Okay Micha,
das wäre dann eine Veränderung nicht in Richtung Auflösung, sondern für mehr Vielfalt. Also so ähnlich wie es jüngst an anderer Stelle für die Bugis auf Sulawesi beschrieben wurde, die sogar 5 Gender haben.
Das klingt logisch.
Nein, wer in unserer Gesellschaft unter der Bipolarität leidet, der entledigt sich den bipolaren Normen, sofern diese Person die Kraft dazu aufbringt. Mit mehr Toleranz strebt unsere Gesellschaft der Aufhebung der Bipolarität zu, wobei es immer noch genügend sich bipolar einordnende Menschen geben wird, aber die Zwischenstufen dazwischen (vielleicht sogar 'multidimensional') fliessend sind. Das Aufheben von normativen Rollenerwartungen geht mehr in Richtung einer Vielzahl von Gendern mit unscharfen Übergängen (à la 72 Geschlechter bei Facebook, oder wo das war und wieviele das waren).
Die Bugi von Sulawesi sind für hiesige Menschen mit geschwächter Bipolarität allenfalls ein Beispiel, wenn diese Menschen in unserer Gesellschaft nicht die Kraft aufbringen können, sich von der Bipolarität zu lösen, um sich auf den Weg hinein ins Genderspekrtum zu machen.
Wenn ich recht verstanden habe, sind bei den Bugi de facto noch immer nur 2 Gender wirksam, lediglich mit dem Unterschied, dass diese beiden Gender nicht an das biologische Geschlecht gebunden sind. Das weckt für bipolar erzogene Europäer den Traum der Wahlfreiheit, ob ich als Mann oder als Frau leben will. Ich weiß allerdings nichts darüber, wer das nun bei den Bugi bestimmt - bestimmt man das selber oder wird man da sonstwie in diese Rolle hineingedrängt? Wünschenswert wäre in unseren Träumen natürlich die Selbstbestimmung. Aber auch hier wäre der Weg nicht frei, dass man
als Mann lebender Mensch sich nicht frei der Sujets der
als Frau lebenden Menschen aneignen kann - auf uns übertragen, hätten also die 5 Gender der Bugi noch immer keinen Platz für den europäischen Rock am als Mann lebenden europäischen Menschen.
Achja, der/die/das 5. Gender - bisher sprach ich ja nur von 4 - das 5. Gender käme vielleicht in den Zwischenbereich zwischen männlicher Rollenerwartung und weiblicher Rollenerwartung. Das 5. Gender ist bei den Bugi also neutral - und vereint alles, was im Spektrum zwischen Mann und Frau als Rollenentwurf anzusiedeln wäre. Soweit ich verstanden habe, ist jenes neutrale Gender aber eher die Ausnahme und an spirituelle Aufgaben geknüpft. Inwieweit hier Wahlfreiheit für 'die Betroffenen' herrscht, ist mir gänzlich unbekannt. Allerdings scheint dieses neutrale Gender der Bugi nicht einzuschließen, dass man sich einen Lebenspartner seiner Wahl suchen kann - insofern passt das neutrale Gender der Bugi auch nicht in die breite Lücke zwischen Mann-Rolle und Frau-Rolle.
So eine Art neutrales Gender gibt es ja auch bei uns - jedenfalls in der katholischen Kirche. Da sind ja
die Priester und
die Personen im Weihegrad aufwärts eigentlich für die Rolle eines Neutrums vorgesehen - wie gut es klappt, sehen wir ja - bis hin, dass Priester letztlich ja doch wieder Hosen tragen unter ihren Kutten. Ja, und auch Mönche und Nonnen sind nicht ganz frei von der Bipolarität in unserer hiesigen Gesellschaft. Ganz richtig, Micha.
Kurzum Holger, wenn sich in unserer 'westlichen' Gesellschaft etwas tut, dann ist es nicht vergleichbar mit den Bugi, dann ist es bei uns wirklich ein viel freieres Modell, auch wenn manchereiner von uns sich die 5 Gender der Bugi vielleicht lieber wünschen würde.