Kurze Frage, lange Antwort. Nein: Keine Antwort. Nur Gedanken:
Ich denke, soweit ich Albis einschätzen kann, dass es ihm nicht darauf ankommt, dass es unbedingt 'damenhaft' aussehen muss.
Mit 'damenhaft' meinte Albis meiner Einschätzung nach nur eine Erscheinungsform, die man eben in unserer Zeit nur von 'Damen' her kennt.
Es hat einen bestimmten Reiz, etwas zu tun, was einem eigentlich laut gesellschaftlichen Konventionen vorbehalten bleibt. Insofern kann 'Damenhaftes' durchaus auch als etwas reizvolles angesehen werden, was vielleicht nicht dauerhaft angestrebt wird, aber zur Erweiterung der eignen Erfahrungswelt beitragen kann.
Auch wenn man es nur von Damen mit gutem oder zweifelhaftem Ruf her kennt, die Röckchen rund um die eigene Sitzposition auszubreiten (und nicht unter dem Sitzfleisch zu verstecken) - oder wie in Albis' Fall, den längeren Rock rundum um die Sitzfläche z.B. den Stuhl herunterfallen zu lassen, ich finde genau diese Erscheinungsform noch nicht mal 'damenhaft'. Sondern sogar ausgesprochen 'herrschaftlich'.
Da mag nun Kraft des Wortes ein gewaltiger Widerspruch auszumachen sein. Aber wie ich in meinem Beitrag hier im hiesigen Thread schon erwähnt habe, nehme ich die (wie auch immer gestaltete) Ausbreitung des Rockes rund um meinen Unterkörper in sitzender Position als so etwas wie eine 'Blüte' wahr, wenn ich an mir heruntergucke!
Andererseits ist dieses Sich-Ausbreiten des Rockes am eigenen Leib auch etwas Raum greifendes. Und genau dieses raumgreifende empfinde ich letztlich als etwas 'herrschaftliches'!
Dazu fällt mir der Begriff des 'Manspreadings' ein. In öffentlichen Situationen, besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln, wird dies ja gerne mit Rücksichtslosigkeit, männlicher Dominanz, Machtgehabe und frauenunterdrückender Potenzdarstellung in Verbindung gebracht. Für alle, die den Begriff nicht sofort zuordnen können, ist 'Manspreading' die Angewohnheit von Männern, nicht mit geschlossenen Beinen dazusitzen, sondern mit weit geöffneten Beinen und damit den benachbarten Personen, meist Frauen, den verfügbaren Raum streitig machen.
Meine Tante, Jahrgang 1914, machte mich mal darauf aufmerksam, dass sie das furchtbar finde. Anlass war gerade eine Nachmittags-Talksendung in der in der vordersten Reihe im Publikum ein junger Mann dasaß und eben mit seinen Beinen mehr als nur die Breite seines Sitzplatzes in Anspruch nahm. Er trug Jeans und ich machte meine Tante aufmerksam, dass man in Hosen, speziell engen Hosen, als Mann eben auch gar nicht anders dasitzen kann, will man Quetschungen von Körperteilen minimieren.
Und genau diese Einquetschung der männlichen Anatomie macht es eben auch so angenehm, durch weit geöffnete Beine genau diese Quetschungen zu reduzieren. Jedoch las ich neulich davon, dass es den wissenschaftlichen Beweis gäbe, dass durch die unterschiedliche Physis von männlichen und weiblichen Hüftgelenken es den Männern auch gar nicht möglich wäre, ohne wahrnehmbare Schmerzen und Anstrengungen so sittlich dazusitzen, wie das die Frauen tun: Also dass die Sitzhaltung gar nicht so kulturell geprägt sei, von wegen Frauen sitzen sittlich mit eng aneinander gepressten Beinen, sondern eben der Körperbau die unterschiedlichen Sitzhaltungen provoziert.
Trotz all dieser Erklärungsversuche wird 'Manspreading' gerne noch - auch feministisch motiviert - als 'raumgreifend' gelesen, mit dem Anspruch darauf, den Raum zu beherrschen, inclusive der anwesenden Personen. Ja, und raumgreifendes Verhalten ist bei Männern ja auch oft anderweitig erkennbar, z.B. durch ausgebreitete Arme z.B. entlang von Rückenlehnen. Oder das Umarmen vom Weibchen, um ihm (dem Weibchen) ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit zu vermitteln. Welche Frau würde das ablehnen...!
Und genau 'raumgreifend' - ich schließe den Bogen wieder zum Ausgangsthema - empfinde ich auch die Ausbreitung eines weiten Rockes, der anders als Hosen, eben Raum beansprucht, der eine Art von Schönheit (anderes Wort: Herrlichkeit) ausdrückt. Auch wenn wir dieses Gehabe in unserer Zeit nur von Frauen her kennen und es als weiblich oder 'damenhaft' abtun können - ich sehe darin auch etwas durchaus männliches.
Alles nur eine Frage der Betrachtung!