehemalige Schweizer Chef) und Kleidungsstücken (Schlauchkleid, Faltenrock) sowie auf Themen, Beiträgen, Diskussionen im Forum, insbesonders ‚Dekorative Kosmetik nun auch für Männer‘, ‚Nägel‘ (Fingernägel), ‚Im Kleid in der Arbeit‘ (Schlauchkleid), 'Kollegengespräch', 'Rockkauf' (Beulendiskussion)
Wieder viel Spaß beim Lesen! Wart ihr schon mal in solchen Situationen, wo sich dann heraus stellt, dass es anders ist als mann denkt (natürlich in Bezug auf Röcke und Kleider)? LG. Peter.
Teil 1 (Teil 2 folgt)
Ich ziehe am Spiegel im Männer WC nun doch meinen weißen, relativ langen Blazer aus und hänge ihn auf einen Haken daneben. Und blicke mich an. Ich kenne dich zwar nicht, aber ich wasche dir trotzdem die Hände, kommt mir in den Sinn – so müde sehe ich aus. Na ja, immerhin ist es ja schon 19:00 Uhr. Ich senke den Blick nach unten, um etwas Positiveres zu sehen.
Und ich werde mit dem Anblick meines burgunderroten einfärbigen Schlauchkleides belohnt. Ja, ich trage ein aufregendes Stretch Maxikleid, fast bodenlang, mit langen Ärmeln und hochgeschlossen, oben auslaufend in einen Rollkragen. Zwar wirft es kleine Falten am Bauch, aber das ist bei dem Material normal. Ansonsten schmiegt es sich an meinen Körper und der Rockteil unten ist so schmal, dass ich nur kurze Schritte machen kann. Ich liebe das Gefühl!
Doch jemand, der so etwas tragen möchte, sollte sich bewusst sein, dass das Kleid nicht verzeiht und jede noch so kleine Unebenheit am Körper inklusive Wäsche zeigt, ja sogar betont. Muskeln und Figur werden natürlich auch gezeigt, so die Sonnenseite. Nahtlose Strumpfhose, nahtloser Slip oder Body sind Pflicht. Will mann die allgegenwertige Beule vermeiden, dann muss er sich etwas überlegen. Ich mache es mir leicht, ziehe den überlangen Blazer drüber, wenn ich damit außer Haus gehe. Falls ich den ausziehen muss, ja dann sieht Frau / Mann ein halt ein bisschen mehr. Restriktiv und freizügig, in einem einzigen Kleid, herrlich.
Natürlich ist das nicht meine normale Bürokleidung, dazu ist sie viel zu sexy. Normalerweise trage ich
Röcke, manchmal eher unauffällige Kleider in gedeckten Farben, dazu stets hautfarbene Strumpfhosen.
Und selbst dafür musste ich kämpfend wie der gute, alte Don Quijote bestehen und brauchte eine Rüstung wie er, wenn auch aus Worten, Geduld, Akzeptanz, Hinwegsehen und heftigen Mut bestehend, nicht aus Eisen.
Nach acht Jahren bei der selben Firma hatte ich mich endlich getraut. Mich zu ‚outen‘. Eigentlich war es durch das, was ich gerne als kleinen Unfall bezeichne, dazu gekommen. Schon seit vielen Jahren war ich ein Fan von Röcken und Kleidern gewesen. Und ich zog sie in der Freizeit auch an. Doch im Büro? Ich hatte es bisher nicht gewagt. Diversität war bei dem Unternehmen, für das ich arbeitete, eine kleine Tochterfirma eines Konzerns, zwar auf die Fahne geschrieben, doch wie sah die Realität aus? Eine aufs Haupt, Verwarnung – danke, brauchte ich nicht!
Doch an diesem Tag nahm das Schicksal seinen Lauf. Ich war zu spät aufgestanden, nahm einen Becher Kaffee mit Deckel von zu Hause mit, stellte ihn in die Vertiefung der Mittelkonsole des Wagens, den ich fuhr. Ich musste mich beeilen, wusste ich, ein wichtiger Kunde war vor Ort. An der letzten Kreuzung vor der Tiefgarage, in der ich parken konnte, leerte ich den noch fast vollen Becher Kaffee auf meine Hosenbeine. Es war Sommer und ich trug eine weiße Hose. Was für eine Schweinerei!
