Es ist doch gut, wenn einem der Alltag allmählich vergessen macht, dass man etwas Unübliches tut. Viel zu sehr hat man sich anfangs wohl darauf konzentriert, dass man eben etwas Unübliches tut und die Reaktionen bewusst ins Visier genommen, die man damit auslöst.
Zu sehr sich auf die Reaktionen der anderen zu konzentrieren macht nämlich unfrei, weil es abhängig davon macht, wie die Reaktionen der anderen sind. Dann bewegt man sich auch nicht selbstbewusst, sondern immer im Bewusstsein, eigentlich etwas Falsches zu tun. Das macht angreifbar, die Leute spüren das, reagieren umso heftiger und das Geglotze wird letztlich erst dadurch so richtig zum unangenehmen Geglotze.
Ich persönlich kann inzwischen schon sehr souverän damit umgehen. Das Geglotze wird im wandelnden Zuge der Zeit auch spürbar weniger - ich selbst aber provoziere es auch immer weniger, weil ich mich selbstsicher bewege - nicht zuletzt, weil mein Alltag überdeckt, dass längst noch nicht jeder Mitmensch davon überzeugt ist, dass Männer Röcke/Kleider tragen können/wollen/sollten.
Meine jetzige Freundin konzentriert sich auch nur seltenst auf allgemeine Reaktionen anderer. Da habe ich ausgesprochenes Glück.
Eine meiner Ex-Freundinnen konnte (vielleicht wollte) sich da aber nicht wirklich davon abgrenzen. Sie hat das Unbehagen empfunden, manchmal auch nur, wenn jemand geguckt hat, der einfach nur geguckt hat, was er in gleicher Weise getan hätte, wenn ich der durchschnittlichste Mann dieser Welt gewesen wäre. Jedes Lachen unter Menschen hat sie auf auf mich - und letztlich auf sich - bezogen, auch wenn es von um die Häuserecke kam, wo wir noch gar nicht sichtbar waren. - Nicht immer hat sie das verunsichert, aber recht oft. In diesem Unbehagen war es klar, dass sie das Geglotze und Getuschel schlimmstenfalls sogar noch verstärkte, weil ihr die Verunsicherung dann anzumerken war.
Insofern ist es also auch durchaus eine Frage, wieviel Reaktionen und Geglotze mute ich meiner Lebenspartnerin zu? Ich schreibe bewusst Lebenspartnerin, weil wenn ich mir einen männlichen Lebenspartner zulegen wollte, da ja noch andersgelagerte Ebenen mitschwingen würden, die durchaus vergleichbar sind, aber in Feinheiten sich vielleicht nochmals anders darstellen würden.
Mit dieser Ex-Freundin war es dann so, dass ihr Unbehagen oft großen Einfluss darauf hatte, wie wir unseren Tag gestalteten, oft mit Meidung von fröhlichen Menschen, von Menschen überhaupt, manchmal mit Wegänderung, um nicht um die nächste Häuserecke gehen zu müssen, wo lachende Menschen sind - eine Tatsache, die aushaltbar sein kann, aber letztlich nicht unbedingt die beste Grundlage ist, ein zufriedenes Miteinander zu finden.
Man kann seinem Lebenspartner (egal, ob Männlein oder Weiblein) nicht aufzwingen, cool gegenüber Reaktionen und Aufmerksamkeiten zu bleiben. Entweder man schafft es, miteinander zu wachsen, oder es muss nach anderen Auswegen gesucht werden.
Wichtig ist zu wissen, dass man das Geglotze ein Stück weit auch selbst steuern kann. Völlige Ignoranz, das Geglotze einfach bewusst nicht wahrzunehmen, ist das eine - das aktive Mitgestalten, die Interaktion ist das andere.
Und da möchte ich auf einen Beitrag verweisen, den ich gerade in einem anderen Thread geschrieben habe, in 'Typen in Röcken sind mehr als ein Modetrend'. Darauf werde ich gleich verlinken.
Genauer gesagt, mein eben erwähnter Beitrag kommt dann ein paar Beiträge später hinter dem Link. Denn dort entwickelt sich eine kleine Diskussion, die eben mit Reaktionen zu tun hat. Und sie reisst auch an, was man selbst ein Stück weit dazu beisteuern kann.
Drum möchte ich hier aus dem Geglotze-Thread dorthin verweisen. Vor allem für die Leser, die hier beim Geglotze erst in ein paar Wochen über diesen Themenkomplex stolpern.
Und hier der Link zu der Diskussionspassage, die eigentlich auch gut hier in den Thread reinpassen würde:
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