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Röcke und mehr... => Erfahrungsberichte => Thema gestartet von: Yoshi am 31.03.2024 15:50

Titel: Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 31.03.2024 15:50
Ich trage nun schon seit gut einem Jahr Röcke in der Öffentlichkeit. Doch wie bei jedem von uns, war es ein langer Prozess, und zwar ein jahrzehntelanger Prozess, der seine unterschiedlichen Stationen und Hindernisse zum endgültigen "Coming-Out" als männlicher Rockträger hatte. Die letzten Tage musste ich aufgrund meines "Jubiläums" über einige Schlüsselerlebnisse in meinen 33 Jahren Lebenszeit sinnieren und mein erste Erinnerung führt uns zurück in die frühen 1990er-Jahre.

Mein Bedürfnis Röcke zu tragen, ist bei mir schon in sehr frühem Kindesalter angelegt gewesen. Bereits im Alter von ungefähr vier, fünf Jahren beneidete ich das erste Mal die Mädchen in meinem Kindergarten für ihre Röcke. Ich wollte kein Mädchen sein, aber ich hatte großes Interesse an diesem Kleidungsstück. In meinem Kindergarten habe ich allerdings nie einen Rock aus der Verkleidungskiste angezogen. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Meine erste Erinnerung ist ein Faschingskostüm als römischer Soldat im Grundschulalter. Während der Kindergartenzeit lagen dem Interesse demnach keine Komfortgründe zugrunde, sondern meine Begierde war rein ästhetischer Natur.

Mir war damals schon bewusst, dass in meinem Umfeld nur kleine Mädchen und ältere Damen Röcke trugen. Kinder nehmen schließlich ganz genau wahr, wie der status quo in ihrer Umgebung ist. Männer in Röcken kannte ich nämlich nur aus dem Fernsehen (Mac Moneysac von den DuckTales oder die Römer bei Asterix & Obelix) sowie vom Gottesdienst in der Kirche (Pfarrer und Ministranten). Bei Frauen im Alter meiner Mutter sah man eigentlich fast ausschließlich Hosen und speziell meine Mutter habe ich bis heute fast nur in Hosen gesehen, weil sie Röcke und Kleider hasst und sich nur zu Hochzeiten und Beerdigungen lamentierend "gezwungen" fühlt, sowas zu tragen. Damals sah ich fast nur kleine Mädchen Röcke und Kleider tragen, weil ihre Mütter es wahrscheinlich niedlich und süß fanden. Ältere Damen im Rentenalter trugen hingegen aus konservativer Überzeugung keine Hosen, denn wir sprechen hier von den frühen 90ern. Ich kann mich noch an eine Bekannte erinnern, die damals bestimmt schon über achtzig Jahre alt war und die ich nur in schwarzen Röcken und Kleidern kannte. Sie lehnte Hosen für Frauen im Allgemeinen ab und trug dank katholischem Glaubens ausnahmslos schwarz, weil sie bei jedem verstorbenen Verwandten ein Jahr lang Trauerkleidung anzog und zu diesem Zeitpunkt altersbedingt viele starben. Sie war wohl nicht die Einzige, denn in meinem Heimatort sah ich viele Damen ihres Alters nie in einer Hose. Zurück zu mir: Mein Bewusstsein für diese Umstände ließ mich etwas vorsichtiger sein. Ich war damals schon ein ziemlich cleveres Kind und wollte natürlich nicht direkt sagen: "Mama, ich möchte einen Rock tragen.", sondern versuchte es durch die Blume.

Eines Morgens saß ich mit vielleicht fünf oder sechs Jahren am Frühstückstisch mit meiner Mutter und meiner drei Jahre jüngeren Schwester. Ich weiß gar nicht mehr, was der Aufhänger für das Gespräch war. Vermutlich erzählte meine Schwester von einer Freundin, die einen Rock trug, aber das kann ich nach so vielen Jahrzehnten nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls fragte ich meine Mutter: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?" Meine Mutter, die ein sehr konservatives Weltbild hat und bis heute sehr reaktionäre Ansichten pflegt, sagte wie aus der Pistole geschossen: "Jungen tragen keine Röcke! Jungen tragen Hosen!" Natürlich rechnete ich schon mit so einer Antwort, aber ich war doch sehr verwundert über diese bestimmte Vehemenz und implizierte Ablehnung, die in ihren Worten lag. Sie fügte dem hinzu: "Röcke sind Mädchenkleidung! Hosen sind Jungenkleidung!" Diese Aussage irritierte mich noch mehr, denn vor mir saßen schließlich zwei Personen, die offensichtlich weder Männer noch Jungen waren, aber trotzdem selbstverständlich Hosen trugen. Demnach erschienen mir diese Schlussfolgerungen nicht logisch, auch wenn ich das damals noch nicht so benennen konnte. Deshalb hakte ich nach: "Wieso trägst du dann eine Hose? Und wieso trägt meine Schwester eine Hose? Ihr seid doch Mädchen?!" Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass meine Kinderlogik plausibler war als die konservative Meinung meiner Mutter, die aber nur lapidar entgegnete: "Mädchen dürfen beides! Jungen nur Hosen!" Diese Doppelmoral führte aber nur zu drei großen Fragezeichen über meinen Kopf. Bei Kindern ist ja der Gerechtigkeitssinn ziemlich stark ausgeprägt und ich empfand es einfach nur als unfair, dass die Mädchen mehr durften als die Jungen. Doch als Kind glaubt man, dass es für alles eine feste Regel geben muss und auch die Erwachsenen alles zu wissen scheinen. Meine Neugierde und Wissbegier ließ mich deshalb nach dem "Warum?" fragen. Meine Mutter sagte zu meiner großen Enttäuschung aber nur: "Das ist halt so!" Sie machte sich keine Mühe, mir eine Erklärung zu geben und mal ansatzweise darüber nachzudenken. Diese Antwort hörte ich leider öfter als Kind und ich hasste diesen Satz, weil meine Eltern und Verwandten ihn meist nutzten, wenn sie nicht weiter wussten. In dieser Aussage steckte aber noch eine ganz andere Botschaft, und zwar "Ende der Diskussion!", wodurch das hierarchische Machtverhältnis und Ungleichgewicht zwischen Erwachsenem und Kind auf eine solch autoritäre Art und Weise demonstriert wurde.

