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Ansonsten erinnert mich vieles an Tschechoslowakei 1938.
LG, Micha
Interessanterweise wird diese Assoziation in Teilen der polnischen Bevölkerung auch gezogen, wie ich durch Zufall mitbekommen habe.
Lieber Holger,
ich schätze Dich sehr, aber eine Kriegsgefahr ist mir zu ernst, um darüber zu wetten. Das kommt mir makaber vor.
Nun, dem kann ich mich irgendwie anschließen.
Trotzdem will ich meine paar Cent - oder mein bißchen Senf - auch mit dazu beitragen, weil ich sehe, dass es die Gemüter hier im Forum bewegt.
Lieber Holger, ich kann Deine Verunsicherung verstehen, so schwingen bei den Themen Krim und Donbaz natürlich die etwas ähnlich gelagerten Ängste in puncto Taiwan mit, wo Du ja lebst. Auch da gibt es ein gewisses Klirren von Säbeln, das scheinbar in letzter Zeit lauter wird. Wenn Russland erfolgreich Gebietsansprüche verteidigen kann, dann fühlt sich Festlandschina vielleicht auch ermutigt, die Taiwanfrage für sich positiv in Angriff zu nehmen. Mit Hongkong scheint ja auch alles bestens zu verlaufen aus der Sicht von Peking, wenn dann die Nato sich rund um die Ukraine konzentriert, dann schlägt Peking in den Süd- und Ostchinesischen Meeren vielleicht nicht mehr so viel Gegenwind ins Gesicht. Nicht zuletzt wäre die Hauptinsel Taiwan sehr lukrativ aus festlandschinesischer Sicht, denn dann hätte Peking fast alle weltweiten IT-relevanten Basiskapazitäten unter der eigenen Kontrolle.
Ich glaube, die Hauptinsel Taiwan fällt nicht so schnell, wie andernorts auf der Welt die längst überfälligen Ersatzstrukturen für die Kernkompetenzen der Chipproduktionen aufgebaut werden. Denke ich jedenfalls.
Aber klar, die Lage ist verzwickt, und Deine Sorge, Holger, verstehe ich, gerade was jetzt auch die Lage im Umfeld der Ukraine angeht - sozusagen als Blaupause.
Mal ehrlich, so ganz von der Hand zu weisen sind die Argumente, die Doppelrocks zitierter 'Journalist' aufzählt, nicht - jedenfalls nicht gänzlich.
Und das 'Säbelrasseln' ist ja nicht nur auf russischer Seite zu vernehmen, im Grunde zieht da das Rasseln in der Ukraine und in den befreundeten Hinterländern ja ebenso auf - da hatte Putins Freund Altkanzler Schröder schon ein bisschen Recht, auch wenn sein "Säbelrasseln in der Ukraine" natürlich höchst einseitig dargestellt war.
Aber ja, man kann sich durchaus vorstellen, dass Russland sich zusehends eingekreist sieht von den Tentakeln der Nato. Nicht zuletzt scheinen ja Schweden und Finnland zunehmend der Nato zugeneigt sein. Nicht ganz unverständlich ist es, wenn Russland gewisse Sicherheitszusagen 'dem Westen' abringen möchte.
Ganz wichtig dabei ist natürlich, den Einfluss im Donbass zu stärken und mindestens ebenso wichtig die Krim als russisch zu zementieren.
Die Krim ist das 'mediterrane' Russland, ein Idyll, sowas wie das Mallorca für Deutschland (außer, dass Mallorca noch nicht annektiert wurde, da hätten aber auch die Engländer was dagegen). Der Krimsekt ist Identität für die reichen Russen. Und mit der Krim schwingt auch Russlands Volksseele mit; die Krimhauptstadt Sewastopol ist sowas wie eine Hauptschlagader in der Russischen Geschichtsbildung - ein Symbol mit patriotischer, ja heiliger Strahlkraft.
Daneben ist nicht zu vergessen, dass die Krim ein wichtiger geopolitischer Faktor für Russland ist. Die Erdölvorkommen sind das Eine, die Absicherung der Meerenge, der Übergang vom Asowschen Meer zum Schwarzen Haupt-Meer ist das entscheidend Andere.
Nicht zuletzt ist die Krim eben ein wichtiger strategischer Vorposten für den russischen Zugang zum Mittelmeer. Nicht umsonst engagiert sich Russland z.B. auch in Syrien. Nicht umsonst taktiert es mit der Türkei und bringt da ganz im Sinne von "teile und herrsche!" recht erfolgreich Spannungen in das Reich der Nato ein.
