Autor Thema: Vorbild vs. Mut  (Gelesen 1894 mal)

Offline cephalus

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Vorbild vs. Mut
« am: 19.12.2024 10:46 »
Am vergangenen Freitag kam mein großer Sohn mit roten Glitzerfingernägeln und einem sehr auffallendem aber kaum weiblich wirkendem Makeup von der Schule heim.
Dort hatten sie Weihnachtsfeier und die Mädels der Klasse haben ihn dekoriert. Ich fand es cool, eine Alte Frau in der S-Bahn scheinbar nicht.

Ich habe ihn gefragt wie er darauf reagiert hätte:
Er meinte er hätte demonstrativ auf sie herabgeschaut und "buh" gesagt - so hatte ich ihm das nicht beigebracht ::) Aber es wirkte offensichtlich, da er mit seinen 13 Jahren doch schon 185cm misst.



Gestern hat er zwei Klassenkameraden mit nachhause  gebracht, die mich direkt gefragt haben, ob er am Freitag für sein Outfit von mir oder meiner Frau keinen Ärger bekommen hätte.
Er hätte behauptet, dass ich es sogar coolgefunden hätte.
Zu ihrer Überraschung habe ich das genau so bestätigt - ungläubiges Staunen.

Relativ kleinlaut meinte einer beiden, er hätte auch gerne, aber er hätte sich nicht getraut, und auch nicht gewusst ob und wie seine Mutter reagieren würde (Vater irgendwie abwesend)
Ich habe ihn bestmöglich versucht zu bestärken es zu versuchen und wir haben noch ein wenig über das Thema gesprochen, bis ich von meinem Schreibtisch aufgestanden bin.

Er sieht mich fast geschockt an:
"Sie haben ja einen Rock an!"
"Ja?"

längere Denkpause...

Der andere Kumpel aus dem Hintergrund:
"Geil, das würde ich auch gerne mal probieren" an seinen Kumpel gewandt "Digger du nicht? Digger?"

Der bestätigt durch nicken.

Ich schlage ihnen vor, es vielleicht für den Anfang mit Nagellack oder Makeup zu testen, mein Sohn macht es ja vor.

Ja, aber der wäre groß stark mutig und selbstbewusst...

Damit hat er wohl Recht, und das alles in übertriebenem Maße was in der Schule und bei Lehrern nicht immer gut ankommt. Er ist Vorbild und Führungsperson in der Klasse, aber der Mut manches zu adaptieren reicht dann nicht.

Offline MAS

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #1 am: 19.12.2024 11:51 »
Klasse Geschichte, lieber Cephalus!

Zunächst braucht man ja auch als Vorbild Mut, auch wenn man groß und stark ist. Insofern stimme ich dem "vs." in der Überschrift nicht zu.

Und dann braucht man Mut, einem Vorbild zu folgen, wenn dieses etwas Ungewöhnliches tut. Auch da stimmt das "vs." also nicht.

Aber Du meinst es wohl so, dass die Freunde Deines Sohnes ihn als Vorbild ansehen, aber nicht den Mut aufbringen, ihm zu folgen.

Ich kann mir aber vorstellen, dass sie als Gruppe den Mut aufbringen können, zumal, wenn ihr Vorbild sie darin bestärkt.

LG, Micha
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Offline Ludwig Wilhem

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #2 am: 19.12.2024 16:03 »
Auch von mir ein Dankeschön an diese tolle Geschichte, die zeigt, wie verklemmt unsere Gesellschaft ist. Wieviele Jungs würden gerne Röcke/Kleider tragen, aber es stimmt, die Jungs brauchen Vorbilder und Mut, die ersten Schritte im Rock/Kleid waren für mich auch schwer, nach vielen Jahren im Rock/Kleid fühlt es sich natürlich an und bedarf keines Mutes mehr. LG Ludwig
Ich trage Röcke oder Kleider gerne, denn es sind Kleidungsstücke für uns alle.

Offline cephalus

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #3 am: 19.12.2024 16:16 »
Ja, ich war tatsächlich sehr überrascht über das spontane Bekenntnis einen Rock testen zu wollen, gegenüber einem fremden Mann und das in Anwesenheit eines Mitschülers.