Meine Schwester, die vielleicht zwei oder drei Jahre alt war, klinkte sich zu meiner Überraschung in das Gespräch ein. "Ich habe schon mal einen Jungen im Kleid gesehen.", sagte sie voller Stolz. Ob das wirklich der Realität entsprach, wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich war es eher dieses Aufmerksamkeit erheischende Phantasieren von Kindern, die mit Sensation verlautbaren, dass sie etwas gesehen oder erlebt haben, bei dem das Gegenüber nicht dabei war, und dadurch als besonders gelten wollen. Vielleicht hatte sie aber wirklich schon mal einen Jungen im Kleid gesehen, der sich aus der Verkleidungskiste im Kindergarten bedient hatte. Meine Mutter reagierte jedenfalls sehr emotional: "Das sah bestimmt blöd aus!" Sie erhoffte sich wohl, dass meine Schwester ihr zustimmen würde, doch die sagte nur: "Das sah lustig aus." Als Kleinkind konnte sie natürlich nicht verstehen, dass meine Mutter der Thematik, aufgrund einer konservativen Moralvorstellung, ablehnend gegenüberstand. Für meine Schwester war es womöglich nur eine Skurrilität, weil ein Junge im Kleid von ihren bisherigen Sehgewohnheiten abwich. Meine Mutter wollte aber unbedingt eine Bestätigung von meiner Schwester hören und hakte nochmal nach: "Das sieht doch bescheuert aus! Jungen in Kleidern sind doch hässlich, oder?!" Dies verdutzte meine Schwester, die bis zu diesem Zeitpunkt sehr stolz und fröhlich von dem Jungen erzählte und sie stieß ein halbherziges "Ja." heraus. Wahrscheinlich stimmte sie zu, weil sie nichts falsches sagen oder keinen Ärger bekommen wollte.

Ich war im Nachhinein froh, dass ich es auf so subtile Weise angesprochen habe und nicht mit der Tür ins Haus fiel. Das hat mir einigen Ärger erspart. Vielleicht ahnte meine Mutter, dass ich einen Rock tragen wollte. Mit dieser Herangehensweise hätte ich mich aber gut rausreden können, dass ich ja keine Röcke tragen möchte, sondern nur aus Neugierde gefragt habe. Für einen Fünfjährigen war das alles schon ziemlich clever.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: cephalus am 31.03.2024 19:20
Hallo Yoshi,
da stellt sich mir die Frage, wie deine Mutter heute reagiert.

Ich habe als Kind, so mit etwa 8 Jahren ein paar Mal einen Rock getragen, den von einer Freundin, die immer Kleider und Röcke tragen musste, sie aber hasste. So haben wir einfach getauscht, und uns dazu eine Rahmengeschichte ausgedacht.
Das Ganze wurde recht schnell von meiner Mutter unterbunden, für die alles, was nicht der toxischen Maskulinität entsprach, ein Rotes Tuch war.

Sowas wie schwul, trans*, lgbt* usw. hätte sie nicht mal ausgesprochen, sondern sich eher bekreuzigt.

Auch wenn meine Mutter seit fast 40 Jahren tot ist, hat mich diese Prägung noch lange verfolgt.
Manches was ich in meinem Leben gemacht oder erdacht habe, war erst mit der "Befreiung" durch ihren Tod möglich, auch wenn wir eigentlich ein gutes Verhältnis hatten.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 01.04.2024 00:30
Lieber Cephalus,

sie und mein Vater werden damit sicherlich Probleme haben. Bisher sahen sie mich nicht im Rock, weil ich keine Lust auf Diskussionen habe. Die Reaktion auf meinen Nagellack hat mir schon ausgereicht. Meine Mutter lachte höhnisch und prustete abfällig ("Pffff...."). Beim nächsten Mal fragte sie mich: "Wieso machst du dir die Nägel? Das machen doch nur Schwule?"

Meine Eltern sind beide queerfeindlich, aber haben auch andere Vorurteile gegenüber Migranten, Ausländer jeder Nationalität (selbst gegen Österreicher), Muslime, Vegetarier, Juden, People of Colour, Grüne, Linke, Rocker, Ostdeutsche etc. Eigentlich gegen Alles, was nicht ihrem CDU-geprägten Weltbild der 70er entspricht! Sie sind in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen und ich vergleiche sie gerne mit Alfred und Else Tetzlaff aus "Ein Herz und eine Seele". Über Daniel Küblböck sagte mein Vater damals: "Der ist ja nicht nur schwul, sondern er gibt es ja auch noch offen zu. Die sind bi und schämen sich nicht mal dafür." Zu Harald Glööckler sagte er: "Ich könnte kotzen, wenn ich den schon sehe. Dem könnte ich grad mal in seine hässliche Fresse schlagen." Aus diesem Grund äußerte er sich auch des Öfteren abfällig über Hape Kerkeling, Alfred Biolek oder Patrick Lindner.

