Hallo zusammen!
Nachdem ich die ganze Geschichte drei Tage lang habe "sacken" lassen (Rici, ich war wirklich etwas geknickt, hast Du gut ausgedrückt), versuche ich mal, meine Sicht darzustellen.
Seitdem ich mit Rici Kontakt habe war immer die Rede davon, dass der Rock für den Mann einen Durchbruch zum Massenartikel erleben solle, dass er die Herrenabteilungen der Kaufhäuser erobern sollte. Das war das Fernziel. Rici war davon genau so begeistert wie ich. Wir haben beide in unserem Enthusiasmus einige Dinge übersehen.
Das Hauptproblem auf dem Weg zu diesem Fernziel ist der Mann selbst. Wenn der Rock auch für den Mann ein alltägliches und überall angebotenes Kleidungsstück werden soll, dann muss eine Nachfragemacht dahinter stehen, die eine gewisse Grössenordnung überschreiten muss. Unterhalb dieser Schwelle ist es ein Nischenmarkt. Das ist in den vorhergehenden Beiträgen von verschiedenen Leuten genügend beleuchtet worden.
Warum sehe ich den Mann selbst als Hauptproblem? Erstens weil die überwiegende Anzahl aller Männer sich nicht für Kleidung und modische Fragen interessiert. Meistens überlassen sie die Auswahl, Kombination und den Kauf ihrer Kleidung ihren Frauen und wenden sich "wichtigeren" Dingen zu. Und zweitens ist da die Angst. Diejenigen Männer, die ganz insgeheim doch den Wunsch hegen, auch mal einen Rock zu tragen, weil es doch so wahnsinnig angenehm sein muss, bei 30° im Schatten so ein wunderbar leichtes und luftiges Kleidungsstück zu tragen, die scheuen letzten Endes davor zurück. Nach meiner Meinung liegt das ausschliesslich am fehlenden Selbstbewusstsein. Einige wenige haben dieses Selbstbewusstsein schon von vorneherein. Die haben es relativ leicht, das in die Tat umzusetzen. Man kann sich aber das fehlende Selbstbewusstsein auch antrainieren, wenn man den Willen dazu hat. Auch solche Fälle sind mir persönlich bekannt. Das ist auch ein Weg, der allerdings etwas mehr Zeit erfordert aber auch zum Ziel führt. Dann kommt da noch die Angst vor dem Auffallen (man ist ja ein Hingucker) und vor dem Gerede der anderen. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Hindernis sind die eigenen Partnerinnen. Die finden Männer in Röcken meistens schick, möchten nur nicht, dass der eigene Mann auch Rock trägt. Schliesslich ist da noch das Klischee "Rock ist Weiberkram", obwohl angesichts von mehr als 90% hosentragender Frauen zumindestens bei Röcken nicht mehr von "Frauenkleidung" gesprochen werden kann. Das alles führt dazu, dass die allermeisten Männer den Rock mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser. Daher kann also für eine Massenproduktion nicht die nötige Nachfrage entstehen.
Nach all dem was ich erwähnt habe, bin ich heute sehr skeptisch, was den Rock als alltägliche Standardkleidung für die Mehrzahl der Männer betrifft. Ich selbst z. B. trage seit Jahren nur noch Röcke. Das wird in meinem gesamten Umfeld positiv aufgenommen, ich werde geachtet, respektiert, nicht lächerlich gemacht und von Frauen manchmal sogar regelrecht angeschmachtet, wenn ich gewisse Röcke trage. Was natürlich erheblich mit dazu beiträgt, dass ich mich so wohlfühle und so enthusiastisch bin. Ich bin davon ausgegangen, dass sich im Laufe der Jahre der eine oder andere Mann in meinem Wohnort auch mal im Rock zeigen würde, indem er mir das einfach mal nachmacht, nachdem er jahrelang gesehen hat wie natürlich und unbekümmert ich mich in Röcken bewege. Ich setzte auf den Vorführeffekt. Aber in all den Jahren habe ich nicht einen einzigen Mann getroffen, der auch mal einen Rock trug, der von hier ist und den ich nicht kannte.
Auch von Seiten der Medien ist ja schon einiges gestartet worden. Im Frühjahr 2001 hat Thomas Gottschalk mal eine ganze "Wetten dass"-Sendung über dreieinhalb Stunden lang in einem schicken Kilt moderiert. Das kam sehr gut beim Publikum an. Eine Woche lang wurde davon auf den Strassen und Plätzen geredet, und das absolut nicht schlecht. Danach war wieder Ruhe im Karton. Nachahmer hat es auch nicht gegeben. Einige andere Promis und Musiker (Right Said Fred, der Gittarist von Guildo Horn und andere) haben immer wieder Rock getragen. In so Sendungen wie GZSZ traten immer wieder Männer in Röcken auf. Wirkung = 0! Leider! Anscheinend gibt es nichts auf der Welt, das bei Männern Interesse am Rock erwecken könnte, bei denen nicht schon der heimliche innere Wunsch danach vorlag.
So sieht also meine persönliche Bestandsaufnahme aus. Das Einzige, was in dieser Situation machbar ist, das wäre kleine Boutiquen wie z. B Xhibition in Köln dafür zu gewinnen, Männerröcke in Kleinstserien anzubieten. Und natürlich so oft es geht in Röcken gekleidet und mit persönlichem, ansprechenden Gesamtstil in die Strassen hinaus zu gehen und sich als Mann im Rock selbstbewusst, stolz und selbstsicher zu zeigen.
@Rici: Mir tut es ausserordentlich leid, dass Du bereits bei diesen Aktivitäten Geld verloren hast. Ich danke Dir für diesen ausserordentlichen Einsatz und für Dein Engagement. Ebenso vielen Dank dafür, dass Du den Forenteilnehmern mal erklärt hast, wie kompliziert die Verhältnisse in der Textil- und Modewirtschaft sind. Wir alle haben ja nicht die geringste Ahnung davon, weil wir keine Insider sind.
Das soll's ersmal von mir gewesen sein. Ich finde gut, dass darüber nun eine sachliche Diskussion gestartet worden ist. Vielleicht kommt ja doch mal was Positives dabei raus. Ich wünsche mir das für uns alle.
Schöne Grüsse,
Ferdi