Ich versuchte mich noch im Auto zu säubern, aber natürlich blieben die Flecken. Unmöglich, warum musste mir so etwas passieren? Keine Zeit für Verbesserungen, von Behebung keine Rede. Außerdem brauchte ich dazu eine Reinigung. Ich hatte keine Tauschkleidung. Oh doch!, sagte mein Verstand. Der Rock. Sh…, sagte ich zu mir selbst, du kannst doch nicht so aufkreuzen! Ja, da war mein neuester Rock, ein knöchellanger, grauer, mit schmalen Falten. Ein schönes, fast auffallendes Stück. Er lag noch im Wagen, ich war noch nicht dazu gekommen, ihn mitzunehmen. Ich blickte auf die Uhr, nahm das Paket mit dem Rock am Beifahrersitz an mich und stieg in der Tiefgarage aus. Als ich die Kaffespuren im Wagen sah, fluchte ich wieder. Und ich hatte keine Zeit, der Termin!
Ich stürzte im Gebäude in die erste Toilette, riss die Hose von mir. Die Schuhe waren im Weg. Ich zog sie aus, den Faltenrock aus der Verpackung und entlang meiner Beine hoch. Ich wusste, es gab kein vorne und hinten, also egal, wie ich ihn anzog. Er hatte einen elastischen Bund, den ich an meiner Taille befestigte. Und ging.
Ausgerechnet Lisbeth war die erste, auf die ich am Gang traf. Lisbeth, meine Feindin. Sie blieb stehen, starrte mich an. Verblüfft, still, so, als hätte sie einen Weltuntergang gesehen. Ich eilte an ihr vorbei, mit raschelndem Rock und großen Schritten. Endlich erreichte ich den Konferenzraum, in dem wir den Termin hatten. Und riss die Türe auf, ging zu einem freien Platz am U-förmigen Tisch. Unser Verkäufer David brach mitten im Satz ab, als er mich sah. Mein Herz klopfte als würde jemand in einem Auto basslastige Musik laut aufdrehen. Mit Mühe fand David seine Sprache wieder. Er war so irritiert, dass er mir die Mitarbeiter des Kunden vorstellte. Ich kannte die drei Mitarbeiter des Kunden aber schon viel länger und besser als er. Ich war mit ihnen auf Du und Du. Und ich wusste, sie waren vom lockeren Typus.
Mein Glück! Handshake wie üblich, samt Blick in die Augen. Roswitha’s Blick… Sie schien leicht belustigt zu sein. Matthias war der einzige, der etwas sagte: Cool! Dabei lachten auch seine Augen, nicht nur sein Mund. Thomas schüttelte meine Hand, als wäre nichts. Als würde ein Behoster vor ihnen stehen. Endlich setzten wir uns und David setzte seinen Vortrag zur Lösung, die der Kunde benötigte, fort. Niemand sagte mehr etwas zu meinem Rock.
Kaum waren die drei Besucher von David nach draußen geleitet, baute er sich zornentbrannt vor mir auf. Ich saß noch im Konferenzraum.
„Sag mal, bist du völlig… daneben? Wie kannst du in so einer Aufmachung im Büro erscheinen? Und das auf einem Kundentermin?“
Ich versuchte ihm, mein Problem glaubhaft zu machen. Was war besser gewesen – Flecken oder Rock? Für mich klar, für ihn zählte nur mein Anblick. Nicht Logik, Auswahl aus zwei Möglichkeiten. Am Ende unserer Diskussion wusste ich, mein Handy würde bald läuten. Mit meinem Chef als Anrufer.
Immerhin dauerte es eine halbe Stunde, bis es so weit war. Ich ignorierte die läutende Nervensäge in Gestalt eines elektronischen Geräts und ging direkt zu meinem Vorgesetzten. Zwei Beschwerden, natürlich. Rüdi hielt mir eine Standpauke in seinem feinsten Schwyzerdütsch. Als er sein Pulver verschossen hatte, erzählte ich ihm meinen Blickwinkel über die Sache. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sichtlich entspannt.
„Na, winn esch so isch…“
Nun verkrampfte ich mich. Hatte ich mit meinen Argumenten nun meinen Wunsch, Röcke im Büro zu tragen, zu Tode gebracht?
„Überhaupt…“, setzte ich an.
„Loos guat sei“, winkte Rüdi ab, „I red mit de zwoa. Und du… in Zukunft…“