Autor Thema: Der Versuch, das Rocktragen zu literarisieren - Folge 2, als Fortsetzungsstory  (Gelesen 1198 mal)

Offline Ein de Waf

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Dieses Mal 80% Fiktion, Hans ist kein Hasenfuß mehr. Basierend auf reellen Personen (Rüdi, mein ehemalige Schweizer Chef) und Kleidungsstücken (Schlauchkleid, Faltenrock) sowie auf Themen, Beiträgen, Diskussionen im Forum, insbesonders ‚Dekorative Kosmetik nun auch für Männer‘, ‚Nägel‘ (Fingernägel), ‚Im Kleid in der Arbeit‘ (Schlauchkleid), 'Kollegengespräch', 'Rockkauf' (Beulendiskussion)

Wieder viel Spaß beim Lesen! Wart ihr schon mal in solchen Situationen, wo sich dann heraus stellt, dass es anders ist als mann denkt (natürlich in Bezug auf Röcke und Kleider)? LG. Peter.

Teil 1 (Teil 2 folgt)
Ich ziehe am Spiegel im Männer WC nun doch meinen weißen, relativ langen Blazer aus und hänge ihn auf einen Haken daneben. Und blicke mich an. Ich kenne dich zwar nicht, aber ich wasche dir trotzdem die Hände, kommt mir in den Sinn – so müde sehe ich aus. Na ja, immerhin ist es ja schon 19:00 Uhr. Ich senke den Blick nach unten, um etwas Positiveres zu sehen.
Und ich werde mit dem Anblick meines burgunderroten einfärbigen Schlauchkleides belohnt. Ja, ich trage ein aufregendes Stretch Maxikleid, fast bodenlang, mit langen Ärmeln und hochgeschlossen, oben auslaufend in einen Rollkragen. Zwar wirft es kleine Falten am Bauch, aber das ist bei dem Material normal. Ansonsten schmiegt es sich an meinen Körper und der Rockteil unten ist so schmal, dass ich nur kurze Schritte machen kann. Ich liebe das Gefühl!
Doch jemand, der so etwas tragen möchte, sollte sich bewusst sein, dass das Kleid nicht verzeiht und jede noch so kleine Unebenheit am Körper inklusive Wäsche zeigt, ja sogar betont. Muskeln und Figur werden natürlich auch gezeigt, so die Sonnenseite. Nahtlose Strumpfhose, nahtloser Slip oder Body sind Pflicht. Will mann die allgegenwertige Beule vermeiden, dann muss er sich etwas überlegen. Ich mache es mir leicht, ziehe den überlangen Blazer drüber, wenn ich damit außer Haus gehe. Falls ich den ausziehen muss, ja dann sieht Frau / Mann ein halt ein bisschen mehr. Restriktiv und freizügig, in einem einzigen Kleid, herrlich.
Natürlich ist das nicht meine normale Bürokleidung, dazu ist sie viel zu sexy. Normalerweise trage ich
Röcke, manchmal eher unauffällige Kleider in gedeckten Farben, dazu stets hautfarbene Strumpfhosen.

