Eigentlich sind mehrere fatal intolerante und unflexibel konservative Denkschritte erforderlich um sich darüber aufzuregen:
1.Ein MANN, der sich nicht wie gewohnt kleidet, ist mindestens schwul oder trans.
2.Trans oder schwul ist abartig.
3.Diese Menschen machen das absichtlich.
4.Mir fügt es einen Schaden zu.
Sehr gut analysiert, Cephalus!
Diese verketteten Denkschritte dürften mit der Zunahme ihrer Nummerierung zahlenmässig in ihrer Häufigkeit abnehmen. Am weitesten verbreitet ist sicherlich der Denkschritt 1.
Und damit haben wir (diejenigen unter uns), die einen Anspruch darauf erheben, als hetero-orientierte Männer gelesen zu werden, ja bisweilen auch immer wieder zu "kämpfen".
Insofern sind die in den Links geschilderten feministischen Bedenken gar nicht so weit in ihrer Struktur entfernt, wie wir (diejenigen unter uns), die unsere Hetero-Orientierung als eingefleischter Mann anerkannt wissen wollen, immer mal wieder in unseren Gedanken hegen.
Bei allen noch zu bewältigenden Aufgaben, Benachteiligungen und Vorurteile gegen die in 1. genannten Gruppen abzubauen, müssen wir (diejenigen, die wir... siehe oben) aber auch immer mal wieder in inneren Konflikten den Gedanken fassen, inwieweit die verstärkte Sichtbarkeit der zwischen- oder transgeschlechtlichen Gruppen uns in unserer eigenen Anerkennung förderlich ist oder eben doch uns im Wege steht.
Die Gesellschaft muss einfach lernen, dass eben bei Punkt 1 kein Automatismus vorhanden ist, sondern dass der hetero-identifizierte Mann ebenso den Wunsch hegen kann, Rock oder Kleid, Farbe oder Muster zu tragen, ohne Verbindung zu den vorgenannten Gruppen.
Denn wir müssen unseren Frauen, Schwiegermüttern oder zukünftigen Partnerinnen gegenüber die Möglichkeit haben, vertrauensbildend unsere Neigungen, Wünsche offenzulegen, ohne unsere hetero-männliche Identität in Frage gestellt zu bekommen.
Gerade gestern hat eine Ex-Freundin mir einen Link geschickt. Seit fast einem Jahr hatten wir keinen Kontakt mehr ausser den üblichen Glückwunsch-Floskeln zu ihrem Geburtstag. Und dann wortlos der Link zu einem Fernsehbeitrag über Transidentitäten in den 50er Jahren. Auf meine freundliche Reaktion darauf bestätigte sie mir zwar, dass "jeder weiss, dass das nichts mit mir zu tun habe". - Das diffuse Gefühl, dass sie von meiner hetero-männlichen Verortung nicht mehr zweifelsfrei überzeugt ist, bleibt aber.
Insofern arbeitet die Sichtbarkeit der "non-heteronormativen" Gruppen auch irgendwo gegen meine Identität. Solange in der Gesellschaft nicht weit genug bekannt ist, dass auch Hetero-Männer sich freiwillig für was anderes als Hosen interessieren können, bleiben bei uns (die wir.. siehe oben) bzw. zumindest bei mir auch geringe Vorbehalte gegen allzu präsentes Auftreten zwischen- bzw. transgeschlechtlicher Identitäten.
In letzter Zeit treten mir - wie soll ich sagen? - wohlgesonnene, mir zugeneigte Menschen gehäuft entgegen und laden ihren Frust bei mir ab über solche Dinge wie "Gendern in der Sprache", dritte Toilette und ähnliche LGBTQIetc-bezogenen Themen. Viele - auch Frauen - fühlen sich bei diesen Dingen gegängelt, unwohl, überfordert, genervt. Ja, all diese Symptome sind sicherlich notwendig, um einen Wandel in der Gesellschaft hervorzubringen. Wandel provoziert eben auch re-aktioniäre Kräfte.
Und manche fühlen sich - nun sind wir bei den Gedankenschritten 2 usw., besonders bei 4 - bedroht. Manche empfinden das Einfordern von Rechten und die erhöhte Sichtbarkeit als ein Werben. Und zwar Werbung für non-hetero-identitäre Lebensentwürfe, die nicht nur "Betroffenen" die Möglichkeit gibt, sich frei zu entfalten, sondern die "Nicht-Betroffene" zu diesen Lebensentwürfen hinziehen will. Und ich nehme das als die Hauptbefürchtung wahr, die solche verketteten Denkschritte bis hin zu Denkschritt 4 hervorrufen.
Mögen zusätzlich auch noch ein paar andere Faktoren hinzukommen, die auch dahin führen, wie Timper sie z.B. schon angesprochen hat.