Dessen zustimmendes Nicken war für mich allerdings eher gezwungen, er wollte, nach meinem Gefühl, nur nicht widersprechen.


Offline Timper

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #4 am: 20.12.2024 08:28 »
An den beiden siehst du das die Probleme im engstirnigen Elternhaus anfangen und sich fortsetzen.
So wird das nichts.
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Offline Skirtedman

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #5 am: 20.12.2024 09:48 »
Mein berocktes Herz lässt mich träumen,
dass es doch gar nicht so schlecht wäre, wenn Jungens anfangen würden, aus Gruppenzwang einen Rock zu tragen.
Bisher bestand der Gruppenzwang darin, eine Hose zu tragen - und das vielfach sogar, ohne dass das den meisten bewusst wurde.

Offline Timper

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #6 am: 20.12.2024 13:10 »
Ich würde es eher Gender Indoktrination nennen. Ein Junge mit Rock, Make-up u Nagellack ist demnach kein Junge sondern ein Mädchen.
Sieh dir doch die Fragezeichen in den Gesichter Fremder an.
Welche Frage wird da kommen? „ Will er ein Mädchen sein oder werden? Trans?“.
Das es ein Ausbruch aus bestehenden  optischen, sozialen Rollen sein könnte wird gar nicht in Erwägung gezogen.
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Offline MAS

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #7 am: 20.12.2024 20:52 »
Nee, einen Zwang durch einen anderen zu ersetzen halte ich für nicht gut. Das gab es oft in der Geschichte, wenn eine politische oder religiöse Richtung über eine andere gesiegt hat. Im Endeffekt revoltieren die Menschen dann gegen alles und schütten sämtliche Kinder mit dem Bade aus. Zwischenzeitig gibt es Frustrationen, Depressionen, Größenwahn usw.

Lieber bin ich Vorbild bei der Freiheit der Kleidungswahl als das ich jemanden zwingen wollte, das zu tragen, was ich schön finde.

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Offline Yoshi

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #8 am: 21.12.2024 00:53 »
Ich habe solch ähnliche Gespräche auch schon paar mal geführt. Es gibt einige Männer, die es gerne machen würden, wenn es "normal" wäre. Nicht selten gestand man mir schon, dass man es in den eigenen vier Wänden auslebe, sich aber in der Öffentlichkeit (noch) nicht dazu traue. Davon gibt es tatsächlich mehr, als man zunächst denken mag und von einigen hätte ich es so nicht erwartet. Mittlerweile überrascht mich das aber nicht mehr so sehr.

Ich höre auch öfter, dass man meinen Mut bewundere.

Offline MAS

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #9 am: 21.12.2024 01:08 »
Ja, lieber Yoshi, das habe ich auch schon gehört, dass man keine Röcke trägt, weil es nicht normal ist, und dass mein Mut bewundert wird. Aber wir Alltagsrocker zeigen es doch jeden Tag, dass nichts Schlimmes passiert, wenn Mann Rock trägt.

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Offline Timper

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #10 am: 21.12.2024 17:43 »
Ja MAS, sicher passiert nichts außer Blicke. . Dennoch fühlt man sich immer etwas komisch als Exot. Man hat immer das Gefühl 10000 Blicke und Stirnrunzeln abzubekommen.
Letzte Woche war ich zu einem Punk Trödelmarkt und war ein längerer Strecke dahin zu Fuß unterwegs. Sehr belebte Gegend, Verkehrskotenpunkt, Warschauer Straße, , S Bahn, U Bahn…
Man kommt sich wie ein bunter Hund vor.😂. Ich glaube das wird man nie los.😂
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Offline Albis

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Antw:Vorbild vs. Mut
« Antwort #11 am: 25.12.2024 12:00 »
@cephalus: Kompliment an Dich und Deinen Sohn! Ihr leistet hervorragende Arbeit.  :)

@Timper: Im Friedrichshain laufen nach meiner Erinnerung doch viele bunte Hunde rum. Zumindest hatte ich das Gefühl, wenn ich dort war, weniger als in anderen Gegenden wahrgenommen zu werden.