Als Jugendlicher wollte ich meine Haare blond färben und einen Ohrring haben, weil ich David Beckham so cool fand. Sie haben es mir verboten, weil ich dann wie ein Mädchen aussehen würde und sie keinen "Schwuli" wollen. In den darauffolgenden Monaten bekam ich ständig Fragen, ob ich schwul sei oder mich als Frau fühle. Zur gleichen Zeit kaufte ich mir zwei rosa Oberteile (ein T-Shirt und ein Polohemd), die meine Mutter vor meinen Augen wegwarf: "Ich möchte nicht, dass du sowas trägst. Die Leute sollen nicht denken, dass du schwul bist."

Ich kann mich auch an zwei Situationen von Männern in Röcken erinnern, die meine Mutter damals sehr abwertend kommentierte. Einmal betrat ein Mann in einem Kleid und Sonnenhut die S-Bahn. Meine Mutter machte einen lauten schockierten Seufzer und rief für alle hörbar durch das Abteil: "Hast du gesehen? Der Mann trug Frauenkleider." Meine Mutter kennt da kein Schamgefühl. Beispielsweise sagte sie mal ganz laut zu mir, als zwei tätowierte junge Frauen vor uns in der Schlange standen: "So Tätowierte sind schon widerlich. Das sind so schöne junge Mädchen und dann müssen die sich so verunstalten wie die Asozialen." Die beiden drehten sich um, schauten uns böse an und ich wäre gerne im Erdboden versunken.

Die andere Situation war ein Bekannter meines Onkels, der an Fasching als Frau verkleidet war. Meine Tante und meine Mutter lästerten sehr übel über diesen Mann. Ein Mann, der sich so verkleidet, der muss ein Perverser sein. Sowas sei keine Verkleidung, sondern das Ausleben eines Fetischs. Es sei ekelhaft, dass er seine Neigung in die Öffentlichkeit trägt. Wenn jemand sowas als Verkleidung anzieht, dann zieht er das auch gerne privat in den eigenen vier Wänden an und holt sich darauf einen runter.

Es ist offensichtlich, dass das zu großen Problemen führen würde. Ich hatte beruflich schon viel um die Ohren, da wollte ich mir das privat nicht auch noch antun. Wenn sie es erfahren, dann ist es halt so, aber ich brauche es nicht von mir aus forcieren. Da ziehe ich lieber ein biederes Outfit aus Jeans und Hoodie an und habe meine Ruhe. Ich sehe sie eh selten im Jahr und sie wohnen glücklicherweise etwas weiter weg.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: MAS am 01.04.2024 01:22
Ich weiß nicht, wie ich mit solchen Eltern verfahren würde. Sicher hätte mein Vater es auch nicht gutgeheißen, aber den konnte ich nicht mehr fragen. Aber meine Mutter verteidigte mich noch im Altenheim gegen kritische Anmerkrungen anderer Mitbewohnerinnen. Sie hatte ja von Anfang an nichts dagegen, dass Männer auch Röcke tragen, aber nicht ihr Sohn, Und als ich frage, ob ihr Sohn weniger Rechte habe als andere Männer, lenkte sie sofort ein und unterstützte mich.

Aber Yoschi, ich kann verstehen, dass Du die ansonsten anscheinend gute Beziehung zu Deinen Elltern nicht durch eine Konfrontation belasten willst. Niemand kann so leicht aus seiner Haut.

Aber vielleicht kommt es doch mal dazu, vielleicht gar nicht, wenn es um Röcke geht, sondern um eines der vielen anderen Feindbilder Deiner Eltern.

LG, Micha
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: cephalus am 01.04.2024 02:10
Hi Yoshi,
Ich kann Deine Situation zu 100% nachvollziehen, das klingt  genau nach meiner Mutter, zumindest wenn sie sich nicht geändert hätte,  bis heute.

Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 01.04.2024 02:53
Als wirklich gut würde ich die Beziehung nicht beschreiben, aber es wäre auch unangemessen sie als schlecht zu bezeichnen. Ich habe den Kontakt jedenfalls auf ein Minimum reduziert und fahre damit eigentlich ganz gut. Wir sehen uns meist nur alle paar Monate zu Geburtstagen, Weihnachten oder Ostern und telefonieren gelegentlich an Wochenenden. Die räumliche Distanz gibt mir da auch mehr Freiheiten. Es gab in der Vergangenheit schon unzählige Diskussionen bezüglich ihrer Feindbilder und leider driften die Gespräche sehr schnell in diese Richtung ab. Dadurch empfinde ich Familientreffen sehr oft als belastend für mich. Ich kann bei sowas aber auch nicht meinen Mund halten und das unkommentiert lassen. Das hat mich schon viele Nerven gekostet. Das Meiden der Röcke in ihrer Gegenwart ist deshalb eigentlich nur reiner Selbstschutz, weil sie es eh nicht verstehen werden und es nur unnötigen Stress geben würde. Meiner freien Selbstentfaltung tut das keinen großen Abbruch, wenn ich mal für ein paar Stunden im Restaurant auf bestimmte Kleidungsstücke und Farben an mir verzichte. Es ist nämlich die einzige modische Einschränkung, die ich mir in meinem Leben setze und die macht einen verschwindend geringen Anteil an meinem Alltags aus. Es sind demnach rein pragmatische Gründe der Konfliktvermeidung. Leider sind unsere Treffen in meinen Augen oftmals mehr "Pflichterfüllung" als wirkliche Freude meinerseits.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Holger Haehle am 01.04.2024 04:28
Yoshi, mir gefällt die Einlage mit deiner Schwester, die sich verdutzt gab, als deine Mutter fragte, ob der Junge im Kleid nicht doof ausgesehen habe.

