Jetzt habt Ihr mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe nicht das Gefühl, aufgrund meiner gewählten Kleidung Freundschaften verloren zu haben.
Bei mir war es allenfalls umgekehrt. Dass ich mich aus freundschaftlichen Verbindungen vorauseilend zurückgezogen habe. Zwar war in Verwandtschaft und sonstigem Umfeld bekannt gewesen, dass ich mich zu Röcken zugeneigt fühle, aber dass ich sie tatsächlich auch in der Öffentlichkeit trage, war unbekannt und versuchte ich so lange wie möglich auch nicht publik zu machen.
So mied ich lange Zeit meine Stadt, die Umgebung usw. und holte mir lieber andernorts von fremden Leuten die Bestätigung, auch im Rock gemocht zu werden, als dass ich die Nähe meiner alten Seilschaften in angepassten Hosen gesucht hätte. Das war mein aktiver Rückzug aus der alten Clique.
Allerdings zerbrach die ohnehin in dieser Zeit, nachdem sich drei, vier spätere Lebenspartnerschaften aus dieser Truppe rekrutierten und auch der Übergang zwischen Schule und Arbeitsleben oder Studium neue Lebensschwerpunkte einzogen. Ohnehin war das eher im lokalen Umfeld der Kirche angesiedelt, die jenseits des ultraharten Kerns eher eine lockere Schicksalsgemeinschaft war.
Drüber hinaus - ja, Ihr habt mich zum Nachdenken gebracht, wobei ich mir altbekannte Fakten jetzt wiedergebe - hatte ich aus meinem Elternhaus keine wirklichen Freundschaften vorgelebt oder gar anerzogen bekommen. Der Ausdruck "bester Freund" war für mich sehr fremd und im Grunde befand ich mich in der erwähnten Clique eher auch in einer Zwangsgemeinschaft ähnlich wie unter den Mitschülern in der Schule.
Drum fiel es mir nicht schwer, mich aus diesem Verband zu lösen und meinem - nahezu doppellebigen - Erfahrungsfeld "ich im Rock" (aber weit draussen) den Vorzug zu geben. Neue Freundschaften ergaben sich dann tatsächlich - sogar in Hosen - rund ums Studium, die bis heute anhalten und wo Rock, Spaghettiträger oder sehr viel später zaghaft im Kleid kein Grund war, diese aufzukündigen.
Ich finde es zwar ebenso bequem, zuhause Röcke und Kleider zu tragen, aber seit jeher zog es mich raus unter die Leute - nicht zuletzt um auch die Bestätigung einzuholen, auch so (mit meinem "echten" Ich) gemocht zu werden.
Da spielt mir eben mein hoher "Wiedererkennungswert" stark mit rein, dass ich da draussen schon lange nicht mehr alleine bin. Und es gibt eine Reihe von Menschen, die gerne mit mir zusammen sind, mehr als ich Zeit habe für sie. Das ist schon ein beruhigendes Gefühl. Und ich kann oft gar nicht so klar die Linie ziehen zwischen guten Bekannten und echten Freundschaften; die Übergänge sind sehr fließend. Und beste Freunde, wo man sich ohne Worte zu verstehen glaubt, suche ich weder im Freundschaftsumfeld noch auf Partnerschaftsebene; da ist mir die klare Verständigung mit Worten einfach lieber.
Klar, Freundschaften kommen, Freundschaften gehen. Aber lieb sind mir Freundschaften, wo sich der gemeinsame Lebensinhalt, der gemeinsame Lebensmittelpunkt verändert hat, aber dennoch man sich nicht gegenseitig aus den Augen verliert.
Mir ist nicht so wichtig, ob es nun Freunde sind oder gute oder ferne Bekannte, ich weiß, dass es genügend Menschen gibt, die gerne mit mir zusammen sind und sich gerne mit mir sehen lassen. Das erstreckt sich auch auf potentielle Liebesbeziehungen. Solange das so ist, genieße ich jede einzelne Stunde und habe so eine schöne Zeit.