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Offline Timper

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« Antwort #12 am: 25.12.2024 12:48 »
Ja Albis, da hast du nicht ganz unrecht.
Bisschen komisch ist es trotzdem.
Kopfsache halt.
Wird man nicht los. 😅
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Offline Timper

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« Antwort #13 am: 25.12.2024 14:37 »
Noch was was irgendwie auch Erfahrung ist: zuletzt war ich in Clubs wo kein Dresscode bzw. etwas interessanteres Outfit gewünscht ist. Dh ein Großteil erscheint in ihren „Jeans-Aldi-ich räume die Speisekammer auf“ Klamotten.Ich dagegen finde das doof, bin’s auch durch andere Clubs anders gewöhnt und krame dann was schöneres raus. Folge ist man fühlt sich overstylt. Auch komisch. Dieses subtile Gefühl kann man natürlich versuchen zu ignorieren aber ganz klappt das nicht. Ganz auffällig ist das bei Männer. Die meisten schlagen so auf wie sie auch den Keller aufräumen. Furchtbar.
Ein Club in einem Kiez ( Moabit) ( Slauterhouse) ist da besonders so.
Mag zwar typisch dort sein, ich finde es jedenfalls blöd, unpassend.
Nicht mein Favorit. Da gibt’s anders mit besseren Publikum, schönen Outfits und besseren Ambiente. Das Auge isst mit!
Aber das ist wohl auch Zeitgeist, zumindest dort.
Und da  spielt es dann auch nur eine untergeordnete Rolle was für Musik dort läuft. Alles steht in einer Wechselwirkung. Auch hierbei. Stimmt das eine nicht , passt der Rest auch nur noch halb.
Und was sogenannte Dresscodes angeht hat bestimmt so mancher hier falsche Vorstellungen. Es geht nicht darum wie Uniform gleich auszusehen sondern einen gewissen grossen Rahmen kreativ zu interpretieren , da passt also viel rein. Letztlich führt das trotz der Unterschiede  bei der Interpretation zu einem "Wir" , zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Männer haben da in der Regel massive Schwierigkeiten, von Natur besitzen sie halt keine Kreativität, sind  massiv gehemmt aus der Rolle zu fallen. Klares soziales Defizit! Von Natur aus mehr auf dicke Oberarme programmiert. Wahrscheinlich Reste aus der Steinzeit. Dauert noch etwas. Das da manche Clubs mit einem Dresscode nachhelfen müssen ist halt zwingend. Mancher wird dann auch nach Hause geschickt mit der Aufforderung im Schrank nochmal zu suchen. Lehrgeld, gut so.
Oder er darf dann da hingehen wo Kohlenkellerklamotten also Workerklamotten (auch Jeans genannt) normal sind und niemand stören.
Da darf dann der Streetwearromantik weiter gefröhnt werden. Gleiche bleiben eben gerne unter sich.
Wie weit das reicht erlebte ich vor kurzem bei einem Treffen wo jemand was von Verkleiden erwähnte und ich ihm klar machte das man sich verkleidet um was darzustellen. Zb. mit einer Uniform einen Polizisten.  Ich , ein Bekannter und alle anderen kleiden sich! Niemand stellt was dar! Das ist nicht Absicht. Man hübsch sich auf. Das ist es! Ansonsten könnte man auch soweit gehen und sagen jeder der mit weissen Hemd und Schlips zum Chef geht verkleidet sich. Ob der Bekannte dem folgen kann weiß ich nicht. Ist mir auch völlig egal was er denkt. Und irgendwie nimmt diese Egal massiv zu. Und darüber freue ich mich für mich. 
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« Antwort #14 am: 25.12.2024 17:24 »
Lieber Timper,

ich kann das so für mich nicht bestätigen. Ich meine, ich werde von den meisten andern Menschen nicht anders wahrgenommen als in Hosen. Manchmal ein kurzer Blick, dann aber ein normales Gespräch.

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