Hallo,
ich finde die Diskussion wird von manchen nicht gerade mit Verständnis, Empathie und vor allem Sachkenntnis betrieben. Vor allem stimmt es mich traurig, wenn Mitglieder einer Minderheit (rocktragende Männer) eine andere Minderheit, die hier als "Trans" bezeichnet wurde, pauschal abwertend betrachten, vermutlich gerade weil sie niemanden der anderen Minderheit/en kennen, und nichts einschlägiges darüber gelesen haben.
Jürgens Beitrag war eine der wenigen wohltuenden Ausnahmen.
Dann wird alles in einen Topf geworfen, um auf Deubel komm raus die eigene "Mänlichkeit" herauszustellen. Grinsend lugen dann die alten hässlichen Vorurteile hinter den Argumenten hervor: Ablehnung von Femininität, Ablehnung von männlicher Homosexulität, usw.
Und weil man selbst nichts über Trans weiss, nimmt man das auf, was einem die "Bild-Zeitungs-Universität" und andere Medien vergleichbarer Qualität immer wieder als "Trans" servieren: die exorbitanten Verhaltensweise einer Minderheit, oder Subgruppe des, der Drag-Queens und Fauenimitatoren, und zwar denen, denen es um eine Überspitzung, eine karikierende Darstellung der Weiblichkeit geht. Dies wird ja auch in den Nachrichten gerne gezeigt, wenn die Loveparade oder der CSD/Pride-Umzug läuft. Es ist farbig, oft lustig und es sind meistens offenbar und ersichtlich Männer, die sich so ausstaffieren. Dragqueen sind überdurchschnittlich oft homosexuelle Männer - und es ist derjenige, relativ kleine Bereich unter Homosexuellen, der flamboyant übertrieben feminine Verhaltens- und Ausdrucksweisen lebt. Ansonsten sind homosexuelle Männer genauo männlich wie alle anderen auch, d. h. wie alle anderen mehr oder weniger.
Drag etc. ist im Bewusstsein der Bevölkerung wohl der am meisten wahrgenommene Teil des Trans-Spektrums.
Daneben "sensationelle" Berichte über Mann->Frau-Transsexuelle, also meist TS-Frauen (nur selten kommen die ebenso häufigen Geschlechtsanpassungen Frau->Mann in das Licht der öffentlichkeit, etwa Balian Buschbaum). Mann-> Frau ist halt so "interessant", weil sich da (äusserlich) Männer in Frauen "umwandeln" lassen - dass heisst im Ansehen vieler das Schlimmste machen, was "ein Mann" machen kann: freiwillig seine "Männlichkeit" abzugeben. Dass aufgrund der unterschiedlicher Voraussetzungen nicht alle TS-Frauen anschliessend der Norm entsprechen, und z. T. weiterhin als "kastrierte Männer im Rock" angesehen werden, macht es nicht einfacher.
Und so verfestigt sich im öffentlichen Bewusstsein immer wieder in Bezug auf Trans die falsche kausale Verknüpfung von (abgelehnter) Homosexualität und (abgelehnter) Feminität. So sind alle die aus irgendeinem Grund Kleider tragen wollen/müssen, die dem anderen Geschlecht zugeordnet werden, als schwul abgestempelt.
Umgekehrt übrigens auch, denn als lesbisch werden auch Frauen betrachtet, die sich betont mit "männlichen" Dingen ausstaffieren oder "männliche" Verhaltensweisen zeigen (da der Volkmund ja "weiss", dass alle Lesben "Mannweiber" sind. Auch dass völlig idiotisch, denn auch unter denen gibt es jede erdenkliche Varianz, und sehr feminine. Anne Will ist ja nun auch nicht als typisch mannweiblich zu sehen...).
Und wie sehr "männliche" und "weibliche" Verhaltensweisen in Klischees ausarten, hat man ja in der berüchtigten Wikipedia-Liste solcher Eigenschaften gesehen, die hier vor einigen Tagen zitiert wurde.
Die offenbar falsche Gleichung
"weibliches" Kleidungsstück + Mann = schwul
sollte doch hier im Forum bekannt sein, und
man sollte meinen, dass Männer, die sich in der Gesellschaft draussen im Rock bewegen wollen, und dafür in Kauf nehmen, schon mal von pöbelnden Menschen als schwul bezeichnet zu werden, mehr Verständnis für Angehörige der anderen Minderheit zeigen, sowohl für Trans wie auch weibl. u. männl. Homosexualität oder Bisexualität.
Mann-sein (wie auch immer man das definieren wollte) und Trans-sein schliesst sich meist nicht aus.
Ich kann von mir selbst und anderen sprechen: Ich bin beides Mann und Crossdresser. Ich ziehe mir Röcke an, die als Männerröcke durchgehen, oder auch feminine Modelle, mit hübschen Mustern oder Spitze. Ich fühle mich dann nicht als Frau (denn das bin ich nicht und so sehe ich mich nicht), eher wie der englische Komiker und Transvestit Eddie Izzard sagt (bin nicht sicher ob ich das hier - aus dem Gedächtnis - ganz richtig zitiere: I am all boy, plus extra girl. Anders gesagt: Ich fühle mich (entsprechend meinem Geburtsgeschlecht weitgehend) männlich - und etwas weiblich obendrein.