Aber dieses Prinzip "teile und herrsche!" verfolgt Russland in Eigeninteresse ja vielfach - bis hin zu großangelegten Desinformationskampanien, um Spalten in die Gesellschaften zu treiben, in die Nato und in solche Gebilde wie die EU. Das wird auf den Gegenseiten vielleicht auch nicht so völlig anders sein.
Insofern eignet sich Nordstream 2 (NS2, in Deutschland verständlicherweise als Abkürzung verpönt) wunderbar, um Zwietracht in die Bündnisse zu bringen.
Und es wird nicht Biden sein, der das Säbelrasseln in der Ukraine-Region anzettelte, sondern Putin, um eben die Keile in Partnerschaften zu treiben, nicht zuletzt auch in innerdeutsche Partnerschaften - da spielte es Putin in die Hand, dass die Deutschen einer Großen Koalition überdrüssig waren und nun ein seltsam gestricktes Konstrukt zur Regierung gelang.
Ja, ich bin überzeugt, NS2 ist der eigentliche Anlass für das Muskelspiel rund um die Ukraine. Gleich mehrfach, denn die Ukrainer fühlen sich ja auch verschaukelt, weil ihnen wichtige Durchleitungstantiemen für das Erdgas Richtung Deutschland verloren gehen. Dabei hatte Deutschland - oder das 'privatwitschaftliche Projekt' NS2 - ja in besten Absichten gerade von solchen Unsicherheitsfaktoren wie Ukraine oder anderen Durchelitungsländern unabhängig machen, indem es direkt von Russland das bitter benötigte Gas bezieht.
Und ausgerechnet jetzt bringt damit die Ukraine nun doch wie der Deutschland ins Schwitzen. Und nicht nur Deutschland. Schon der in besten Absichten 'humanitär' gemeinte Verzicht von Gas aus Fracking-Gewinnung sprach umso mehr dafür, sich weiterhin in Abhängigkeit von Russlands Erdgaslieferungen zu begeben, was die dank Fracking neuerstandene Gas-Nation USA natürlich fuchst. Und die gut gemeinte Maxime 'Wandel durch Handel', die im Grunde ja Sinn macht, aber an Beispiel China deutlich ist, dass das nicht immer erfolgreich ist, ja, dieses fast treudoof überhöhte Paradigma 'Wandel durch Handel' ist zwar in der Lage, politische Spannungen in Schach zu halten, macht aber eben auch erpressbar. Und diesen Druck (Erpressung, Expresso - hat alles mit Druck zu tun), diesen Druck übt nun Russland auf die Ukraine aus und bringt nun - meiner Meinung nach - NS2 zu einem hochgradigen Politikum, das die gesamte Weltordnung ins Wanken bringt.
Ich denke, der Konflikt wird jetzt heisser gekocht als er gegessen wird. Dennoch lässt sich da die Nato vor allem auch durch Wortführer USA sich nervös in ein Spiel der Kriegstreiberei drängen, wo am Ende jede Seite behaupten kann: "Die warn´s!"
Fest steht, Russland wird sich die Krim nicht nehmen lassen. Der Donbass wird für Russland auch nicht verhandelbar sein. Denn über den abgesicherte Verlängerung des Wolga-Don-Kanals sichert sich so Russland schon mal einen brauchbaren schiffbaren Übergang zwischen Ostsee und Schwarzmeer - mit Hilfe der Türken auch noch bis zum Mittelmeer.
Weitere Ansprüche an die Ukraine werden sicherlich in größerem zeitlichen Abstand auch noch kommen, als erstes wahrscheinlich mit der Oblast Cherson, später auch Kiew, dann Teile von Polen. Aber das wird noch ein ganz gutes Stück dauern, denn zuvor wird doch noch die Europäische Union gebraucht, um schon mal den Weichsel-Bug-Dnepr-Kanal bauen (Wasserstraße E40), um dann einen viel lukrativeren Weg zwischen Ostsee und Schwarzmeer zu haben. Russlands Freunde in Belarus sind da ja schon mit involviert in das Projekt. Aber darum wird sich dann Putins Nachfolger schon kümmern, das wird sich bis 2060 hinziehen.
Ich denke, jetzt wird es erstmal um die Zementierung des Krim-Status gehen und klarere Fakten im Donbass zu schaffen. Solange wird der Gashahn für NS2 von Russlands Seite zugedreht bleiben, aber rechtzeitig geöffnet werden, ehe sich Deutschland doch noch einen Ruck gibt und Fracking-Gas bezieht.
Und derweil kauft sich China weiter unterschwellig weltweit in alle Transportstrukturen ein, um jenseits von territorialen Ansprüchen die Kontrolle über lebenswichtige Wirtschaftsadern auszubauen.