Und selbst dafür musste ich kämpfend wie der gute, alte Don Quijote bestehen und brauchte eine Rüstung wie er, wenn auch aus Worten, Geduld, Akzeptanz, Hinwegsehen und heftigen Mut bestehend, nicht aus Eisen.
Nach acht Jahren bei der selben Firma hatte ich mich endlich getraut. Mich zu ‚outen‘. Eigentlich war es durch das, was ich gerne als kleinen Unfall bezeichne, dazu gekommen. Schon seit vielen Jahren war ich ein Fan von Röcken und Kleidern gewesen. Und ich zog sie in der Freizeit auch an. Doch im Büro? Ich hatte es bisher nicht gewagt. Diversität war bei dem Unternehmen, für das ich arbeitete, eine kleine Tochterfirma eines Konzerns, zwar auf die Fahne geschrieben, doch wie sah die Realität aus? Eine aufs Haupt, Verwarnung – danke, brauchte ich nicht! 
Doch an diesem Tag nahm das Schicksal seinen Lauf. Ich war zu spät aufgestanden, nahm einen Becher Kaffee mit Deckel von zu Hause mit, stellte ihn in die Vertiefung der Mittelkonsole des Wagens, den ich fuhr. Ich musste mich beeilen, wusste ich, ein wichtiger Kunde war vor Ort. An der letzten Kreuzung vor der Tiefgarage, in der ich parken konnte, leerte ich den noch fast vollen Becher Kaffee auf meine Hosenbeine. Es war Sommer und ich trug eine weiße Hose. Was für eine Schweinerei!
Ich versuchte mich noch im Auto zu säubern, aber natürlich blieben die Flecken. Unmöglich, warum musste mir so etwas passieren? Keine Zeit für Verbesserungen, von Behebung keine Rede. Außerdem brauchte ich dazu eine Reinigung. Ich hatte keine Tauschkleidung. Oh doch!, sagte mein Verstand. Der Rock. Sh…, sagte ich zu mir selbst, du kannst doch nicht so aufkreuzen! Ja, da war mein neuester Rock, ein knöchellanger, grauer, mit schmalen Falten. Ein schönes, fast auffallendes Stück. Er lag noch im Wagen, ich war noch nicht dazu gekommen, ihn mitzunehmen. Ich blickte auf die Uhr, nahm das Paket mit dem Rock am Beifahrersitz an mich und stieg in der Tiefgarage aus. Als ich die Kaffespuren im Wagen sah, fluchte ich wieder. Und ich hatte keine Zeit, der Termin!
Ich stürzte im Gebäude in die erste Toilette, riss die Hose von mir. Die Schuhe waren im Weg. Ich zog sie aus, den Faltenrock aus der Verpackung und entlang meiner Beine hoch. Ich wusste, es gab kein vorne und hinten, also egal, wie ich ihn anzog. Er hatte einen elastischen Bund, den ich an meiner Taille befestigte. Und ging.
Ausgerechnet Lisbeth war die erste, auf die ich am Gang traf. Lisbeth, meine Feindin. Sie blieb stehen, starrte mich an. Verblüfft, still, so, als hätte sie einen Weltuntergang gesehen. Ich eilte an ihr vorbei, mit raschelndem Rock und großen Schritten. Endlich erreichte ich den Konferenzraum, in dem wir den Termin hatten. Und riss die Türe auf, ging zu einem freien Platz am U-förmigen Tisch. Unser Verkäufer David brach mitten im Satz ab, als er mich sah. Mein Herz klopfte als würde jemand in einem Auto basslastige Musik laut aufdrehen. Mit Mühe fand David seine Sprache wieder. Er war so irritiert, dass er mir die Mitarbeiter des Kunden vorstellte. Ich kannte die drei Mitarbeiter des Kunden aber schon viel länger und besser als er. Ich war mit ihnen auf Du und Du. Und ich wusste, sie waren vom lockeren Typus.
Mein Glück! Handshake wie üblich, samt Blick in die Augen. Roswitha’s Blick… Sie schien leicht belustigt zu sein. Matthias war der einzige, der etwas sagte: Cool! Dabei lachten auch seine Augen, nicht nur sein Mund. Thomas schüttelte meine Hand, als wäre nichts. Als würde ein Behoster vor ihnen stehen. Endlich setzten wir uns und David setzte seinen Vortrag zur Lösung, die der Kunde benötigte, fort. Niemand sagte mehr etwas zu meinem Rock.
Kaum waren die drei Besucher von David nach draußen geleitet, baute er sich zornentbrannt vor mir auf. Ich saß noch im Konferenzraum.
„Sag mal, bist du völlig… daneben? Wie kannst du in so einer Aufmachung im Büro erscheinen? Und das auf einem Kundentermin?“
Ich versuchte ihm, mein Problem glaubhaft zu machen. Was war besser gewesen – Flecken oder Rock? Für mich klar, für ihn zählte nur mein Anblick. Nicht Logik, Auswahl aus zwei Möglichkeiten. Am Ende unserer Diskussion wusste ich, mein Handy würde bald läuten. Mit meinem Chef als Anrufer.
Immerhin dauerte es eine halbe Stunde, bis es so weit war. Ich ignorierte die läutende Nervensäge in Gestalt eines elektronischen Geräts und ging direkt zu meinem Vorgesetzten. Zwei Beschwerden, natürlich. Rüdi hielt mir eine Standpauke in seinem feinsten Schwyzerdütsch. Als er sein Pulver verschossen hatte, erzählte ich ihm meinen Blickwinkel über die Sache. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sichtlich entspannt.
„Na, winn esch so isch…“
Nun verkrampfte ich mich. Hatte ich mit meinen Argumenten nun meinen Wunsch, Röcke im Büro zu tragen, zu Tode gebracht?
„Überhaupt…“, setzte ich an.
„Loos guat sei“, winkte Rüdi ab, „I red mit de zwoa. Und du… in Zukunft…“

