"Wortfügung.
262. Wortfügungen, die aus zwei Substantiven
bestehen^ sind in der alten Sprache noch sehr selten und,
wie schon S. 163 bemerkt wurde, auf die Grenzgegenden
beschränkt, so daß sie als Nachahmungen des Deutschen
zu betrachten sind. Sie begegnen in der Sprache der
Botanik, wo zwar chou-fleur, für das die ältere Sprache
chou ßeuri sagte, einfache Übertragung des ital. cavolfiore
ist, dann aber in hette-rave, fraise-aimnas u. dgl. Auch
hier handelt es sich um Übernahme aus der lateinischen
botanischen Terminologie. In weiterem Umfange treten
dann aber solche Bildungen im Anfang und um die
§ 263.] Wortfügung. 171
Mitte des 19. Jahrh. auf, und zwar in der Sprache der
Technik. Die ältesten Beispiele sind nun durchweg Be-
zeichnungen von Gegenständen, die entweder aus England
oder aus Deutschland gekommen sind und in ihrem Ursprungs-
laiid mit einem zusammengesetzten Wort benannt werden.
Der Franzose hat die beiden Bestandteile einfach über-
setzt, aber während nach germanischem Stellungsprinzip
das einschränkende Wort vorangeht, ist es entsprechend
der französischen Regel bei der Übertragung nachgestellt
worden: engl, ßy-hoat zu. frz. hateau-motiche, deui seh postmarke,
frz. timh-e-poste. Derartige Ausdrücke sind papier-mmmaie
'Papiergeld', col-cravatte 'Schlips^ coton-poiidre 'Sclüeßbaum-
wo\le\coupe4it^Sch]3Llw8igena,hteil\papier-valeur'WeTiip3i,pieT\
jupe-cage 'Krinoline', jupe-culotte 'Hosenrock', roue-moteur
'Triebrad', tente-abri 'Schutzzelt' und zahlreiche andere. Auch
Personalbezeichnungen können so geschaffen werden : lihraire-
editeur 'Verlagsbuchhändler', fleuriste-jar dinier 'Blumen-
gärtner', sculpteur-marbrier 'Marraorbildhauer' u. a. Be-
merkenswerterweise kommen hier beide Stellungen vor:
jar dinier e-fleuriste, marbrier - sculpteur sind ebenso üblich,
offenbar je nachdem dem Sprechenden die eine oder die
andere Tätigkeit die vorwiegende ist."