Was könnte der Ursprung sein von Religion?
Eigentlich will ich das zur Stunde gar nicht ausdiskutieren. Dennoch möchte ich ausgehend von diesem Beitrag:
MAS @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite."und den inhaltlich vorausgehenden Beiträgen (nun chronologisch sortiert)
Holger Haehle @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite."Skirtedman @ Thread "Männer, tragt Röcke. Gott ist auf eurer Seite."nun doch noch ein paar Gedanken loswerden zu dem oben verlinkten Beitrag von MAS.
Denn diese würden den betreffenden Thread jetzt im Diskussionsfluss beeinträchtigen. Drum nutze ich hier ein neu eröffnetes Thema, um meinen Senf noch beizutragen:
Ich zitiere nochmals alle Aspekte von Michas Beitrag, da sie hier alle irgendwie relevant sind:
Lieber Wolfgang,
wann das Ganze angefangen hat ist ja unklar. Die ältesten Fund, die wir mit Religion in Zusammenhang bringt, sind Gräberfunde aus der mittleren Altsteinzeit. Es wird vermutet, dass, wer seine Toten beisetzt, in irgendeiner Form daran glaubt, dass diese noch leben. Vor allem, wenn Grabbeigaben dabei sind, liegt die Vorstellung nahe, dass die Verstorbenen diese noch gebrauchen werden. Und ob da ein Klüngel bestimmte, wo es lang ging und wie es gemacht wird, weiß keiner. Vielleicht, vielleicht nicht.
Sicher: Wenn Menschen religiöse Erfahrungen machen, die andere nicht machen, und die, die keine haben, die die welche haben als Wissende schätzen und sich von ihnen erklären lassen, wie es sich mit dem Transzendenten verhält, entstehen nach und nach die gemeinten Hierarchien. Dann gab es also irgendwann Schamanen, Propheten, Erwachte, Sieger, Lehrer, Priester, Philosophen, Theologen usw. Seltener -innen.
Und heute, über 1/2 Mio Jahre nach den ersten religiösen Äußerungen von Menschen? Wie sieht es heute mit uns aus? Heute, im Gegensatz zu "früher" sehen wir Religion als ein System neben anderen, wie z.B. Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik, Sport, Technik usw. Und es gibt Menschen, die nicht in all diesen Systemen unterwegs sind, sondern z.B. mit Religion gar nicht am Hut haben.
Micha
Wiederholung Zitat:
Es wird vermutet, dass, wer seine Toten beisetzt, in irgendeiner Form daran glaubt, dass diese noch leben.
Sehen das alle Wissenschaftler so?
Ich kann mir denken, dass diese Sichtweise sehr geprägt ist von der in christlicher Tradition stehenden Wissenschaft oder von Wissenschaftlern, die in der Denkweise von jenseitigen Heilsvorstellungen anderer Religionen aufgewachsen sind.
Ich kann mir vorstellen, dass der Beginn von Beisetzungen mit einer Intention belegt war, die Verstorbenen nicht fleisch- und aasfressenden Tieren (oder gar Menschen anderer Sippen) preiszugeben.
Ob die Ursache im Mitgefühl, Andenken, in der Ehrfurcht oder der Trauer an, in oder vor den Verstorbenen liegt, Beisetzungen zu starten, wage ich zu bezweifeln.
Ich denke, es wird zunächst die Entdeckung gewesen sein, durch besonnenes, geplantes Handeln auf diese Weise eben wilde Tiere nicht anzulocken und ein bewohntes Gebiet deswegen nicht aufgeben zu müssen, weil eine Leiche Wildtiere anlockt bzw. um die Verstorbenen nicht ausserhalb des eigenen Lebensradiusses hinaustragen zu müssen. Eine Leiche etliche Kilometer weit wegtragen zu müssen, wird wohl beschwerlicher gewesen sein als in relativer Nähe ein Erdloch auszuheben und anschließend wieder zu zu schütten. Oder einen schweren Steinhaufen über einer Leiche zu errichten.