Offline GregorM

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Hallo Peter,

ich bin wirklich auf die Fortsetzung gespannt!
Gruß
Gregor

Offline Peter55Muc

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Na da bin ich auch mal gespannt.

Offline Ein de Waf

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Danke für Euer Interesse! Nun Teil 2 (3 Teile werden es).

LG. Peter.


Offline Ein de Waf

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Teil 2 - Hans ist immer noch halber Hasenfuß - und ja, den Rechnerraum ohne Notausgang bei Stromausfall gab es wirklich!

Ich ging nach unserem Gespräch. Zurück zu meinem Platz. Wieder war das Rascheln meines Rocks nicht zu überhören. Von den fünfzehn Mitarbeitern des Unternehmens standen sieben in der Kaffeeküche und Aufenthaltsraum, als ich ihn eine Stunde später betrat. Davon sechs Frauen. Kein David, keine Lisbeth. Trotzdem schwiegen plötzlich alle. Manche markierten mich unverhohlen, der Rest tat so, als würde er es nicht tun. Vierzehn Augen waren auf mich gerichtet. Ich registrierte, dass der übliche androgyne Kleidungsbrei vorherrschte – entweder Jeans oder Leggings, Jeggings, wie auch immer das Zeug an Beinen und Po der Frauen hieß. Scheußlich. Ich war der einzige Rockträger. Natürlich.
„Guten Morgen!“, sagte ich nach einer langen Sekunde.
Keine Reaktion außer leises Morgen Gemurmel. Ich ging zum Kaffeeautomaten, zog mir einen Cappuccino und verließ den Raum. Hinter mir starteten Gespräche. Über wen wohl? Manches Mal war der Intrigantenstadl nicht auszuhalten.
Mittags, als ich im der Kaffeeküche benachbarten Druckerraum einen Papierstau beheben musste, hörte ich plötzlich das Wort ‚Rock‘. Gesagt von einer Frauenstimme. Ich konnte nicht sehen, wer da miteinander redete. Ich hielt inne. Rockmusik, Rock auf Englisch oder Rock für Mann?
„Hast du ihn schon gesehen?“
„Ja, entsetzlich. Was will er… beweisen? Dass er schwul ist?“
„Muss er nicht sein. Es gibt auch Hetero Männer, die Röcke anziehen. Sogar Kleider. Ich kenne da noch einen anderen“
„Wirklich? Wenn mein Mann so daher käme, würde ich…“
„Frau Mayer? Ich brauche dringend eine Preisliste“, sagte die Stimme von David.
Ich seufzte, wäre interessant gewesen.
Zwei Wochen später bekamen wir den Zuschlag für den Auftrag, den wir mit Matthias und Co besprochen hatten. Und David erzählte mir, dass Matthias ihn angerufen hatte und ihm lachend gesagt hatte, mit meinem Auftritt hätte ich ihm glaubhaft gemacht, dass wir den unorthodoxen Projektansatz auch verwirklichen könnten.
Die nächsten Tage überlegte ich, ob ich den Anstoß durch den Auftrag ausnützen will oder weiterhin feige bin. Ich traf eine halb – halb Entscheidung und endlich beschloss ich, doch etwas zu tun, um mein Verlangen zu stillen. Und trotzdem nicht aufzufallen. Ich fuhr an einem Samstag, wo im Büro normalerweise Leere herrscht, mit der U-Bahn ins Zentrum des kleinen Stadtteils, wo es lag. Unterwegs, ich trug statt einer Hose den babyblauen, knielangen Faltenrock mit schwarzer 15 den Strumpfhose, dazu flache Männerschuhe, hatte ich schon ein Erlebnis. Eine Gruppe Jugendlicher in Schlapperhosen, die zu viert miteinander am Einstiegsbereich standen. Als sie mich sahen, fingen sie an, mich anzuglotzen und miteinander halblaut zu lästern.
Ich ignorierte sie, aber als sie an der übernächsten Station ausstiegen, sagte einer von ihnen laut, in meine Richtung gewandt: „Kranker Schwuler!“
Plötzlich sahen mich alle ringsum, sieben Fahrgäste, an. Nicht negativ, wie mir schien. Eine junge Frau in Leggings sagte, an niemanden besonders gerichtet: „Was für ein Armleuchter! Soll sich doch lieber um sein Maurerdekollete kümmern! Ich finde es toll, dass ein Mann es wagt… “
Alle wandten sich wieder ab – ich atmete tief durch.
Das Büro war völlig leer, bis auf mich. Aber nicht lange. Kaum hatte ich mir einen Kaffee geholt und mich am System angemeldet, hörte ich die Eingangstüre mehrmals ins Schloss fallen. Zwei Frauenstimmen, wieder die Mayer und… …die Stimme vom  letzten Mal, die, die gesagt hatte: „entsetzlich“.
