Mein Rollstuhl, meine Röcke
Eine kleine Betrachtung über die Lust an meinen RöckenDas ist ein wirklich schöner Sommer – selbst der Herbst ist heute sommerlich. Im langen Rock fahre ich auf meinem Rollstuhl im Park umher und genieße die Schönheit der Sonne und der Bäume und der Menschen. Dieses Jahr hat es hier viele Schmetterlinge gegeben, besonders gefielen mir die „Admirale“, die kommen, wenn das reife Obst am Boden liegt, Beginn des Verfaulens.
Irgendwie tragen die Schmetterlinge ebenfalls Röcke, findet Ihr nicht auch? ... sehr flatterige.
Eigentlich habe ich zu hohen Blutdruck und müsste mich deswegen beim Arzt einem längeren Test unterziehen. Doch heute fühlte ich mich zu schwach, müde oder sowas ...
Deswegen habe ich die Verabredung beim Kardiologen abgesagt.
Nun rolle ich in unserem Park umher, aus DDR-Zeiten liegt hier noch alles voller Betonwege – und so häßlich das ist, es macht das Rollen und die Genüsse im Grünen möglich. Mein langer, weiter Rock ist hochgeschlagen und ein wenig über die Knie gezogen, und die bestrumpften Beine genießen die leichte Luft, die die Strümpfe durchlassen. Ich liebe am ehesten Baumwollstrümpfe, doch sie sind kaum zu kaufen. Am ehesten geht es da, im Kaufhaus oder über den Versandhandel Damen-Strumpfhosen zu erstehen, von denen ich die Beinteile abschneide. Das Oberteil werfe ich weg, und die Strümpfe sind meine tägliche Kleidung, natürlich mit irgendeiner Art von Strumpfhaltern (seht Bildergalerie).
Angenehm kühl ist es an den Knien, aber sie kühlen nicht aus, bleiben im Innern warm. Das ist das Gute an den Strümpfen – im Gegensatz zu langen Hosen. Meine Strümpfe wärmen das Bein innen, lassen aber die Kühle der Luft auf der Haut fühlen. In den langen Hosen (die ich früher trug) wird es leicht zu warm. Doch die Beine können auskühlen, wenn die Hosen weit sind. Das Gefühl in Strümpfen ist angenehmer, reizvoller, lebendiger, ich gebe größere Achtung den Beinen, wenn ich sie so wahrnehme ..., da ich ihnen Hingabe widme.
Und diese Achtung und Hingabe brauchen sie – so geschwächt und gelähmt und kaum brauchbar wie sie sind. Eine Physiotherapeutin riet mir mal vor vielen Jahren, mir die Beine als sonnig-gelb strahlende Wesen vorzustellen, und an dem Tag begann ich, nach gelben, langen Strümpfen zu suchen, an dem Tag war ich – wieder – eingenommen von langen Strümpfen - wie in der Jugend, als ich dem Zeitgeist entsprechend auch welche trug, zu kurzen Hosen, als Junge. Es gab jedoch leider keine bunten, nur erd-braune oder schwarze. Aber immerhin, ich mochte auch die und wußte noch nicht, daß man sich auch nach bunten sehnen konnte.
Heute aber ist es nicht nur das Muster, die Farbe, also das Aussehen sondern noch mehr das Gefühl, das die Strümpfe der Haut vermitteln. Mehr weiß ich gerade nicht zu sagen dazu. Oder auch die Luftigkeit an der Haut, dort wo der Strumpf nahe dem Körper endet, die Frische, wenn der Wind unter den Rock weht. Vorhin saß ich im Garten mit übergeschlagenen Beinen – und dann weht die Luft leicht und angenehm unter den Rock und schmeichelt ... Ja das sind so die Genüsse, die die Rockträger haben und auf die die Rock-Vermeider verzichten müssen. Sie tun mir ein wenig leid.
Oder die Schönheit meiner Knie, wenn die Strümpfe sie überspannen. Ich sehe da gerne hin – ja, Narziss ... kann doch was Seliges sein.
Aryaman Stefan