Lieber Zwurg,
Du schreibst "wenn es unvoreingenommen von aussen betrachtet wird, durch einen neutralen (fiktiven) Beobachter der die Kulturgeschichte nicht kennt".
Das ist ja genau das Problem, dem sich Kulturwissenschaftler*innen immer wieder stellen müssen. Und die Forderung daraufhin lautet: "Dann lerne die Kulturgeschichte kennen." Das ist also dann der Forschungsauftrag.
Und man muss dabei eines bedenken: Die Tatsache, dass es unerklärlich ist, steht auch nicht im luftleeren Raum, sondern auch der Mensch, dem es unerklärlich ist, steht in einer Tradition und Kultur des Verstehens. So gänzlich von außen sieht niemand etwas, aber dennoch ist es eine Außenperspektive. Aber dieser Mensch steckt ja auch in einer Kultur, aus der heraus er eine andere Kultur zu verstehen sucht.
Bei uns modernen, naturwissenschaftlich geprägten Menschen ist es so, dass wir manchen Traditionen unserer eigenen Kultur ausßenperspektivisch gegenüber stehen, weil sie eben nicht aus modernem, naturwissenschaftlich geprägtem Denken heraus entstanden sind, sondern aus mythisch-religiösem oder noch älter aus einem noch vormenschlichem Verhaltensmuster heraus.
Ich muss mal eine Pause machen.
LG, Micha
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So, da bin ich wieder:
Worauf ich hinaus will: Wir sollten uns, wenn uns etwas total unverständlich ist, mal fragen, aus welcher Perspektive wie das uns unverständliche Faktum betrachten. Was sind unsere Verstehensvoraussetzungen? Gibt es eine Passung zwischen uns und diesem Objekt, das wir verstehen wollen, aber so leicht nicht können, oder überwiegt die Nichtpassung?
Und wir sollten uns fragen, ob hinter dem deskriptiven Verstehenwollen vielleicht auch ein normatives Nichtverstehenwollen steckt, das uns beim Verstehenkönnen behindert.
Verstehst Du micht jetzt, Zwurg, oder rede ich für Dich Kauderwelsch?
LG, Micha