Die Argumentation deiner Mutter ist verbreitet. Meine Oma fand Hosen für Frauen auch schrecklich, weil die nur Männern stehen würden. Frauen in Hosen, so sagte sie in den 60er Jahren, sähen wie gerupfte Hühner aus. Diese Einstellung war für mich sogar nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass damals noch haüfig Unterkleider und Petticoats getragen wurden, die dem Rock mehr Volumen gaben.

Andererseits, was hätte deine Mutter auch sonst sagen können. Wir befolgen Regeln, weil es sie gibt. Der tiefere Grund, dass die Kleiderordnung in dieser Form eine patriarchal, hierarchische Ordnung nach außen sichtbar markiert, die mit geschlechtsspezifischen Rechten und Pflichten und Privilegien einhergeht, würde sonst mindestens Stirnrunzeln auslösen.

Ich bin mir sicher, dass sehr sehr viele Jungen, vielleicht sogar fast alle Kleider reizvoll fanden, weil die so schön fliegen. Die meisten Jungs haben sich aber erst gar nicht getraut es zu versuchen. Wenn wir uns auf dem Dachboden verkleideten, war ich der einzige Junge, der das tat. Auf die Straße durfte ich so aber nicht. Die Mädchen hingegen spielten sogar in Mamas Heels und Opas Anzügen mit Krawatte HInkePinke auf der Straße.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Skirtedman am 01.04.2024 04:45
Als wirklich gut würde ich die Beziehung nicht beschreiben, aber es wäre auch unangemessen sie als schlecht zu bezeichnen. Ich habe den Kontakt jedenfalls auf ein Minimum reduziert...
Leider sind unsere Treffen in meinen Augen oftmals mehr "Pflichterfüllung" als wirkliche Freude meinerseits.

Und das kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen.
Eigentlich sollte es Freude machen, im Kreise seiner Familie sich aufzuhalten, wenn solche Begegnungen aber nur noch zu Pflichtveranstaltungen verkommen, dann ist da eine gemeinsame Basis zerstört.
Es fällt Eltern oftmals schwer zu akzeptieren, dass Leben in die Welt zu setzen nicht bedeutet, seine eigene Traumwelt Fleisch werden zu lassen, sondern dass neues Leben bedeutet, ein Eigenleben zu schaffen, das ein eigenes Leben realisiert mit eigenen Bedürfnissen, die notwendigerweise von den Vorstellungen der Eltern abweichen werden. Leben bedeutet Veränderung. Ohne Selbstentfaltung kann der Nachwuchs nicht optimal auf die Lebensbedingungen reagieren.

Eigentlich müssten Eltern die Kinder dazu führen, selbstbestimmt ihr Leben zu ermöglichen. Und eben die Kinder wertschätzen dafür, dass sie ihr eigenes Leben im Griff haben.
Stattdessen lieben Eltern ihre Kinder oft nur, wenn sie die Wünsche und Vorstellungen der Eltern verkörpern und sie merken gar nicht, wie sehr sie damit die Kinder einschränken, das Leben in den Griff zu bekommen.

Die Eltern tun sich damit selbst absolut keinen Gefallen - entweder sie verhindern die Selbstentfaltung der Kinder und somit das erfolgreiche Leben der Kinder,
oder es führt bestenfalls dazu, dass es zu einem gewaltigen Bruch kommt zwischen Kindern und Eltern.

Leben bedeutet Veränderung. Was schon "immer so war", unterliegt zwangsläufig Veränderung. Meist unterlagen restriktive Eltern ebenso den restriktiven Vorstellungen derer Eltern. Es wäre eine interessante Reise für Kinder, also auch für Dich Yoschi, die Eltern zu befragen, welche eigenen Wünsche zu realisieren ihnen verhindert wurden, und wo die Eltern die Vorstellungswelt von deren Eltern nicht 1:1 umgesetzt haben.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: chris-s am 01.04.2024 17:31

Es ist offensichtlich, dass das zu großen Problemen führen würde. .... Da ziehe ich lieber ein biederes Outfit aus Jeans und Hoodie an und habe meine Ruhe.
Kenn ich - leider.
Meine Mutter sah mal ein Bild von mir mit Rock und zog sofort sämtliche Register. Sie selbst hatte nur noch Hosen in sämtlichen Beigetönen. Wenn ich nur mal mit einer etwas farbigeren Hose (rot oder gedecktes gelb) bei ihr auftauchte, war das schon ein Thema. Traurig, aber leider wahr.

Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Skirtedman am 01.04.2024 18:09
Für manche ist Emanzipation halt eben doch eine Einbahnstraße.

Und drauf angesprochen, ist die unumstößlich fundierte Begründung dafür: "Das ist ja was Anderes!"

Mögen einige von denen noch so tolerant sein, aber im engsten Umfeld ist dann aber doch Schluss mit Toleranz.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: high4all am 01.04.2024 18:52
Mir fällt auf, dass Väter in den Beiträgen nicht auftauchen. Höchstens als Teil von Eltern.

Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: cephalus am 01.04.2024 19:09
Stimmt.
Warum?

In meinem Fall, aus zwei Gründen: Unser Familienmodell war sehr traditionell und mein Vater hat sich grundsätzlich nicht in interne Themen,  Haushalt und Kindererziehung eingemischt.
Zum anderen war er wesentlich toleranter, und progressiver, und "was sollen die Leute denken" war nie sein Thema.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 01.04.2024 19:40
Bei mir schon. Es finden sich in meinem Text auch queerfeindliche Zitate meines Vaters, die ich als solche gekennzeichnet habe. Meine Eltern geben sich da nicht viel an Vorurteilen.