Ich bediene mit meinen Röcken und anderen Sachen die eine wie die andere Seite. Und mit Sexualität hat das weiterhin nix zu tun - wie einerseits meine Frau bestätigen könnte (Eddie Izzard würde sagen: "I am a male lesbian"), und andererseits da ich kein Fetischist bin, wie die meisten Crossdresser (und da Fetischimus auch keine "Krankheit" ist, wäre das auch nicht weiter tragisch, wenn ich einer wäre).
What's the problem with that?
Crossdressing heisst neutral, dass man sich Dinge anzieht, die dem anderen Geschlecht zugeordnet werden, und zwar egal, ob man sich einzelne Teile (z. B. einen Rock) anzieht, oder sich komplett als Frau zurecht macht. Es wäre also der Oberbegriff auch für Verhaltensweisen, die sowohl bei vielen männlichen Rockträgern als auch bei vielen Transvestiten (die sich nicht komplett umkleiden) vorkommen.
Ich meine, dass die Männerrock-Bewegung und die nicht-sexuelle Verhaltensweise des Crossdressertums und Transvestitsmus in vieler Hinsicht ähnliche "Ziele" haben.
Das wesentliche ist doch, dass das Tragen von Röcken und ggf. anderer Kleidung, die gemeinhin als feminin betrachtet wird, einmal toleriert wird, oder - Zukunftsmusik - gesellschaftsfähig wird.
Trans, um darauf zurückzukommen, umfasst letztlich alle die gelegentlich, häufig oder dauernd "abweichende" Geschlechtidentität besitzen, d. h. die sich zeitweise oder immer in ihrem (wie auch immer definierten) biologischen Geschlecht nicht oder nicht ganz zu hause fühlen (können). Da muss man weiterhin die grossen Gruppen unterscheiden der
Crossdresser und Transvestiten, wohl auch die transvestischen Fetischisten, Transsexuelle. Untergruppen und adere Schubladen sind möglich, und die Übergänge können fliessend sein..
Die TS sind in der Diskussion doch offenbar nicht das Problem. Sie fühlen sich ab irgendeinem Zeitpunkt im Leben unwiderruflich als Angeörige des jeweils anderen Geschlechts. Eine TS-Frau (ist eben kein Mann, war es nur rein äusserlcih sozusagen) ist also kein "männlicher" Rock-Träger. Ein TS-Mann dagegen (urspr. als Mädchen geboren) wäre dagegen durchaus ein Kandidat für die "Männerrocker", wenn er denn gerne Röcke anzöge (was gerade bei der Gruppe mit ihrem männlichen Selbstverständnis wohl eher unwahrscheinlich ist).
Ich finde hier zeigt sich schon, dass die Kategorien recht fliessend wären. Ich verstehe daher nicht, dass manche hier im Forum Probleme damit zu haben scheinen.
So.
Zurück zum Crossdressertum:
Dann gibt es noch eine Untergruppe des Crossdressertums, das sind fetischistische Transvestiten. Also, diejenigen, die Kleidung des anderen Geschlechts nutzen zur sexuellen Erregung. Gibt's auch bei Frauen, aber wohl nicht so oft, da "Männerkleidung" in der Regel weniger sexualisiert ist (und zum grossen Teil, wie wir hier wissen, von Frauen ohne Tabu getragen wird). Als fetischistischen Transvestismus kann man das aber nur bezeichnen, wenn dies eine dauerhafte Verhaltensweise ist,
denn hier ist eine wichtige Einschränkung zu beachten:
Es ist zwar richtig, dass viele Crossdresser/Transvestiteten ihre Neigung in der Zeit der Pubertät entdecken, und damit oft einhergeht, dass dies mit sexueller Erregung einhergeht. Typisch ist hier aber, dass dieses Verhalten verschwindet, sobald das Crossdressing regelmässig betrieben wird. Diese wohl grösste Gruppe der Crossdresser/Transvestiten sind daher keine Fetischisten, und Crossdressertum/Transvestismus dieser Gruppe ist daher keine sexuelle Verhaltensweise (wie es immer wieder in Unkenntnis unterstellt wird - auch hier im Forum). Das gilt übrigens auch für Teilbereiche, wie sogenannte "Damenwäsche" (ein blöder Begriff - hat schon mal jemand von "Herrenwäsche" gesprochen. Und gewaschen wird doch hoffentlich alles regelmässig). Ich trage auch so etwas, wenn es mir passt und bequem ist , genau wie Röcke oder "Damen"-Jeans- so what?. Nur, hier im Forum, wird dann mit Unterstellungen gearbeitet, wenn man nicht der eingeschränkten Vorstellungsfähigkeit einzelner Macho-Männer genügt. Traurig...
Crossdressertum hat also nicht a priori oder gar oft mit sexuellen Verhaltensweisen zu tun. Warum ich als Mann (männlicher Crossdresser oder nicht) einen Rock anziehe, kann doch wohl jedem hier egal sein.
Wenn ich mir einen Rock anziehe, und mich mal eher feminin oder eher männlich fühle - wenn kann das wohl stören? In sofern wäre die ganze Aufregung der letzten Tage hier doch ganz unnötig.
Soviel erstmal. Muss arbeiten ...
Viele Grüsse
Rockio