Irgendwie, Vortex, hast Du mich mit Deinen Worten auch teilweise an meine frühe Zeit erinnert.
Auch da, also recht früh, machte ich mir so manche ähnliche Gedanken wie Du sie äusserst. Das war so im zarten Teenager-Alter.
Als Jugendlicher ohne jeglichen jemaligen Bravo-Kontakt kannte ich da nix anderes ausser das seit den 50er Jahren gefestigte, bürgerlich festgefahrene Rollenmodell. Selbst, dass Männer Männer lieben können, ging an mir als Tatsache eher vorüber. Oder als mein Onkel sich mal empörte, es gäbe "Mannfrauen" oder "Fraumänner", hatte das zwar meine Aufmerksamkeit sekundenweise erhöht, spielte bei mir aber trotzdem irgendwie keine besondere Rolle.
Im Grunde war ich "die Unschuld vom Lande' und schaffte es, gelegentlich so Parolen wie "Röcke für Männer" oder "Jungs können auch Röcke tragen" in ausgediente Zeitungen an den Rand zu schreiben, sozusagen als Hilferuf, ehe sie ins Altpapier wanderten und drei Tage später samstags von der Dorfjugend abgeholt wurden. In der Hoffnung, irgendjemand da draussen möge sich mit meiner Idee infizieren.
Vermutlich ging das ungesehen in den Einweichbottich. Aber der formulierte Gedanke lebt jetzt vielleicht in unzähligen Altpapierbüchern oder sonstigen Kartons weiter.
Einzige Informationsquellen waren für mich irgendwelche Zahnarztheftchen im Wartezimmer oder mal eine Fernsehzeitschrift, woraus ich dann von der Existenz von Crossdressern ("normale Männer", die es lieben, bevorzugt zusammen mit ihren Ehefrauen, gelegentlich als Frau ins Café oder sonstwie ins Städtchen zu gehen).
All die Sonderformen, die ich dann doch ohne Bravo über die Jahre kennenlernte, machten mich aber in keinster Weise an.
Und so schrieb ich noch im Studium auf Tafeln, auf die vollgekritzelten Tische und Möbel immer mal schön fleissig meine Parolen wie "Röcke für Männer". Es dauerte etliche Semester, bis ich dann anfing, in Röcken dort zu erscheinen. Angefangen damit habe ich, als ich in den Sommersemesterferien dort hin bin. Da war nicht viel los, bin dem ein oder anderen Bekannten begegnet, ja, dann war´s raus, dann praktizierte ich das immer öfters - und lustvoll.
Aber sicher war ich mir immer, ich bin nix, was mir sonst in den Medien begegnete, ich bin ein Mann, so wie man sich das rollenklischeemässig vorstellt, der einfach nur Hosen unbequem findet und deswegen keine anziehen will.
Die Fragen, die Dich umtreiben, Vortex, die stellte ich mir auch immer wieder, mit ziemlich immer der gleichbleibenden Antwort.
Von Fetisch wusste ich damals als "Unschuld vom Lande" nichts. Und ja, retrospektiv, ein klein wenig machte mich das schon im Privaten sexuell an - aber kein Wunder, das war in der Zeit - also das Alter, wo sowieso einiges rauswollte, ob es grade die passendste Gelegenheit war oder weniger.
Ich denke, das sind alles so Gedanken, die die meisten von uns so ziemlich bewegten oder noch bewegen. Ich finde spannend, wie die Parallelen zwischen uns allen zu entdecken sind, aber auch die individuellen Nuancen. Darum nur Mut, lasse uns weiter teilhaben an Deinen Gedanken und Fragen.
Meine - schnellgefasste - Antwort auf all diese Fragen ist: Einfach machen und wohlfühlen. Und entdecken, womit/worin man sich noch wohlfühlt.
Und das wichtigste ist: Deine, meine, unsere Mitmenschen haben am meisten Lebensqualität, wenn wir uns wohlfühlen!
Gruß,
Wolfgang