Ja, Wolfgang, Milch hatten wir in meiner frühen Kindheit auch noch in einer Henkelkanne aus Blech oder Plastik in einem Milchgeschäft geholt, wo die Milch aus einem großen runden Behälter mit einem langen Hebel in die Kanne gepumpt wurde. Das war beim Benner in der Holzgasse in Niederlahnstein. Etwas später kam die Milch in dünnen Plastik Tüten-Flaschen von Schwälbchen heraus, dem Vorgänger der heute noch üblichen Tetrapacks.
Whow, wie alt sind wir denn, dass wir das so erlebt haben?
Und bevor wir Bier, Limo und Wasser kistenweise beim Förger bestellten, kauften wir sie Flaschenweise bei Murachs, Nachbarn im Haus gegenüber, die die Flaschen an der Wohnungstür verkauften.
Mein Vater sagte übrigens, das Binding Export erinnere ihn an die Lagerbiere seiner jungen Jahre Ende der 1920er und in den 30ern im Bereich des heutigen südlichen Sachsen-Anhalt. Leider erlebte er nicht mehr, dass 1993 Binding ein Lager herausbrauchte. Das hatte in der Werbung den Zusatz "the international taste". Ob es ihm so geschmelckt hätte wie das von früher, weiß ich nicht. Er hatte auch immer von Halberstädter Würstchen geschwärmt, aber als mein Bruder in den 1980ern mal eine Dose von einer DDR-Reise mitbrachte, für die er extra noch in einem Coop in der Schlange hatte stehen müssen, und diess stolz unserm Papa überreichte, meinte dieser nach dem Essen, die schmeckten anders und weniger gut als die von früher. Mein Bruder war sehr traurig. Das wäre mit dem Binding Lager sicher nicht anders gegangen. Wer weiß!
Aber mein Vater starb 1992, und das letzte Telefonat mit meiner Mutter aus dem Krankenhaus, wo er wegen Prostata war, handelte davon, dass er nach einer Woche mal wieder ein Bier trinken wollte, wir aber sagten, die Ärzte hätten Alkohol verboten. Er sagte "Dann halt nicht", legte auf, und das waren seine letzten Worte. Oh Mann, vielleicht hätte der Alkohol die Emboly verhindert, an der er wohl gestorben ist. Wir dachten damals anders.
Es war um diese Zeit übrigens nicht mehr Binding Export gewesen, sondern durch einen Verwandten im Münsterland kam er auf Warsteiner Pils, obwohl er nie Pils mochte, da es ihm zu bitter war. Aber Warsteiner ist ja auch ein ausgesprochen mildes Pils, fast schon eher ein Helles oder eben Lager. Na ja, wie auch immer. Seinen letzten kulinairischen Willen, den er geäußert hatte, bekam er jedenfalls nicht erfüllt. Das erinnert dann schon an den Münchner im Himmel, dem irgendwann das Manna nicht mehr genügte. Du kennst/Ihr kennt die Geschichte sicher.
LG, Micha