Natürlich war es Lisbeth, erkannte ich nun. Lisbeth war vor drei Jahren in die Firma gekommen. Bei einer der ersten Meetings mit ihr musste ich sie ziemlich grob angeredet haben. Wir hatten vor allen anderen, immerhin war es eine wichtige interne Konferenz gewesen, eine wenn auch kurze, aber heftige Auseinandersetzung gehabt. Den Anlass hatte zumindest ich längst vergessen. Irgendein Detail beim organisatorischen Ablauf bei Verkäufen von Dienstleistungen. Doch der wirkliche Grund war mein Neid gewesen. Ja, an diesem Tag beneidete ich sie. Um die Tatsache, dass sie ein traumhaftes graues körperbetonendes Kostüm mit sehr kurzem Minirock tragen konnte. Und darum, dass sie eine weiße Bluse, eine halbmatte, schwarze, transparente Strumpfhose und dazu passende Pumps mit hohen Absätzen anhatte. Und ich konnte davon nur träumen! So wollte ich ihr den Tag versauen! Seit diesem Streit aber standen wir einander feindlich gegenüber. Machte einer von uns einen Vorschlag, so wurde vom jeweils anderen eine Analyse gestellt, wo alle Schwachpunkte des Vorschlags ohne Schonung aufgelistet wurden.
Nun, an diesem Samstag, würde ich versuchen, den beiden Frauen, die gekommen waren, auszuweichen, indem ich im Zimmer, das mein Büro war, blieb. Sie sollten mich nicht unbedingt in Rock und Strumpfhose sehen. Nicht noch eine Beschwerde.
Ich machte also meine Arbeit hinter der geschlossenen Türe, hörte mehrmals die beiden Frauen am Flur oder im Pausenraum, der dem Büro gegenüber lag. Ein kritischer Moment, ich musste eine Seite ausdrucken und so auf den Gang. Bevor ich den Raum verließ, lauschte ich – kein Ton zu hören. Ich ging, hielt den Rock fest, damit dieser nicht so laut raschelte, was ich sonst daran liebte, nun aber eher hinderlich war. Ich ging zum Drucker, fand den Ausdruck, nahm ihn an mich und huschte wieder in mein Büro.
Genau in diesem Moment… Stromausfall! Sämtliche Lichter, der Tag war grau in grau, erloschen und ich stand im Zwielicht. Verdammt! Aber ich war sowieso fertig und konnte das Büro verlassen. Die Eingangstüre war rein mechanisch zu öffnen, ebenso die Gebäudetüre. Ich würde nicht einmal den Notausgang benötigen.
Die beiden Frauen…  Wo waren sie? Eigentlich wollte ich ihnen nicht begegnen. Verdam… Lisbeth. Wieder lauschte ich an der Türe. Nichts, wahrscheinlich waren sie schon weg. Ich verließ den Raum und den Bürobereich, ging die Stufen nach unten, zum Ausgang. Als ich im ersten Stockwerk war, hörte ich seltsame Geräusche. Genau von dort, wo unser Rechnerraum lag.
Normalerweise hörte man von dort sehr lautes Rauschen, doch heute war es viel weniger intensiv. Offenbar weil das Notstromaggregat nur einen Teil der Rechner am Leben hielt. Der Strom war ja immer noch weg. Zwischen dem Rauschen glaubte ich leise Stimmen und Klopfen zu hören. Ich blieb vor der Türe zum Raum, etwas abseits der Stufen, stehen.
Hier war es noch deutlicher. Ich hielt meine Karte an den Kartenleser, zog am Türknopf, um sie zu öffnen. Ich wusste, ich hatte Zugang. Doch nichts geschah, der Mechanismus war eingerastet, immer noch! Hing die Türelektronik nicht am Notstrom?
Nun wurde noch lauter geklopft und jemand schrie im Raum. Es war die Stimme von Frau Mayer.
„Frau Mayer“, brüllte ich, „Versuchen Sie von innen zu öffnen, ich probiere es gleichzeitig von außen!“
So versuchten wir es nahezu eine halbe Stunde, eine Zeit, in der mir mehr und mehr klar wurde, dass ich die Feuerwehr brauchen würden. Warum ging der Ausfall immer noch weiter? Und ich hatte den auffallenden Rock an!
Unsere Versuche waren zwecklos, ich rief bei der Feuerwehr an. Sie kamen mit zwei Fahrzeugen und zwanzig Mann. Ich erklärte ihnen die Situation und sie brachen die Türe auf. Während ich mich unwohl fühlte und mich fragte, wie von viele von ihnen und von dem Menschenauflauf, der sich vor dem Gebäude bildete, meinen Rock und meine Strumpfhose im Visier hatten. Lisbeth und Frau Mayer schienen es nicht zu sein, sie waren offenbar nur froh, als sie endlich draußen waren. Ja, sie waren es tatsächlich gewesen, die eingesperrt gewesen waren. Von der Feuerwehr fühlte ich mich auch nicht angegafft. Vielleicht war ich nicht aufgefallen und alle würden über meine Kleidung schweigen.
Am Montag rief mich wieder mal Rüdi in sein Büro.