Über Daniel Küblböck sagte mein Vater damals: "Der ist ja nicht nur schwul, sondern er gibt es ja auch noch offen zu. Die sind bi und schämen sich nicht mal dafür." Zu Harald Glööckler sagte er: "Ich könnte kotzen, wenn ich den schon sehe. Dem könnte ich grad mal in seine hässliche Fresse schlagen." Aus diesem Grund äußerte er sich auch des Öfteren abfällig über Hape Kerkeling, Alfred Biolek oder Patrick Lindner.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: JoHa am 01.04.2024 23:50
Es ging nicht um Röcke für Männer, sondern um Offenheit und Toleranz. Mein Vater war gegen jede Tabuisierung, auch im Sexuellen. (Sonntagsreden?)
Aber als mein jüngerer Bruder sich als schwul outete, wurde ihm, als so frei denkender Mann, schlecht. Er erklärte das als sein Dilemma: einerseits verstandesmäßig total offen, andererseits als Produkt der Nazischulzeit (Schüler von 1930-1938) vom Männlichkeitskult geimpft.
Mein Bruder starb an AIDS.
Der Vater sah in jedem Schwulen einen potentiellen HIV-Überträger, der seinen Sohn angesteckt haben könnte.
Ihm bin ich zwar verbal ("ich trage Röcke") entgegengetreten, aber niemals in persona. Das hätte ihn vielleicht überfordert.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: GregorM am 03.04.2024 21:07
Ich erzählte auch nie meinen Eltern, dass ich Röcke trug. Sie hätten es nicht verstanden, und ich sah keinen Grund dazu, daraus ein Problem zu machen, das sowieso nichts in ihren Köpfen ändern würde.

Das hat aber leider auch bedeutet, dass wir uns weniger sahen.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 04.04.2024 23:27
Es beruhigt mich, dass es einigen von euch ähnlich mit den Eltern ergeht bzw. erging. Ich bin da wohl doch nicht so allein, wie ich dachte, und das spendet mir ein wenig Trost. Es kann manchmal echt belastend sein, es aus Friedensgründen zu verheimlichen. Eigentlich lebe ich in diesem Sinne ein Doppelleben, wodurch ich mich immer mehr aus dem familiären Umfeld zurückziehe.

Ich bin sehr froh, dass ich nicht mehr in meiner Heimatstadt wohne und durch die räumliche Trennung freier leben kann. Meine Familie wohnt eine gute halbe Autostunde von mir entfernt. Manchmal macht es mir aber trotzdem etwas Sorgen, dass es auffliegen könnte, falls es sich doch rum spricht oder mich jemand zufällig so sieht.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: JoHa am 05.04.2024 00:04
"dass es auffliegen könnte",
 lieber Yoshi, ja, das bewegte und bewegt mich manchmal noch.
Meine Eltern leben nicht mehr. Meine Mutter ermutigte mich zwar, zu Karneval, mich als Mädchen zu verkleiden, ja hielt auch das eine oder andere weiblich konnotierte Stück Wäsche für mich bereit; auch bat sie mich manchmal, ihre Pumps, die ihr zu eng erschienen, für sie auszuweiten (sie trug 41, ich damals 43), aber niemals kam die Sprache auf so etwas "Abnormales", wie Röcke und FSH für Jungen und Männer im Alltag zu tragen.
Dieses machte mich bis in die Gegenwart unsicher bei der Entscheidung, was ich zu tragen bereit war und ob ich durch die Wahl von Röcken und FSH zur von mir nicht angestrebten "Transe" werden könnte.
Nun, ja, so eingeengt waren damals meine Perspektiven. Ich hoffe nun, denen entwachsen zu sein.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Skirt-Man am 06.04.2024 16:15
Meine Elter mussten sehr früh lernen, dass ich nicht 08/15 bin und schon etwas aus der Masse heraussteche.
Erst kam der Heavy Metal, dann die Ohrringe, lange Haare, Piercings und später Tattoos.
Meine Mutter hat es hingenommen, weil ich da meinen eigenen Kopf habe. Sie war aber recht entspannt damit.
Mein Vater, als erzkonservativer Beamter, hatte da schon etwas mehr dran zu knabbern. Akzeptierte es gezwungener Maßen aber so langsam.

Bei meiner Frau hatte ich das Thema Rock nie weiter forciert.
Sie wusste, dass ich auf Festivals mit Rock rum laufe und so war ich auch mal beim örtlichen Stadtfest oder bei ner Familienfeier im kurzen Kilt.
Aber das war jeweils ein Einzelfall, weil ich noch nicht wusste, wo die Reise hingeht und selber Angst hatte, dass es doch in Richtung Fetisch oder Frau sein geht.

Dann hatte ich aber die Möglichkeit, mal genauer zu eruieren wohin die Reise geht und bin dabei hängen geblieben, dass ich einfach keine Geschlechtergrenzen mehr akzeptieren will.

Jetzt war für mich als erstes die Frage, wie meine Kids darauf reagieren und ob sie was dagegen haben. Die laufen so langsam aber konform damit und akzeptieren es.
Dazu lernte ich letztes Jahr noch eine super Frau kennen, die mich dabei unterstützt und mir geholfen hat, dass sich mein Umfeld auch daran gewöhnt.

