Hallo!
Für mich klingt es wenn Menschen sagen "sie müssen das Wort Gottes vertreten" so, als würden sie es Gott nicht zutrauen die Sache selber zu regeln...
Naja, manche Christen sehen sich als Stellvertreter Gottes auf Erden. Deswegen sind sie ungehalten, wenn Leute sich abweichend verhalten. Was mich irritiert ist, dass kundige Bibelexperten zu unterschiedlichen Interpretationen kommen, wo es meines Erachtens nur eine Gottesmeinung geben kann, und jeder seine Interpretation für die einzig maßgebliche hält.
Oh, lieber Holger, da denkst Du fundamentalistisch.
Ich habe gestern eine schöne Erklärung dazu gelesen und zwar von einem Mann, dem ich die so nicht zugetraut hätte:
"Für einen analytisch denkenden Philosophen wie mich, der sich um begriffliche Klarheit bemüht, ist die fehlende Stringenz theologischer Denkweisen einigermaßen verstörend. Daher habe ich früher viel Zeit damit verbracht, die offenkundige Beliebigkeit theologischer Argumentationsmuster zu kritisieren, bis ich endlich begriff, dass es darum gar nicht geht. Theologen lesen ihre 'heiligen Schriften' nunmal nicht als
Sachbuchtexte, aus denen man eindeutige Aussagen ableiten könnte, sondern viel mehr eher als
expressionistische Gedichte, die erst in der Interpretation des Betrachters Sinn ergeben."
Michael Schmidt-Salomon. Die Grenzen der Toleranz. Warum wie die offene Gesellschaft verteidigen müssen. München, Berlin 2. Aufl. 2016 (Piper), S. 50.
Fundamentalisten dagegen lesen sie als Sachbuchtexte, denen man eindeutige Aussagen entnehmen kann.
Gott sich als jemanden zu denken, der eine Meinung habe, ist auch sehr anthropomorph. Gott sich als Geheimnis zu denken, das es situationsgemäß zu entschlüsseln gilt, entspricht mir zumindest mehr.
LG, Micha