Danke Skirtedman,
du betonst einen wichtigen Punkt. Der Blick in die Geschichte ist oft voreingenommen. Wir sehen mit den Augen unserer Zeit. Aber unsere Erfahrungen sind nicht die Erfahrungen der Antike oder des Mittelalters. Einerseits wissen wir im 21. Jahrhundert mehr als vergangene Epochen, andererseits kennt auch die Forschung nicht alle Details vergangener Zeiten. Das schränkt unser Urteilsvermögen ein.
Deswegen möchte ich in Bezug auf Mode nochmal betonen, dass es in unterschiedlichen Kulturen und unterschiedlichen Epochen zu völlig unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Vorstellungen nicht nur in Bezug auf die Geschlechterrollen kommen kann.
Rot und rosa gelten heute als feminin. In den 20er Jahren noch waren rosa Anzüge der letzte Schrei bei den Männern (Herrman Hesse hat dazu sogar ein Gedicht verfasst) und rote Uniformen galten im Mittelalter als männlich, weil rot als die Farbe des Blutes und damit der Aggression galt. Damals hat niemand bei rot an weibliche Sinnlichkeit gedacht.
Es ist ja das Prinzip von Kultur, das Menschen sich die Freiheit nehmen hinsichtlich ihrer politischen und religiösen Empfindungen der Gesellschaft Regeln aufzuerlegen. Andere Generationen dürfen das gern anders sehen. So konnte aus dem Hosentabu für Frauen in den 1960er Jahren Alltagskleidung für Frauen werden. Und so wandelte sich einst mit den bürgerlichen Umwälzungen des 18./19. Jahrhunderts eben auch der Rock für Männer als Alltagskleidung zum Rocktabu für Männer.
Das ist alles nur eine Geschmacksfrage und hat mit echter Geschlechtlichkeit nichts zu tun. Durch unsere gesellschaftliche Prägung auf die Wertvorstellungen unserer Kultur werden wir aber zunehmend überzeugt, dass das so richtig ist. Die erlebten gesellschaflichen Normen prägen unsere Überzeugungen. Wir neigen dazu das gut zu finden, was wir aus dem Alltag nicht anders kennen.
Biologen (Anthropologen), Psychologen und Soziologen unterscheiden deswegen ganz klar zwischen dem kulturell zugewiesenen Geschlecht (Gender) und dem biologischen Geschlecht (Sex). Gender ist eine durch Erziehung gelernte Rolle. Sex ist Ausdruck einer biologischen geschlechtlichen Identität bzw. einer sexuellen Orientierung. Das ist die international anerkannte Lehrmeinung und heutzutage auch Gegenstand der Richtlinien zur Sexualerziehung in deutschen Schulen.