In der Pädagogik wird der Konstruktivismus gelehrt, insbesondere beim Beobachten, Dokumentieren und Analysieren von Verhaltensweisen und Interaktionen von Individuen.
Wir sprechen aber nicht von Wahrheiten, weil das ein eher religiös geprägter Begriff ist, der meist absolutistisch und universalistisch gebraucht wird. Alles was demnach nicht wahr ist, ist falsch oder eine Lüge und das sind Kategorien, die dem Konstruktivismus fern liegen. Wir sprechen daher von Wirklichkeiten bzw. Realitäten, die gleichberechtigt nebeneinander ko-existieren.
Der Konstruktivismus besagt, dass jedes Individuum seine subjektive Wirklichkeit aus der objektiven Wirklichkeit konstruiert. Dabei gibt es zwischen den Individuen bestenfalls Überschneidungen der subjektiven Wirklichkeiten, aber niemals eine identische Übereinstimmung. Die eigene Realität ist geprägt von unterschiedlichen Faktoren der eigenen Lebenswelt, der Erfahrungen, Sozialisation, etc., die sich zu einer individuellen Lebenswirklichkeit zusammensetzen.
Allgemeines Beispiel: Wenn ein Autounfall passiert, dann ist dieses Ereignis selbst die objektive Wirklichkeit. Die Zeugenaussagen stellen aber nur die subjektiven Wirklichkeiten dar, die sich voneinander erheblich unterscheiden, ja sogar widersprechen können. Die Polizisten, Versicherungsfirmen oder Richter müssen dann diese subjektiven Wirklichkeiten zusammenfügen und versuchen eine objektive Wirklichkeit zu rekonstruieren. Allerdings ist diese Rekonstruktion wiederum von deren eigenen subjektiven Wirklichkeiten geprägt, die beispielsweise durch ihre Berufserfahrungen beeinflusst sind, wodurch sie sie bewusst oder unbewusst mit ähnlichen Fällen vergleichen werden.
Pädagogisches Beispiel: In der Pädagogik gibt es deswegen einige Institutionen, die Beobachtungen filmisch dokumentieren. (Es gibt beispielsweise das Konzept "Marte Meo" in der Erziehungsberatung, das man nur mit entsprechender Ausbildung anwenden darf). Eine filmische Dokumentation hat den Vorteil, dass man weiteren Experten den Film zur Verfügung stellen kann. Obwohl alle denselben Film sehen, kommen sie zu unterschiedlichen Einschätzungen, weil sie unterschiedliche Kompetenzen, Qualifikationen und Erfahrungen haben sowie unterschiedliche Details wahrnehmen, die die anderen vielleicht gar nicht wahrgenommen haben, sodass jede Expertise eine subjektive Wirklichkeit darstellt. Im Austausch stimmen die Beteiligten dann die subjektiven Wirklichkeiten ab, um eine möglichst nah an der objektiven Wirklichkeit heranreichende Wirklichkeit zu rekonstruieren.