Perfekt aussehen muss nur, wer sonst nichts kann.
Hallo Hajo,
ich tu mich mit dieser Übergriffigkeit ehrlich gesagt etwas schwer. Genau die Typen sagen über uns, dass wir keinen Nutzen in der Gesellschaft haben oder irgendetwas leisten können, wer sich wie eine Frau anzieht. Kleidung verweist auch auf die sozialen Aufgaben,die Männer und Frauen zu erfüllen haben. Ich fühle mich tatsächlich manchmal überprivilegiert, wenn ich so neben Männern stehe, die morgens in ihrer Malerkluft oder anderen Arbeitssachen zur Arbeit fahren oder heim kehren. Ich höre es regelrecht in den Köpfen rattern, was ich wohl mache und wo um Himmelswillen so jemand, wie ich, arbeiten könnte, ohne den Ruf der Firma zu schädigen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es Männer mich spüren lassen, dass ich eine Aufgabe und Männerrolle zu erfüllen hätte, die ich durch meine Keidung zu umgehen versuchen würde. Und wenn ich körperlich arbeiten würde, auf solche Ideen, wie Röcke anzuziehen erst gar nicht kommen würde. Sowas kann nur aus Langeweile entstehen.
Wie sieht denn der Alltag der meisten Männer aus? Die eine Sorte geht 60h die Woche arbeiten, in der Hoffnung auf Beförderung und ein dickes gehalt. Die andere Sorte geht mit dem Gedanken an den Feierabend oder schon am Montag ans Wochenende auf Arbeit, weil die beruflichen Aufssteigschancen dort eher mau sind. Dann wird noch bissl was an Haus und Garten gemacht, Abendbrot gegessen und dann geht es schon in die Koje. Am Wochendende halten sich Männer die Zeit frei, um etwas mit ihrer Familie zu unternehmen. Vorallem die, die noch Samstag arbeiten gehen. Keiner dieser Männer wird auf den Gedanken kommen, sich morgens die Haare zu frisieren, sich die Wimpern zu tuschen und sich die Nägel zu lackieren und einen schicken Rock anzuziehen, nachdem er auf der Baustelle angekommen ist und sich dann in die Arbeitskluft schwingt, wenn er nicht gerade schon vorher so auf Arbeit fährt. Die Wimperntusche wird auch nicht den Tag bei Schutt und Mörtel überstehen, wenn zusätzlich das Gesicht von Schweiß bedeckt ist. Und nach Feierabend wird sich auch kaum ein Mann noch hinstellen und sich wieder für die paar Stunden schminken. Das mache ich nicht mal. Da reicht die Dusche und etwas Seife. Fertig. Zuhause wird sich dann in die Jogginghose geschwungen. Oder manche rennen nur in Schlüppern rum. Gibts auch.
Frauen haben in der Gesellschaft eine andere Stellung, dass sie den ganzen Tag über feminine Kleidung tragen können, die nicht unebdingt zum arbeiten geeignet ist. Unterscheiden muss man allerdings, für die Rosinenpicker unter uns, zwischen privilegierten Frauen und nicht so priviligierten Frauen, die für ihr Einkommen alleine sorgen müssen und irgendwo in Fabriken arbeiten. Wenn eine Frau im Rock und Bluse zur Arbeit fährt, weiß jede*r dass sie Sekretärin sein könnte oder irgendeine Aufgabe in einem typischen Frauenberuf und nicht im Handwerk nachgeht. Erst die Aufllösung der Arbeitseinteilung ermöglicht es, dass Männer Kleider tragen.