Es wäre also durchaus möglich, dass das Bühnenoutfit nur mit Show, Beruf und Karriere verbunden wird, wenn der Auftritt bei Interviews weiterhin unauffällig oder neutral ist.
Ich denke, alle teilnehmenden Künstler des ESC werden für spätere Interviews oder gar im Privatleben eher weniger auffällige Aufmachungen tragen als bei der Präsentation auf der Bühne.
Und natürlich war das Bühnenoutfit von Nemo eine überzeichnete Inszenierung der Botschaft. Aber ich denke, die Botschaft wird schon eine sein, die Nemo auch privat am Herzen liegt. Es wäre nicht unmöglich, aber dann eine geniale Geschäftsidee, wenn seine Eltern und die Entourage ihrer Denkfabriken nur eine non-binäre Figur zur Show erschaffen hätten, um maximalen Erfolg aus dem Zeitgeist zu erzielen.
Würde er also von den normalen Männern so wie er angezogen ist und wie er sich verhält als normaler Mann anerkannt, bräuchte er nicht nonbinär zu sein. Oder?
Das wage ich jetzt nicht wirklich zu behaupten, da mir nicht vollumfänglich bekannt ist, was man, was er, mit Nonbinär alles verbindet.
Aber, es ist derzeit sicher der einfachere und bequemer Weg zu sagen, "Ich bin Enby, ich darf das!", als als Mann seine Rolle zu erweitern, wie wir das machen.
So sehe ich das auch.
Der non-binäre Weg ist sicher auch kein gänzlich hemmschwellen-freier. Für die, die sich trauen, ist es ein relativ kleiner Schritt.
Für die, die sich nicht trauen, sich non-binär oder queer zu deklarieren, oder es nicht wollen, ist es ein größerer Schritt, die Rollenunabhängigkeit zu begehen. Hier ist die Hemmschwelle deutlich größer.
Aber die, die sich davon noch immer hemmen lassen, müssen erreicht werden mit der Botschaft, dass es geht und dass es befreiend ist. "Männer machen das halt heute, auch wenn sie es früher nicht gemacht haben", könnte die Message sein. Leider mangelt es an Vorbildern. So ein bisschen sind viele von uns hier so ein bisschen gegenseitig Vorbilder oder - weniger pathetisch - Katalysatoren.
Wir müssen halt das enge Männerbild ein wenig aufbrechen, besonders unser eigenes, und sagen:
"Ich darf das, obwohl ich Mann bin!"