Das Thema Rock ist für meine Mum noch etwas Gewöhnungsbedürftig. Sie muckiert sich aber nur beim begrüßen darüber und nimmt es dann hin.
Mein Dad hatte es nur letztes Jahr auf dem Geburtstag meines Großen mitbekommen, weil es da heiß war und ich keine Lust auf Hose hatte.
Alles weitere tue ich mich bei Ihm noch etwas schwer mit. Wobei er es früher oder später erleben wird und sich auch damit abfinden muss.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 13.04.2024 09:44
Ich habe hier bereits über meine Eltern gesprochen und es gab kürzlich ein interessantes Gespräch mit meiner Mutter beim diesjährigen Osteressen. Der Hintergrund ist, dass wir demnächst, aufgrund eines Ostergeschenks, einen Gutschein in einem Restaurant einlösen werden. Ich kenne das Restaurant aus Erzählungen, das etwas gehobener und nobler ist als der Durchschnitt, aber nicht in Richtung "Schickimicki" geht. Meine Eltern kennen es nicht, weil sie nie dort waren und ich wollte sie darauf hinweisen. Zu meiner Mutter sagte ich:

Y: "Das ist ein etwas gehobeneres Restaurant. Ihr solltet euch etwas besser anziehen als in normaler Alltagskleidung."
M: "Was soll das heißen?"
Y: "Ja, nicht so alltäglich wie sonst."
M (leicht wütend): "Ich bin doch immer gut angezogen!"
Y: "Darum geht es doch nicht. Da sollte man halt nicht im Schlabbershirt und einfacher Hose auftauchen."
M (wird lauter): "Bin ich heute etwa nicht gut angezogen? Ich bin immer gut gekleidet." (Sie trug eine Jeans und ein weißes Sweatshirt. In meinen Augen ein alltägliches Outfit, das für Ostern doch sehr schlicht war. Ein solches würde ich als "unpassend" für den anstehenden Restaurantbesuch empfinden.)
Y: "Man muss da jetzt nicht im Anzug oder Abendkleid auftauchen, damit wäre man overdressed. Es reicht ein Hemd oder Bluse mit guter Jeans."
M (sauer): "Ich will aber kein Kleid tragen!" (Wie ich schon mal erwähnte, hasst sie Röcke und Kleider seit eh und je. Wenn sie mal ein Kleid zu Hochzeiten oder Beerdigungen trug, empfand sie das als Zwang und hat den ganzen Tag darüber gemeckert.)
Y: "Das hat doch niemand gesagt. Du musst kein Kleid anziehen."
M: "Ich habe sogar Kleider. Ich besitze sowas." (Sie klang wie ein Kind, das etwas "beweisen" möchte. Wahrscheinlich nahm sie an, dass ich es ihr nicht glaube, weil ich sie in meinem Leben höchstens fünf Mal im Rock oder Kleid gesehen habe.)
Y: "Wie gesagt, wenn du willst, kannst du es anziehen, aber es ist nicht nötig."
M: "Was soll man denn dann anziehen? Was ziehst du denn an?"
Y: "Ich denke, ein weißes Hemd oder eines meiner Holzfällerhemden, die sehen nicht so 0815 aus."
M: "Aber dazu trägst du auch eine Jeans, oder?"
Y: "Ja, vielleicht meine schwarze Jeans, denn die wirkt etwas besser als meine Alltagsjeans." (Ich habe ja noch die Challenge, dass mein Outfit "männlich" wirken soll, damit meine Mutter nicht wieder meckert, es sähe "schwul" aus. Röcke fallen sowieso per se schon weg, aber auch farbige Hosen oder welche mit kariertem Schottenmuster können bereits queere Assoziationen bei ihr hervorrufen. Ich muss dann halt achten, dass es besonders "männlich" und schlicht ist, aber nicht so bieder und spießig. Schließlich will ich mich auch nicht verkleidet oder unwohl fühlen.)
M (wütend): "Wieso darfst du eine Jeans tragen und ich nicht?! Frauen können doch auch eine Jeans tragen!"
Y (mittlerweile genervt): "Hör mir doch mal richtig zu. Du kannst auch eine Jeans tragen. Es sollte halt nicht die Alltagskleidung sein, die ihr tagsüber zur Gartenarbeit angezogen habt."
M (immer noch wütend): Wieso dürfen Männer Hosen tragen und wir Frauen nicht?! Wieso sollen wir bei sowas Kleider tragen?! Das ist doch unfair! Ein Mann und eine Frau sollten doch die gleichen Rechte haben! Das ist doch nicht mehr so wie früher zu meiner Zeit!"
Y: "Wie gesagt, eine Bluse mit guter Jeans reicht. Du brauchst kein Kleid."

Danach brach ich das Gespräch ab, weil ich den Teufelskreis dieser Argumentationskette kenne und darauf keine Lust hatte. Interessant fand ich, dass sie es so sehr auf Kleider bezog. Ihre tiefe Abneigung, die sie seit Kindesalter gegen Röcke und Kleider hegt, offenbarte sich hier. Sie hatte wohl Sorgen, dass sie das tragen muss. Dann hätte sie schnell die Lust verloren und man könnte sich den ganzen Abend das Gemecker anhören, wie schrecklich es ist, dass sie jetzt gezwungenermaßen ein Kleid trägt. Ich kenne diesen seltenen Fall aus der Vergangenheit.

Vor allem ihr Pochen auf die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau blieb mir in den letzten Wochen im Gedächtnis. Sie empfindet es also als "unfair", wenn eine Frau zu bestimmten Anlässen keine Hose tragen darf und sie das gleiche "Hosenrecht" wie jeder Mann haben sollte. Es ist diese Doppelmoral, die darin liegt, denn ich könnte genau das gleiche sagen, warum ich als Mann ein Recht habe, einen Rock zu tragen. Mir lag es natürlich auf der Zunge, darüber zu sprechen, aber um mir unnötige Diskussionen zu ersparen, behielt ich es auf derselbigen.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Skirtedman am 13.04.2024 10:21
Ja, Doppelmoral.

