Nun, mit der Definition von 'sexistisch', wie sie hier erwähnt wurde, bin ich noch nicht ganz glücklich. Aber ich hoffe, wir meinen alle in etwa das Gleiche, wenn wir uns auf diesen Begriff beziehen. Drum will ich mich erstmal nicht weiter mit der Bedeutung des Begriffs 'sexistisch' aufhalten.
Lieber Holger, lieber Zwurg, das was Ihr nun geschrieben habt, beschreibt sehr schön, wie die Hose zum unabdingbaren Männlichkeitsbild sich entwickelt hat (
Holger) (in unserem Kulturkreis, möchte ich hier nur kurz noch mal betonen), und wie sich einige Generationen später die Frau sich der Hose bemächtigt hat (
Zwurg).
Beide Beschreibungen mögen fundamentale Schritte in der Bekleidungsgeschichte und Kultursoziologie darlegen, dennoch lassen beide Beschreibungen auch andere, vorausgehende oder parallel stattfindende Entwicklungen aussen vor.
Bei der Erhebung der Hose zum Männlichkeitssymbol war freilich die französische Revolution nicht alleine schuld. Zum einen gab es mehr oder weniger parallel schon andere ähnlich gelagerte politische bzw. soziale Umbrüche, die Holger ja auch z.T. erwähnt hat - auch dort verbunden mit dem Hass, Neid auf die bisherigen Herrschenden und deren Symbole.
Zum anderen gab es schon lange die Strömung hin zur Männerhose. Alleine die Industrialisierung mit ihren einseitigen, eintönigen Handlungsabläufen im Bereich der Produktion, mit stark körperlichem Einsatz und im Umgang automatisierter Produktionshilfen (Laufbänder, Schwungräder, Schwinghämmer, nur als Beispiel) zwang den Arbeiter schon fast unabdingbar in die Hose. Doch auch schon Jahrhunderte zuvor durch die Ritter, deren stetig sich verbessernder Rüstung löste alle erdenklichen anderen Gewandlösungen allmählich ab. Ganz zu schweigen von den nordischen = cisalpinen Völkern, die ohnehin ja schon die Männerhose lange vorsahen.
Bleiben wir noch mal beim Reiten. Die Ritter hatten lange Zeit noch ihr Friedenskleid - also, wenn sie mal nicht schnell zu einem Einsatz auf ihr Pferd mussten, konnten sie sich lange, bequeme Gewänder und der Liebe zu Frauen hingeben. Bestimmte Modeströmungen im Mittelalter lösten auch im Europa nördlich der Alpen die einstige Männerhosenkultur ab. Verbesserte Bausubstanz, verbesserte Heizmöglichkeiten, vielleicht auch verbesserte Infrastruktur von Heizmittelbereitstellung trug da sicherlich auch mit dazu bei, sich dies leisten zu können. - Doch ich wollte beim Reiten bleiben, denn auch vor der Industrialisierung war das wichtigste und erschwinglichste Verkehrsmittel das Pferd. Auch in immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen war das Pferd ein unter Männern wichtiges Kriegsgerät.
Gerade das Reiten erzeugt die Sinnhaftigkeit, eine Hose zugunsten eines Rocks oder Gewands einzusetzen. Da eine Hose die schützenden Stoffteile an den Kontaktflächen zum Pferd bzw. dem Sattelzeug am Pferd am besten am Körper fixiert - vom vereinfachten Auf- und Absteigen in einer Hose gar nicht zu sprechen.
Diese Entwicklungen (Reiten als Verkehrs- und Kriegsmittel, Industrialisierung) dürfen nicht vergessen werden, will man der Französischen Revolution für die zwanghafte Einführung der Hose für Männer in unserem Kulturkreis verantwortlich machen.
