Dies soll kein politisches Thema werden, leider ist das, was ich ansprechen will, ein idealer Nährboden für Konspirationstheorien. Was mich aber interessiert, ist die Beschäftigung mit einem Phänomen, das ich in letzter Zeit häufiger beobachte, aber auch schon vor Jahrzehnten in unserer freien demokratisch orientierten Presse (und anderen Medien) beobachtet habe.
Es geht hierbei vor allem um wertende Formulierungen in eigentlich sachlichen Berichten in seriösen Medien, wie z.B. Spiegel, Zeit oder Welt. Ein paar Beispiele, die sich vor allem auf Regierung von Rußland beziehen, weil es da besonders auffällig ist. Es geht dabei nicht darum, was ich als Wahrheit oder bewußte Verfälschung der Wahrheit ansehe, sondern einfach über die Art und Weise, wie Dinge "nebenbei" bewertet werden. Die folgenden Beispiele sind relativ zufällig, waren aber im Kollegenkreis Thema, daher mir gut in Erinnerung:
Am Tag nach den Parlamentswahlen in Rußland gab es lautstarke Vorwürfe, die Wahlen seien gefälscht.
Im Zusammenhang mit den Demonstrationen der Oppositionsbewegung wurden diese Vorwürfe immer wieder genannt und es gab auch ein paar Filme auf Youtube und Zeugenaussagen, die allerdings Zweifler nicht überzeugen konnten. Gleichzeitig sendeten viele Regierungen ihre diplomatischen Glückwünsche und erkannten somit die Wahlen offiziell an. Im laufe der Berichterstattung verschwand das Wort "Vorwurf", es wurde so berichtet, als währe eine massive Wahlfälschung durch Putins Partei bewiesen. Diese Beweise vermisse ich, ebenso wie Zitate aus Berichten der zahlreich vorhandenen Wahlbeobachter aus aller Welt.
In einem Spiegelartikel, ich glaube über den Raketenschirm gegen moslemische Atomwaffen, wird Russland als "Demokratur" bezeichnet, was weder zum Informationsgehalt noch zum Verständnis des Artikels beiträgt.
Als kurz nach dem Jahrtausendwechsel Herr Ronald Schill in Hamburg seine neue Partei vorstellte, gab es fast jeden Tag einen Bericht im Abendblatt, meistens mit einem schmeichelhaften Foto von ihm versehen. Als dann seine Schwächen zutage tragen (Umgang mit Olaf Scholz, Drogenverdacht etc.), kam er ebenfalls jeden Tag vor, aber die Fotos waren jetzt alles andere als nett. Der Mann wurde erst öffentlich installiert, dann wieder demontiert. Ähnliches widerfuhr ja kürzlich Herrn Guttemberg und Herrn Wulff.
Über die Lage von Griechenland erfährt man als gehetzter Medienkonsument eigentlich fast nichts, man kann nur viele Vorschläge und Warnungen finden, über die man sich mangels weiterer Informationen kein Urteil erlauben kann. Gleiches gilt auch allgemein für die anhaltende Finanz- und Bankenkrise.
Ich lebe auch weiterhin stur in dem Glauben, in einem freien Land mit freier Presse zu leben, und daß die Presse im Prinzip schreiben kann und darf, was sie will. Allerdings frage ich mich immer häufiger, ob "was sie will" nicht zu frei ausgelegt wird. Daß z.B. Bild gerne überzeichnet und stark polarisiert, "um die Diskussion anzuregen" (so habe ich es jedenfalls in der Werbung verstanden), ist klar. Mir geht es aber nicht um Boulevardblätter, sondern um seriöse Berichterstattung, die von der Idee her keinerlei ideologische Färbung haben, und ebensowenig die Meinung des Jounalisten wiedergeben sollte.
Zur Sicherheit wiederhole ich es noch einmal: Es geht nicht um die Themen, die in den Beispielen genannt wurden, es geht auch nicht um eine Verschwörungstheorie zur Pressefreiheit, es geht einfach um die Qualität und Neutralität der Berichterstattung, und damit auch um ihre Glaubwürdigkeit.