Wenn das Gespräch vor 2 Wochen exakt so im Wortlaut ablief, wie Du es uns aus Erinnerung hier wiedergibst, dann hattest Du freilich eine ziemlich steile Steilvorlage bekommen, diese Argumentation zu Deinen Gunsten zu drehen. Ich kann verstehen, dass Du unnötige (unnötige?, anyway) Diskussionen Dir zu diesem Zeitpunkt ersparen wolltest, aber so eine kleine stichelnde Spitze (spitze Bemerkung) hättest Du dennoch setzen können. Und sei es bei dem Stichwort "Gleichberechtigung" nur ein vermutlich in seinem Sinngehalt nicht völlig bei Deiner Mutter angekommenen:
"Ja, da hast Du absolut, vollkommen Recht!" gewesen.

Du kannst natürlich, wenn Du es mal drauf ankommen lassen willst, Dich immer noch auf Euer kurzes Gespräch von Ostern beziehen. Mit dieser bestätigenden Zustimmung Deinerseits hättest Du vielleicht in Deiner Mutter die Erinnerung an Eure Konversation noch ein wenig stärker untermauern können.

Apropos Spitze. Ich glaube, Deine Mutter hat in ihrer Abneigung, Röcke oder Kleider zu tragen, in Deiner Gesprächseröffnung und im weiteren Verlauf auch sowas wie eine Spitze in Deiner Rede vermutet.
Allzu gerne wenden besonders Frauen (aber auch Männer können dies durchaus) diese Technik an, um zwischen den Blumen Botschaften zu setzen, die dem Empfänger unangenehm sind.

So ähnlich habe ich das auch schon erlebt, wo jemand - zum Glück nur selten vorgekommen - mir unterjubeln wollte, ich solle eine Hose anziehen.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Yoshi am 13.04.2024 12:48
aber so eine kleine stichelnde Spitze (spitze Bemerkung) hättest Du dennoch setzen können.

Dachte ich mir im Nachhinein auch, aber nach kurzer Überlegung, war es wohl besser, dass ich mir auf die Zunge biss. War übrigens nicht die einzige Situation, in der ich das tat. Als es um meine Arbeit ging, driftete es schnell wieder in Richtung "Kanakenkinder" vom "Kopftuchgeschwader" ab. Das war aber noch vergleichsweise harmlos, denn sonst fallen auch Sätze wie: "So ein kleiner Hitler würde Deutschland ganz gut tun, der hier mal wieder richtig aufräumt mit den Asylanten." Die Treffen sind für mich oftmals nur schwer auszuhalten. Ich möchte durch ein Kleidungsstück die angespannte Grundstimmung nicht noch weiter vergiften. Zumal ich ja weiß, wie abwertend sie über Queerness denken, womit sie mich dann auch in Verbindung bringen werden.

Vielleicht wissen sie auch schon, dass ich Röcke trage, weil es sich über paar Ecken herum gesprochen hat. Ich denke es eher nicht, aber es liegt im Rahmen der Möglichkeiten. Ihr Wohnort ist nämlich nur eine gute halbe Autostunde von meinem entfernt. Es könnte ihrerseits eine Art "aus der Reserve locken" sein, aber eigentlich sind die da erfahrungsgemäß ziemlich direkt. Als ich damals Vegetarier war, gab es sechs Jahre lang Diskussionen und "Umkehrversuche". Mir wurde beispielsweise gesagt, dass der Hausarzt angeblich meinte, ich könnte innerhalb weniger Monate sterben, weil ohne Fleisch meine Knochen "zerbröseln" würden.

Ähnlich reagierten sie ja auch auf den Nagellack, mit dem sie mich ein paar Mal sahen und seitdem vermeide ich es bei unseren Treffen lackierte Fingernägel zu haben. Das würden doch nur Schwule machen. Mein Singleleben in der Großstadt wird sowieso schon mit Sorge kommentiert, ob ich denn keine Frau haben möchte. Ich kann mir Gespräche in dieser Hinsicht über Röcke ersparen, weil ich weiß, dass sie dann bei so gut wie jedem Treffen thematisiert werden und auf mich eingeredet wird, das doch sein zu lassen. Meine linksgrüne Weltsicht hat eh schon genügend Konfliktpotential und es muss keine neue Eskalationsstufe eingeführt werden.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: cephalus am 13.04.2024 17:05
Sehr schwierig,  Deine Situation Yoshi.
Ich denke darüber nach, wie ich wohl reagieren würde.  Wäre meine Mutter nicht schon gestorben wie ich 22 war und davor noch lange krank gewesen, wäre ich vermutlich in einer ähnlichen Situation.

Wenn es nicht ausgerechnet die Eltern wären, würde ich mich definitiv von Leuten mit diesen Ansichten fernhalten  - wenn sie dann auch noch ablehnen,  was einen als Person ausmacht...
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: MAS am 14.04.2024 00:58
Sorry, ich habe es jetzt nur überflogen. Aus dieser Kenntnis empfinde ich aber vor allem mit der Mutter. Denn es geht auch mir darum, Kleidungszwänge abzulegen.

LG, Micha
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: GregorM am 15.04.2024 21:50
Yoshi,
Du hast Eltern, die zwei Generationen älter sind, als ihre Geburtsjahre indizieren. Noch dazu bildet sich blitzschnell deine Mutter eine Auffassung ein, die allerlei rationalen Argumenten immun ist. So deine Beschreibung.

Deshalb scheint es (unmittelbar) richtig, dass du ihnen dein Tragen von Röcken und Kleidern verheimlicht hast. Sie würden es nicht verstehen.

Aber dann, wie würden sie reagieren? Wäre es ihnen wirklich so unverständlich, dass sie es doch nicht letztendlich akzeptieren würden?