Offline Ein de Waf

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Teil 3, Finale - anders als man ...

„Küm rei“, antwortete er auf mein Klopfen.
„Grüzi…“, sagte ich, als ich sein Büro betrat.
Er saß an dem kleinen Konferenztisch, nicht an seinem Schreibtisch. Am Tisch lag eine Zeitung. Ich erkannte sie als ein ‚Aktuelles Blatt‘, eine Gratiszeitung, die Bürger zu Fotos und Berichten aufrief. Von der Umgebung der Kleinstadt, wo unser Büro war.
Rüdi deutete auf einen Sessel am Tisch. Ich setzte mich.
„Luarg, du bischt in der Tscheitung!“, sagte Rüdi lächelnd.
Ich spürte Hitze aufsteigen, wusste, dass ich knallrot im Gesicht war. Ich hatte ihm versprochen, nicht mehr im Rock ins Büro zu gehen. Doch jetzt…
‚Wieder Pfusch im Officecenter! Mann im Rock ruft Feuerwehr“, war die Schlagzeile auf Seite 7.
Das Foto war offenbar aus der Entfernung mit einem Handy gemacht worden, leicht pixelig und unscharf, aus einer tiefen Perspektive. Trotzdem waren mein Gesicht, das babyblaue Kleidungsstück und meine von schwarzem Nylon überzogenen Beine zwischen den Feuerwehruniformen deutlich zu erkennen!
„Warscht scho wieder im Röckli im Büro?“
Ich nickte, fühlte mich ertappt… Doch wobei… Ich verstand mich selbst nicht – es war doch mein gutes Recht, mich so zu kleiden.
„Ja, war ich!“, betonte ich.
“Du weischt, die Beschwerden“, meinte er, „Doch I woit mit dir wos aunders reden. Die Gehoitserhöhung.“
Ich sah ihn an. Ahja, mehr Geld. Wäre nicht schlecht für mein Seelenheil gegenüber meinem Konto. Aber…
Ich schüttelte den Kopf: „Du, Rüdi, geht was anders?
„Aiso, was koan i für dich tuan?“, er sah mich skeptisch an.
Ich sagte es ihm. Zuerst wollte er nicht ja sagen und versuchte mit dem Geld dagegen zu halten. Endlich war er, nach mehreren Versuchen, dazu bereit. Danach dauerte es drei Monate, bis ich die Erlaubnis hatte und die Windmühlen besiegte. Es war die Erlaubnis, Röcke und sogar Kleider samt meinen geliebten Strumpfhosen im Büro tragen zu dürfen, aber wert. Erst der Manager des Managers des Managers meines Chefs, Büro in Massachusetts, erteilte die Genehmigung. Seitdem, bis zu dem Augenblick, wo ich im roten Kleid vor dem Spiegel stand, hatte ich keine Hose mehr im Büro angehabt. 
 
