Wir dürfen nicht vergessen, dass zu der Zeit, in der Frauen verstärkt zu Hosen griffen, das Selbernähen noch zu den Grundfertigkeiten der Frauen gehörte. Viele dürften sich zunächst auch mit Hosen selbstversorgt haben bzw. dass sie abgetragene Kleidung von ihren Männern (oder generell von den Männern, die aus dem Krieg nicht mehr heim kamen) auf ihre Passform hin abgeändert haben.
Ich stelle mir vor, es kann in der Nachkriegszeit in Deutschland anders gewesen sein.
Ich habe den "Vorteil" noch während des zweiten Weltkriegs geboren zu sein. Ich habe aber NIE erwachsene Frauen in Hosen gesehen, bevor sie fast Mitte der 60er in Paris Frauen "erlaubt" oder "diktiert" wurden. Ich habe auch nie gehört, dass Frauen sich Hosen wünschten. Ausnahmen natürlich Reiten und Skilaufen.
Ich weiß auch nicht, wie verbreitet das Selbernähen war, aber sollten sich Frauen zu Hause Hosen genäht haben, dürften sie nie vor der Tür getragen worden sein
Gruß
Gregor
Oh, Gregor, da kenne ich andere Schilderungen. Mag sein, dass es in Dänemark anders und später ablief.
Aber so ziemlich jede Frau jetzt um die 80 oder älter erzählt davon, wie sie früher heimlich Hosen trugen. Sie hatten Hosen in der Tasche und zogen sich nach der Schule um. Und je nach Elternhaus oder Schule hatten sie das auch noch eine ganze Zeit lang auf diese Weise entweder den Eltern oder der Schule gegenüber heimlich praktiziert.
Und alle meine potentiellen Schwiegermütter, obwohl zumeist jünger, haben das auch alle mir erzählt. Einzig meine Mutter fing wohl - soweit ich das weiss - gemeinsam mit ihrer Mutter (meiner Oma) erst im der Laufe der 70er zaghaft an, Hosen zu tragen. Die erste Hose meiner Mutter war wohl eine Wanderhose für den Bergurlaub. Erst in den 90ern trug meine Mutter verstärkt Hosen - was vielleicht aber auch an meinem Vater lag, da er 10 Jahre älter war und zudem aus einer Familie stammte, die im Dorf als sehr konservativ, gar als altmodisch galt.
Meine Tante, die Dreiviertelschwester meines Vaters, habe ich nie in Hosen gesehen.
"Ich stelle mir vor, es kann in der Nachkriegszeit in Deutschland anders gewesen sein", schreibst Du. Ja. War es wohl.
Da gibt es ja auch das Nachkriegs-Narrativ der Trümmerfrauen, für manche Feministen 'der Schöpfungsmythos', wo bei den Aufräumarbeiten und Anfängen des Wiederaufbaus Frauen kräftig mit anpackten (viele Männer waren noch nicht zurückgekehrt, wenn überhaupt) und da die Frauen beim z.T. Hartanpacken sich schnell die dafür oftmals praktischeren, robusteren Hosen anzogen.
Aber ohne diesen Ausflug zu den Trümmerfrauen durchzogen Hosen für Frauen bereits vor Deinem Pariser Hosen-"Diktat" der 60er Jahre das deutsche Straßenbild - auch wenn es lange brauchte, bis das in Familie, Schule, Beruf, Veranstaltungen weitgehend akzeptiert wurde.
Es gibt viele Filme aus den 50ern, wo Frauen in Hosen zu sehen waren. Nicht nur in Filmen aus den USA, auch in deutschen Filmen, selbst im eher konservativen Filmgenre der "Heimatfilme" (angeblich ein typisch deutsches Genre der damaligen Zeit). Und ich meine, in US-Filmen der 40er Jahre seien Frauen in Hosen auch sehr oft zu sehen.
Selbstverständlich trugen diese Filme - eine der wichtigsten Unterhaltungsmöglichkeiten damals - auch zur Verbreitung dieser Idee bei. Gerade wohl in Deutschland, wo in großen Teilen ja die Amerikaner als die Befreier und Vorbilder galten und alles Amerikanische wie magnetisch aufgesogen wurde.
Gerade neulich hat
jene Dame (achja, die vorderste) mir fast stolz über ihr jahrelanges heimliches Hosentragen erzählt, während zum
Hübschmachen dann doch immer die Röcke freiwillig gewählt wurden.
Und hier ein Blick auf Hosen an Frauen bei einem deutschen Film von 1957:
Blick-Klick! ("Witwer mit fünf Töchtern")