Ich glaube, das Wissen darum, einen Steinhaufen errichten zu können, oder eine Begrabung durchzuführen, wird im Anschluss erst im Zuge der Weitergabe dieses Wissens dazu geführt haben, ein Andenken an die Verstorbenen, eine Ehrung der Verstorbenen und in Folge auch eine Trauer um die Verstorbenen zu entwickeln.
Und in Folge von all diesem wird sich meiner Vorstellung nach erst ein mystisches Verständnis von nach-todigem Heilsversprechen entwickelt und etabliert haben, das ja wohl in jeder Religion zentraler Bestandteil ist.
Ich kann mir vorstellen, dass der Umgang mit Toten aber nicht der primäre Ursprung von Religion gewesen sein wird. Bestimmt wird in dieser Phase schon eine Fähigkeit bestanden haben, sich mittels differenzierterer Sprache zu verständigen. Ich kann mir vorstellen, dass schon ein 'kulturelles' Verständnis von Links und Rechts im Sinne von relativen Ortsangaben vorhanden gewesen ist, und Erscheinungen wie Wasser, Wasserfall, Regen, Himmel, Sonne, Wind, Mensch, Leben und abstraktere Dinge benannt werden konnten.
Die eigene Unversehrtheit, das eigene Leben und Überleben musste gemeinsam gemeistert werden und bald nach Beginn der feineren sprachlichen Kommunikation werden sich Ängste und Ehrfurcht vor lebensbedrohenden Dingen und vor denen, die man damit in Zusammenhang gebracht hat, geäussert haben.
Und genau hier möchte ich die Ursprünge von Religion verorten - sofern sie überhaupt nur dem Menschen zueigen sind.
Heilsversprechen werden sich dann entwickelt haben, Sonnenkulte, Verehrung der Jagdbeute und Ratschläge - Wissensweitergabe - werden sich in konstruierten übersinnlichen Zusammenhängen ausgedrückt haben.
Die spätere Fähigkeit, die Toten - despektierlich gesagt - zu verscharren, wird dann erst weitere Bewusstseinebenen eröffnet haben, wie zum Beispiel das Konzept des endlichen Lebens, der Verlust von personengebundenen Weisheiten und später die erahnten Heilsversprechen von einem Weiterleben nach dem Tode - und allem, was sich nach und nach daraus ableiten ließ.
Der 'Klüngel', der MAS oben erwähnt, den ich in meinem obigen verlinkten Beitrag zum andern Thread einführte, gemeint als religiöse Führerschaft, der wird sich dann nach und nach entwickelt haben. Vermutlich war er - nach meiner gängig geprägten Vorstellung - lange zunächst auf eine einzige spirituelle Führungsperson innerhalb einer Sippe beschränkt gewesen sein. Vielleicht war die spirituelle Führungsperson auch identisch mit dem Anführer der Sippe, wobei bei zunehmender Professionalisierung, wo mehr als nur die Aufgaben "Mann" und "Frau" zu verteilen waren, bestimmt der Anführer sich mehr auf seine Fähigkeiten konzentriert haben wird und die Funktion des geistigen Zusammenhalts in die Hände einer anderen Person gelegt worden sein wird, kann ich mir vorstellen - vielleicht in die Hände des ehemaligen Anführers, sofern er den neuen noch erlebt hat.
So wird die geistige Führung mal mehr, mal weniger eng mit der Entscheidungsgewalt verflochten gewesen sein. Diese spirituelle Führungsperson wird noch ein, zwei Eingeweihte (Diener) an seiner Seite gehabt haben, um sie zur Nachfolge heranzuführen.
Und erst als man anderen Sippen nicht mehr genügend aus dem Weg gehen konnte, werden sich die Erklärungsmuster der geistigen, kultischen Wissenden verschiedener Sippen verschmolzen haben und der Bereich der Wissenden wird sich auf mehr Personen vergrößert haben. Ab da, wo ein Vorstellungsaustausch unter den Sippen stattfand, ab da, stelle ich mir vor, kann man vom Beginn einer institutionellen Religion sprechen.
Und mit dieser Erkenntnis beende ich mal meinen geistigen Erguss.