„Hans! Wir gehen, komm schon!“, sagt Helmuth, indem er die Türe der Toilette, wo ich in Weinrot vor dem Spiegel stehe, aufreißt. Firmenfeier, Essen wartet auch auf mich. Ich nehme meinen Blazer und gehe zu den anderen. Das Essen im feinen und nahem Lokal, in das sie uns eingeladen hatten, verläuft problemlos. Niemand glotzt mich, den einzigen Kleider und Strumpfhosenträger, an. Nicht einmal eine einzige Frau trägt was anderes als Hosen – Leggings inkludiert. Nur schöne Oberteile. Wir unterhalten uns, nicht einmal Sticheleien freundschaftlicher Art erreichen mein Ohr. Ich genieße mein Anderssein.
Doch dann…
Nach dem Essen noch in eine Bar. Wir gehen zu Fuß dorthin, stellen uns vor dem Rausschmeißer an, in einer Reihe. Leise Klaviermusik aus dem Lokal im Souterrain Jeder von uns wird gemustert – und eingelassen. Bis die Reihe an mir ist. Der Mann vor den Stiegen ist massig, offenbar Bodybuilder und mehr als einen Meter neunzig groß.
„Hmmmm“, macht er, während mich sein Blick aufzuspießen scheint.
„Sie sind ein Mann und tragen ein Kleid. Und Strümpfe!“, stellt er fest.
Ich sage „Ja, bin ich! Was stört Sie?“
Er sagt es mir.
„Natürlich!“, denke ich.
„Was ist das Problem?“, fragt mich Lisbeth hinter mir.
Wir beiden stehen als einzige noch draußen. Ausgerechnet sie.
„Na ja. Ich gefalle ihm nicht. Falsch…“
In diesem Moment fährt ein Auto mit Sportauspuff vorbei, macht so viel Krach, dass ich mich selbst nicht verstehe. Aber Lisbeth hat verstanden.
„Komm mit mir, ich wohne nicht weit von hier. Ich borg dir was, mein Mann ist auf Dienstreisen, aber er würde sowieso nichts dagegen haben“, sagt sie.
Ich bin verblüfft, nicke, völlig überrascht. Meine Erzfeindin, was hat sie vor? Doch dann folge ich ihr.
Lisbeth lebt in einer zweigeschossigen Wohnung in einem Neubau zwischen alten Häusern. 
Sparsam, fast karg, entschärft durch wenige färbige Akzente ist das Innere. Die Garderobe hingegen sieht aus wie aus einem Hollywood Film.
Natürlich passen mir seine Sachen nicht. Viel zu groß.
Die von ihr aber schon. So ziehe ich etwas von ihr an. Wir kehren zurück zum Jazzlokal.
Ich stehe wieder vor dem Bodybuilder. Wieder mustert er mich intensiv. Schließlich nickt er: „Schon viel besser. Schließlich haben wir eine Regel aus Cannes übernommen. Zumindest für Kleid und Rockträger!“
Ich nicke Lisbeth zu, bedanke mich noch einmal.
„Übrigens schönes Kleid!“, ruft mir der Türsteher, als ich endlich an ihm vorbei bin, hinterher. Ja, es ist nicht das sexy Kleid, sondern es sind die Schuhe das Objekt der Blockade. Behoben, ich komme so auch zum ersten Mal im Leben in den Genuss, hohe und dünne Absätze zu tragen. Statt meinen Sportlatschen.


 

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