Ob all diese Entwicklungen nun in den Rahmen des Sexismus hineinpassen, sei mal dahingestellt. Eine Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau ist nicht zwangsläufig sexistisch, sondern ist gut geeignet, - jetzt mag das sehr konservativ klingen - zum verbesserten Zusammenspiel der Aufgabenbewältigung beizutragen. Den Geschmack von Sexismus bekommt solch eine Aufgabenteilung (eigentlih müsste man das modern 'Teambildung' nennen) erst dann, wenn entweder eine Seite des Zweierteams sich überfordert, unterfordert oder sonstwie benachteiligt fühlt. Diese Entwicklung setzte vor allem auch da ein, wo sich die Auflösung der Großfamilien breit machte, wo sich eine gewisse Individualisierung breit machte. Vor allem da ist die Keimzelle eines empfundenen Sexismus' anzusiedeln.
Auch die Situation, die Zwurg beschreibt, die Aneignung der Hosen durch die Frauen, lässt einige parallele Strömungen aussen vor und konzentriert sich sehr auf ein plausibles, aber auch nicht in Gänze reales Erklärungsmodell. Das Narrativ der Trümmerfrauen ist durch verschiedene Forschungen sehr ins Wanken gekommen. Ja, Frauen waren daran beteiligt, den Schutt wegzuräumen, es stellt sich gar keine Frage, dass sie das nicht getan hätten - da Männer fehlten. Vieles, was wir über Trümmerfrauen wissen, entstammt aber auch einer gezielten Inszenierung, die bereits unter dem Regime des Dritten Reichs begonnen wurde, später weiter fortgesetzt wurde. Doch das Wanken des Trümmerfrauen-Epos' muss uns jetzt hier nicht weiter beschäftigen. Klar ist, dass Kriegszeiten Notzeiten sind, nicht zuletzt waren auch Textilien knapp. Und ehe sich Frauen langwierig die Kleidung ihrer Männer, die im Krieg waren oder gefallen sind, zu Röcken und Kleidern umnähen, haben sie sie mit ein paar Nähten passend gemacht und einfach selbst angezogen.
Doch auch bereits zwischen den beiden Großen Kriegen gab es Strömungen, gerade in den Goldenen 20er Jahren (1920ern), in der die Damenmode männlicher wurde, frivoler, auch die Hose an der Frau schon anfing, sich breit zu machen. Vor allem wurde die Damenmode erstmal knabenhafter. Man erinnerte sich noch daran - zum Teil wurde es noch praktiziert -, dass die kleinen Jungs bis in ein Alter von vier, fünf, sieben Jahren Röckchen und Kleidchen trugen. Erst in den letzten Jahren zur Kriegsvorbereitung, beim Aufrüsten wurde diese Gewohnheit zusehends als dem bald kämpfen sollenden Buben von offiziellen Seiten für unwürdig erklärt - er soll am besten im Matrosenanzug schon auf seine Aufgaben vorbereitet werden.
Nun, so 10 Jahre später, entwickelte sich die Damenmode - oder Teile davon - eben genau in Richtung dieses Bildes, was man noch von den Knaben her im Sinn hatte: schlichte Hemdkleider, ja, zum Teil mit Pumphosen oder ähnlichem Beinkleid ergänzt. Und die Damenhose ist auch nicht die Erfindung von Marlene Dietrich, sie war vereinzelt schon in den 20ern verbreitet.
Auch dieser Umstand darf nicht vergessen werden, will man den Griff der Frau zur Hose erklären. Das Bild der Trümmerfrauen bzw. die korrespondierenden Nöte drumherum trug sicherlich dazu bei, die Hose an der Frau gesellschaftsfähig zu machen, sie ist aber nicht der Auslöser.
Auch emanzipatorische Bewegungen haben ihren Ursprung zumindest in den 1910er Jahren. All diese Ideen entwickelten sich ja mehr oder weniger parallel, mit Unterbrechungen, je nach Gemüts-, vor allem politischer Lage.
Insofern sind die Beschreibungen, die Holger und Zwurg uns darlegen, richtig und wichtig, aber sie decken nur einen Teil des Ganzen ab.