Wie wäre es, wenn du schwul wärest, und das deinen Eltern erzähltest? Würden sie wirklich nicht etwas verstehen, was in vielen Familien eine Realität ist? Denken sie auch im Ernst, dass ein Klein-Hitler sowas mit einem Strich lösen könnte?
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: JoHa am 15.04.2024 23:06
Ja, die Argumentationsverweigerung von Eltern kenne ich zur Genüge.
Ich schrieb ja schon von meinem Vater, der ernsthaft versuchte, meinen schwulen Bruder zu akzeptieren, es aber nur verstandesmäßig schaffte; die psychische Blockade hat er nie überwunden: er liebte ihn, verachtete aber sein Umfeld.
Und meine Schwiegereltern, die total vernagelt waren, aber erkannten, daß man "zu diesen perversen Zeiten" das gesunde Volksempfinden besser bedeckt hielt. Um so gemeiner hetzten sie im Familienleben. 
Es ist so belastend, um des lieben Friedens Willen, solchen Leuten immer wieder ein Forum zu geben.
Ich denke, es wäre besser gewesen, massiver Stop! zu sagen.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Silkman am 16.04.2024 01:11
Meine Eltern (Jahrgang '23 und '30 in klassischer Baujahresverteilung) haben meine Vorliebe für Röcke nicht mehr miterleben ... können oder müssen oder dürfen.

Aber ich kann es mir lebhaft vorstellen:

Meine was-sollen-die-Nachbarn-denken-Mutter hat immer nur Hosen getragen und wäre dann endgültig vom schwulsein ihres einzigen Sohnes überzeugt gewesen -  deshalb hat er ja auch nie eine anständige Freundin mitgebracht ...
Und die er dann geheiratet hat war natürlich die falsche - findet sie das auch noch gut und trägt ähnliche Röcke  ;)

Mein Vater, der mich seit dem 7. Lebensjahr aufgezogen hat, hätte das eher komisch gefunden - und mir irgendwann erzählt, dass er doch Hosen viel praktischer fände, aber wenn es mir doch spaß macht...
Aber er war halt auch so ein grün-versiffter friedensbewegter...

Meine Schwiegermutter, die ihre letzten Jahre bei uns wohnte, war zu sehr mit sich und der allgemeinen Umwelt beschäftigt um mehr zu kommentieren dass sie mein vieles schwarz nicht mag. Sie war halt SEHR bunt, in Primärfarben, nix Pastell. Auch so eine grün-versiffte, schade dass sie und mein Vater sich nie kennengelernt haben...

Und meinem Schwiegervater und dem Rest der Familie meiner Frau steht das (demnächst) noch bevor, aber wie ich das einschätze ergibt das einen Querschnitt aus den bisherigen Reaktionen...

Wait&see...
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Experimental am 16.04.2024 07:12
Mein Vater wird es nie erfahren. Ich weiß wie er reagiert, denn er hat mal einen seiner Studenten genau aus dem Grund aus seiner Vorlesung geworfen. Ich finde es schade, dass sich besagter Student nicht gewehrt hat. Meine Mutter ist da viel liberaler, ich bin mir sicher, dass sie z.B. mit einem Kilt überhaupt kein Problem hätte.
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Ludwig Wilhem am 16.04.2024 10:01
Hallo zusammen, das Problem mit den Eltern besteht bei mir nicht mehr - Vater schon 1970 gestorben, Mutter 2015: zu der Zeit hatte ich zwar Hauskleider getragen aber noch keine Röcke/Kleider in der Öffentlichkeit. Dieses ergab sich erst mit der Rente und seit einigen Jahren fast 100% Rock (Kleider seltener in der Öffentlichkeit). Es hätte ähnliche Kommentare gegeben, wie sie hier schon wiedergegeben worden sind. Meine Familie (Frau und 4 Jungs Jahrgang 76/79/81/83 kennen mich die letzten Jahre nur mit Rock/Kleid auch in der Öffentlichkeit, so entstand auch dieses Foto: LG Ludwig

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Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: JoHa am 16.04.2024 21:44
So müsste es doch überall sein! Welch ein Monster an Tabus und Vorurteilen muß so ein Rock doch gebären?
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: muc_mike am 22.04.2024 12:13
Viele haben hier über das Unverständnis ihrer Eltern bezüglich des Tragens von Röcken oder Nagellack geschrieben. In meiner Familie ist das Gott sei Dank ganz anders. Mein Vater ist schon lange gestorben und meine Mutter nun über 90 Jahre alt. Sie akzeptiert das Tragen von Röcken und berät mich, welcher Rock für den jeweiligen Anlass geeignet ist. Das Gleiche passiert bei den Farben des Nagellacks. Sie freut sich, wenn ich ihr die Nägel lackiere und sie gibt mir Tipps bezüglich der an mir gut aussehenden Farben. Gerade gestern hat sie mich wieder bei der Farbwahl eines ganz dunklen Lackes bestärkt.

muc_mike
Titel: Antw:Erinnerung an meine Kindheit oder: "Mama, wie findest du Jungen in Röcken?"
Beitrag von: Skirt-Man am 22.04.2024 16:21

Mein Dad hatte es nur letztes Jahr auf dem Geburtstag meines Großen mitbekommen, weil es da heiß war und ich keine Lust auf Hose hatte.
Alles weitere tue ich mich bei Ihm noch etwas schwer mit. Wobei er es früher oder später erleben wird und sich auch damit abfinden muss.

Am WE war ich in der Bremer Ecke nur im Rock unterwegs.
Auf dem Heimweg wollte ich nochmal bei meinem Vater rein schauen und hab gleich meinen Rock angelassen.
Er hat nur gefragt, ob das jetzt meine Alltagskleidung ist und ich war mit einem "Ja, ist gemütlich" durch.

Also muss ich jetzt nur noch gegen den eigenen Schweinehund kämpfen.